Quelle Nummer 224

Rubrik 11 : LITERATUR   Unterrubrik 11.01 : ZU

LUKREZ
TRAUDEL STORK
NIL IGITUR MORS EST AD NOS
DER SCHLUSSTEIL DES DRITTEN LUKREZBUCHES UND SEIN
VERHAELTNIS ZUR KONSOLATIONSLITERATUR
HALBELTS DISSERTATIONSDRUCKE
REIHE KLASSISCHE PHILOSOPHIE HEFT 9
RUDOLF HABELT VERLAG GMBH BONN 1970


001  Zusammenfassung. Wenn man nun noch einmal den
002  Schlußteil des dritten Buches als Ganzes überblickt, fallen
003  zunächst zwei Höhepunkte auf, der Anfang,. 830-869, und
004  die Mitte, die Rede der Natur mit der anschließenden
005  Unterweltsdeutung. Aber auch für die anderen Teile hat sich
006  gezeigt, daß sie nicht weniger sorgfältig ausgeführt sind.
007  Jeder der Abschnitte erscheint als ein abgerundetes Ganzes.
008  Dadurch entsteht zunächst der Eindruck eines unverbundenen
009  Nebeneinander. Ein näheres Hinsehen hat jedoch die formalen und
010  gedanklichen Bezüge deutlich gemacht. Die Gedankenführung ist
011  nicht streng und geradlinig auf das Ziel hin ausgerichtet, sondern
012  assoziierend. Immer wieder kommt ein neuer Gedanke, der zwar in
013  gewisser Beziehung zum Vorhergehenden steht, aber doch auch ein
014  Überraschungsmoment enthält, so daß die Aufmerksamkeit jeweils
015  neu erregt wird. Im ganzen gesehen läßt sich allderdings ein
016  Übergang vom Allgemeinen zum Besonderen feststellen. Ferner ist
017  die verschiedenartige Ausführung der einzelnen Gedanken
018  bemerkenswert. Relativer Ausführlichkeit auf der einen Seite,
019  so z. B. bei der Rede der Natur und der
020  Unterweltsbetrachtung, steht erstaunliche Kürze auf der anderen
021  gegenüber, so z. B bei der Frage der Bestattungsart und der
022  Trauer. An sachliche Erklärungen erinnernde Partien, wie z.B.
023  V. 843 ff. und V. 919 ff., wechseln ab mit
024  z. T. sehr stark affektbetonten. Lange Perioden und kurze
025  Sätze kommen nebeneinander vor, wie z. B. V. 1046-
026  1052 und V. 1045. Ein weiteres Merkmal ist der Wechsel im
027  Verhältnis zwischen dem Sprechenden und dem Angesprochenen.
028  Lukrez geht von der 1.Pers. Pl. zur 2.Pers.
029  Sg. über und kehrt wieder zurück, einmal verwendet er sogar
030  die 1.Pers. Sg., V. 889. In V. 870 ff.
031  tritt er, zusammen mit dem Hörer, in den Hintergrund und
032  betrachtet scheinbar einen dritten und V. 931 ff. übergibt er
033  seine Stelle ganz der Natur. Dabei verwendet er direkte Rede in
034  verschiedener Form, als Wiedergabe des Geredes der Leute, V.
035  894 ff., oder als Selbstgespräch des Angeredeten, V.
036  1024 ff., oder als Prosopopödie, V. 931 ff..
037  Außerdem sind die variierenden Wiederholungen in Formulierungen
038  und in Gedanken charakteristisch. Das Ziel der Beweisreihe ist
039  mit V. 830 f. erreicht. Alles weitere verläuft zwar auf
040  einer etwas anderen Ebene, kreist aber auch immer um dieses
041  entscheidende Ergebnis. Alle diese Beobachtungen lassen sich
042  erklären als Technik des Einprägens und Überredens, bzw.
043  Überzeugens, also dadurch, daß man sie als Mittel zur
044  parainetischen Einwirkung auf den Hörer betrachtet. Die
045  belehrende Tendenz ist zwar eine wesentliche Eigentümlichkeit des
046  Lukrez überhaupt, die ja schon durch die Bindung an die Gattung
047  des Lehrgedichts begründet ist, aber trotzdem dürfte klar
048  geworden sein, daß das Eingehen auf den Hörer in 3,830 ff.
049  in besonderem Maße hervortritt. Abgesehen von der Vielfalt
050  der stilistischen Mittel hat sich das auch an der Gedankenführung
051  im einzelnen gezeigt. Nur als Beispiel soll noch einmal darauf
052  hingewiesen werden, daß oft Römisches anklingt, eine Tatsache,
053  die sicher im Sinn dieses Bemühens um die Aufmerksamkeit und die
054  Wirkung auf den römischen Hörer zu verstehen ist. Diese Linie
055  beginnt sehr deutlich schon am Anfang durch das Beispiel der
056  Punierkriege, V. 833 ff.. Die Rede der Natur wird
057  durch die Verwendung von Begriffen aus der römischen
058  Rechtssprache als eine Art Gerichtsverhandlung vorgestellt, V.
059  950 f., V. 963. Auch V. 971 kann man noch
060  dazurechnen. Bei den Vergleichen der Unterweltsvorstellungen wird
061  Sisyphus mit politischem Ehrgeiz parallelisiert und zwar so, daß
062  sich darin römische Verhältnisse widerspieglen, V. 955 ff..
063  Das Gleiche gilt für die Aufzählung der Strafen, V.
064  1016 f.. Ein zweiter Hinweis auf die römische Geschichte
065  folgt in V. 1025 und 1034. In der Schilderung des ewig
066  Rastlosen, V. 1060 ff. beschreibt Lukrez römisches
067  Verhalten. Ein anderes Zeichen für dieses Eingehen besteht
068  darin, das Lukrez mehrmals dem Hörer soweit entgegenkommt, daß
069  er scheinbar dessen Standpunkt einnimmt, allerdings nur, um dann
070  um so überzeugender auf seinen eigenen *bp, 894 ff. oder auch
071  die Berücksichtigung der beiden., 894 ff. oder auch die
072  Berücksichtigung der beiden Möglichkeiten der Einstellung zum
073  Leben, V. 935 ff.. Außerdem wären hierzu alle die
074  Stellen anzuführen, wo Lukrez Konsolationstopoi in direkter
075  Form verwendet. Die Verschiedenartigkeit der Belehrung wird vor
076  allem dann deutlich, wenn man 3,830ff. mit der vorangehenden
077  Beweisreihe vergleicht. Auch dort will Lukrez den Hörer
078  überzeugen, und die Intensität der Bemühung ist handgreiflich.
079  Aber die Art und Weise ist von der des Schlußteils verschieden.
080  Vorher argumentiert er logisch, nur an den Verstand gerichtet.
081  Nach V. 830 bringt er zwar auch noch sachliche Argumente, aber
082  nicht mehr das Beweisziel steht jetzt im Vordergrund, sondern die
083  psychagogische Wirkung auf den Hörer. Das Ergebnis der
084  Beweisreihe bildet den Ausgangspunkt und die grundlegende
085  Voraussetzung und wird insofern mit in den Schlußteil
086  hineingenommen. Ber darüber hinaus versucht Lukrez nun nicht nur
087  eine verstandesmäßige, sondern auch noch die gefühlsmäßige
088  Überzeugung zu erreichen. Deshalb geht er auf verschiedene
089  emotionale Einwände ein, die man gegen seine entscheidende
090  Schlußfolgerung, V. 830 f., haben könnte. Dieses
091  Eingehen ist jeweils sehr geschickt ausgewählt und formuliert.
092  Einerseits erweckt Lukrez den Eindruck, daß er die Probleme
093  seines Gegenübers ganz ernst nimmt, andererseits stellt er sie
094  aber so dar, daß sie jeweils durch Argumente, die sich aus der
095  epikureischen Lehre ergeben, überzeugend widerlegt werden können.
096  Die Behandlung der Frage der Trauer, V. 894 ff., oder
097  des Lebensgenusses, V. 912 ff., sind Beispiele dafür.
098  In der Rede der Natur wird dieses Suggerieren besonders deutlich.
099  Aber auch die Unterweltsdeutung kann man als eine in dieser
100  Hinsicht ähnlich gelungene Partie ansehen. Diese Fähigkeit zu
101  überzeugender Darstellung, bzw. zum Auswählen des Passenden
102  und Verschweigen des Unergiebigen, zeigt sich auch daran, daß
103  Lukrez nur vom Tod spricht, nicht vom Sterben. Denn gegen den
104  Schmerz des Sterbens bietet die epikureische Philosophie nur viel
105  weniger überzeugende Argumente als gegen den Tod, bzw. die
106  Todesfurcht. Daß Lukrez sich der möglichen Qualen des
107  Sterbens bewußt war, geht aus der Pestschilderung hervor.
108  Philodem, col. 4,2-9,18, zeigt, daß eine
109  tröstende Betrachtung der Möglichkeiten von Schmerz und
110  Lustgefühlen beim Sterben durchaus in eine epikureische Schrift
111  " de morte " aufgenommen werden konnte. Daraus scheint sich zu
112  ergeben, daß Lukrez mit Absicht diese Frage nicht berührt.
113  Aber zugleich muß man hinzufügen, daß die Furcht vor dem
114  Sterben wohl als die untergeordnete empfunden wurde, Todesfurcht
115  also in erster Linie Furcht vor dem, was nach dem Tod kommt,
116  bedeutete. Auch Epikur hielt offenbar diese Frage für die
117  wichtigere, wie schon daraus hervorgeht, daß er die Todesfurcht
118  und die Götterfurcht in engem Zusammenhang sieht. Man kann also
119  nicht Lukrez den Vorwurf machen, daß er das Wesentliche umgeht,
120  sondern er zeigt die Todesfurcht durchaus von der Seite, die für
121  die epikureische Schule und wohl ebenso für ihn selbst die
122  ausschlaggebende war. Trotzdem ist es auffallend und wohl als
123  geschicktes Auslassen zu verstehen, daß er auf die Angst vor dem
124  Sterben nicht eingeht. Den Hauptgrund zur Beunruhigung, die
125  Ungewißheit über den Zustand nach dem Tod, behandelt er dagegen
126  so intensiv wie möglich, in immer neuen Variationen des Themas
127  der Verse 830 f.. Auch die Stellungnahme zur Frage nach
128  dem Schicksal des Leichnams und zu den Unterweltsvorstellungen ist
129  als Beitrag dazu anzusehen. Die Aussage des Schlußteils von
130  Buch 3 ist allerdings mit diesem direkten Kampf gegen die
131  Todesfurcht nicht erschöpft. Eine weitere Komponente ist damit
132  verbunden, die Kritik des Dichters. Sie äußert sich,
133  abgesehen vom ersten Teil, V. 830-869, durchgehend mehr
134  oder weniger stark und ist im Grunde auf einen Punkt gerichtet,
135  auf die Lebensgier, die nur eine andere Erscheinungsform der
136  Todesfurcht ist. Andeutungsweise spielt diese bereits im
137  Selbstmitleid des in V. 870 ff. gezeigten Menschen eine
138  Rolle, z. B. in V. 874, 877 f., 881, 884.
139  Mitleid in anderer Form bestimmt auch die Verse 894 ff.,
140  Klage über die Kürze des Lebens klingt an in V. 914 f..
141  Die Kritik des Dichters ist damit jeweils eng verbunden.
142  Das Hängen am Leben und die Klage über das Sterbenmüssen
143  tritt dann deutlich hervor in der Rede der Natur. Hier bildet das
144  Jammern des Menschen den Hintergrund, im Vordergrund steht die
145  Verurteilung dieses Verhaltens. Auch in der
146  Unterweltsbetrachtung wird diese Linie fortgesetzt und selbst im
147  Zusammenhang mit der Aufzählung in V. 1024 ff., wo man sie
148  nicht erwarten würde, fehlt die Kritik nicht, V. 1045 ff..
149  Etwas weniger scharf, aber doch noch deutlich, erscheint sie
150  in V. 1053 ff.. Der letzte Abschnitt hat zwar die vitai
151  cupido ausdrücklich als Thema, es fehlt ihm aber die Schärfe der
152  verurteilenden Kritik, im Unterschied zur Rede der Natur.
153  Dieser relativ beruhigend wirdende Schluß ist eines der Zeichen
154  dafür, daß Lukrez die Kritik nicht um ihrer selbst willen übt,
155  sondern um zu helfen. Auf die in diese Richtung weisenden
156  Einzelheiten ist im Laufe der Interpretation aufmerksam gemacht
157  worden. Einige Abschnitte sind besonders stark und direkt, also
158  nicht auf dem Umweg über die Kritik, davon bestimmt, so V.
159  830 ff., 919 ff., 964 ff., 1024 ff., 1078 ff..
160  Diese Partien sind nicht zufällig zugleich die, in denen die
161  Verwendung von Konsolationstopoi am besten greifbar ist. Diese
162  Tatsache, daß Lukrez für den Schlußteil die Möglichkeiten,
163  die die Konsolationsliteratur bot, mit herangezogen hat, ist auch
164  ein Beweis dafür, daß er den Hörer aus seiner unglücklichen
165  Situation befreien will. Die Beziehung zwischen dem Dichter und
166  seinem Hörer entspricht der zwischen consolator und consolandus.
167  Dieses Verhältnis ist einerseits bestimmt durch eine gewisse
168  Distanz, die darauf beruht, daß der consolator sich in einer
169  überlegenen Position befindet. Denn er glaubt, dem consolandus
170  eine Hilfe bieten zu können. Andererseits ist die Hinwendung,
171  das Eingehen auf den consolandus bezeichnend für den consolator.
172  Ein weiteres charakteristisches Moment besteht darin, daß der
173  consolator auf Wirkung bedacht ist. Er will überzeugen und
174  versucht das auf vielfältige Art im einzelnen, im Grunde aber
175  durch eine Kombination von rationaler, rhetorisch gewandter
176  Argumentation und Berücksichtigung der emotionalen Situation des
177  consolandus, Dabei übt er Kritik am consolandus und will ihn
178  dadurch zu einem anderen Verhalten bewegen. Das Ziel ist
179  Befreiung oder wenigstens Linderung des Schmerzes des consolandus.
180  Die Parallelität der Situation ist also nicht zu übersehen.
181  Deshalb liegt es nahe, daß Lukrez sich auch der speziellen
182  Möglichkeiten der Konsolationsliteratur, vor allem also der
183  Trosttopoi, bedient hat. Eine wichtige Voraussetzung zur
184  Beurteilung, wie er diese Topoi verwendet, ist die Feststellung,
185  daß der Schlußteil des dritten Buches zu den Abhandlungen
186  " de morte " gehört. Sie unterscheiden sich von den eigentlichen
187  consolationes vor allem dadurch, daß an Stelle der Trauer der
188  Hinterbliebenen über den Tod eines anderen die Furcht des noch
189  lebenden Menschen vor seinem eigenen Tod tritt. Durch diese
190  Verschiebung der Ausgangsposition sind wesentliche Teile einer
191  consolatio, so alles, was speziell auf den Trauerfall abgestimmt
192  ist, von vorneherein nicht übertragbar. Anderes erscheint zwar in
193  beiden Fällen, aber jeweils in andersartiger Form, so z.B.
194  die Beispielreihe derer, die Gleiches erduldet haben, oder
195  der Topos " de avida spe ". Der Rest der Topoi ist hier wie
196  dort anwendbar, vor allem die, die in der consolatio im Hinblick
197  auf den Toten gebraucht werden, z. B. der Analogieschluß
198  von der Empfindungslosigkeit vor der Geburt auf die nach dem Tod
199  oder die Parallelisierung von Tod und Schlaf. Dazu gehören auch
200  solche allgemeiner Art, wie z. B. " Alle Menschen
201  müssen sterben " oder " Das Leben ist nur ein Darlehen ".
202  Wenn man nun Lukrez mit den anderen erhaltenen Schriften " de
203  morte " zu vergleichen versucht, mit dem ps.-platonischen
204  Axiochos, mit Philodem (Zeichen) und mit Cicero, Tusc. 1, so ist
205  das zwar in Einzelheiten möglich, wie bereits gezeigt wurde, im
206  ganzen jedoch kaum. Im Gegensatz zu diesen Prosaschriften steht
207  Lukrez schon durch seine poetische Form. Aber selbst abgesehen
208  davon hat jede der genannten Schriften einen eigentümlichen
209  Charakter, der nicht der Partie bei Lukrez entspricht. Auch der
210  Gedankenablauf ist sehr verschieden. Der ps.n-platonische
211  Axiochos unterscheidet sich durch die Dialogform und das
212  Nebeneinander von epikureischen und platonischen Argumenten und
213  dadurch, daß es sich um einen scheinbar konkreten Fall handelt,
214  Philodem formal durch die Einteilung in Rubriken, inhaltlich
215  durch die große Anzahl der bei Lukrez völlig fehlenden Themen
216  und die Ausführlichkeit der Abhandlung, Cicero ebenfalls durch
217  die Dialogform und die Weitschweifigkeit. Sie ist in diesem Fall
218  dadurch begründet, daß es sich um eine philosophische
219  Untersuchung handelt, in der möglichst alle Positionen zu Wort
220  kommen sollen. Cicero geht von der These aus, daß der Tod
221  völlige Vernichtung bedeutet, läßt dann aber eine eingehende
222  Verteidigung der Unsterblichkeit der Seele folgen, um am Ende zu
223  dem Ergebnis zu kommen, daß in jedem Fall der Tod kein Unglück
224  sei. Bei Lukrez ist dagegen die vergleichsweise Kürze seiner
225  Ausführungen auffallend. Vor allem aber läßt sich die
226  Komposition seiner Darstellung nicht mit der anderer Schriften
227  vergleichen. Abgesehen von der durchgehenden Gestaltung im
228  einzelnen scheinen in erster Linie die Rede der Natur und die
229  allegorische Deutung der Unterweltsvorstellungen eigenes Werk des
230  Dichters zu sein. Ein anderes greifbares Kriterium der
231  persönlichen Formgebung ist die Verwendung von Römischem.
232  Besonders deutlich wird das bei der Verbindung eines Topos mit
233  römischen Vorstellungen, wie z. B. bei der des
234  Analogieschlusses mit dem Punischen Krieg oder der Beispielreihe
235  mit römischen historischen Persönlichkeiten. Denn man darf wohl
236  mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß Lukrez nicht auf
237  römische Konsolationsliteratur zurückgreifen konnte. Eine über
238  die Themengleichheit und die Verwendung der Konsolationstopoi
239  hinausgehende Vergleichsmöglichkeit bieten die Briefe Senecas,
240  in denen das Thema " de morte " eine Rolle spielt, also epist.
241  4, 24, 26, 30, 36, 54, 61, 77, 82. Sie besteht darin,
242  daß bei Seneca wie bei Lukrez die Bekämpfung der Todesfurcht
243  mit einem ausgeprägten protreptischen Bemühen verbunden ist. Wie
244  Lukrez für die epikureische Philosophie, so will Seneca seinen
245  Hörer für die stoische gewinnen. Jedoch keiner der Briefe
246  erreicht nur annähernd die Konzentriertheit auf das Thema, die
247  man bei Lukrez findet. Das mag z. T. durch die formale
248  Verschiedenheit zwischen Brief und Lehrgedicht bedingt sein, ist
249  aber wohl auch ein Zeichen dafür, daß für den Stoiker Seneca
250  der Tod zwar ebenfalls ein wichtiges Problem ist, aber doch nur
251  eines unter anderen, während es für den Epikureer Lukrez
252  entscheidende Bedeutung hat.

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