Quelle Nummer 213
Rubrik 09 : WIRTSCHAFT Unterrubrik 09.22 : WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT
ARBEITSWERTLEHRE
KARL GEORG ZINN
SOZIALISTISCHE PLANWIRTSCHAFTSTHEORIE
GRUNDLAGEN UND AKTUELLE PROBLEME DER ARBEITSWERT-
LEHRE
VERLAG W.KOHLHAMMER STUTTGART BERLIN KOELN MAINZ
1971, S. 207-215
001 Wachstumspolitik als Realisierung einer
002 Wohlstandsfunktion. Die globale Meßziffer für das
003 Wirtschaftswachstum ist die Wachstumsrate des Volkseinkommens
004 (Sozialprodukts). Jedoch wird erst vor dem Hintergrund eines
005 bestimmten wirtschaftspolitischen und
006 gesellschaftspolitischen Zielbündels, das als soziale
007 Wohlstandsfunktion bezeichnet sei, deutlich, ob ein bestimmtes
008 Wachstum bzw. die Wachstumsraten in einzelnen Bereichen optimal
009 im Hinblick auf die Realisierung einer bestimmten
010 Wohlstandsfunktion sind. Bereits die globale, geplante
011 Aufteilung des Nationaleinkommens in die verschiedenen
012 Verwendungsbereiche (Finalgüterproduktion), Konsum (privater
013 und gesellschaftlicher), Nettoinvestition und Export, macht
014 deutlich, daß ein optimales Wachstum nur dann erreicht wird, wenn
015 die globale Wachstumsziffer des Nationaleinkommens gerade die
016 Summe der (geplanten) Wachstumsraten der einzelnen Bereiche
017 bildet. Es ist also ein großer Unterschied, ob bei einer
018 bestimmten, dem Plan entsprechenden Zunahme des
019 Nationaleinkommens ein Übersoll in der Investition, aber ein
020 Zurückbleiben des Konsumfondswachstums vorliegt, oder ob auch die
021 Proportionen der Wachstumsraten der einzelnen Bereiche den
022 Zielsetzungen entsprechen. In marktwirtschaflichen Systemen
023 besteht in der Regel solch eine differenzierte Betrachtungsweise
024 nicht. Beispielsweise würde ein bestimmtes reales Wachstum,
025 gleichgültig, ob es aufgrund gewachsener Exporte (bei
026 unveränderten Bilanzsalden auch entsprechender Importe),
027 aufgrund von Strukturänderungen (überproportionale Zunahme der
028 produktiveren Industrien) oder aufgrund höherer Staatsausgaben
029 zustande gekommen ist, als gleichrangig angesehen, d. h. eine
030 spezielle Analyse des Wachstums im Hinblick auf eine soziale
031 Wohlstandsfunktion wird nicht vorgenommen. Eine tautologische
032 Formel für das Ziel des gesamtwirtschaftlichen Prozesses
033 einschließlich des Wirtschaftswachstums ist die
034 Wohlstandsmaximierung. Wohlstandsmaximierung impliziert
035 Wachstumsoptimierung, d. h. Wachstum per se kann kein
036 erstrebenswertes Ziel sein, sondern muß als Bedingung für
037 Wohlstandssteigerungen verstanden werden. Wenn auch gelegentlich
038 vom " Wachstumsfetischismus " gesprochen wird, so ist doch
039 stillschweigend stets unterstellt, daß keine Wachstumsmaximierung
040 mit allen Mitteln gemeint sein kann, denn sonst würde sich -
041 zumindest in Zeiten der Arbeitskräfteknappheit - eine starke
042 Ausdehnung der Arbeitszeit anbieten, was bedeuten würde, daß
043 man den Wohlstandsfaktor Freizeit vernachlässigen müßte. Es
044 gibt heute keine Volkswirtschaft, in der die
045 Investitionsentscheidungen und das daraus resultierende
046 Wirtschaftswachstum ausschließlich von den Konsumentenwünschen
047 determeniert werden. Abgesehen davon, daß bereits mit der
048 Variation der Verteilung in einer Volkswirtschaft die aggregierten
049 Konsumentenwünsche sehr unterschiedlich ausfallen werden, liegen
050 heute grundlegende Wachstumsentscheidungen steigende Bedeutung der
051 Bildungsinvestitionen!) auch in den Marktwirtschaften in der
052 Hand des (interventionistischen) Staates, der zwischen 30 bis 40
053 % des Volkseinkommens durch seine Kassen lenkt. Die
054 konsumentenorientierte Investition und damit die unmittelbar an die
055 Konsumentenwünsche anknüpfende Wachstumspolitik stellt somit nur
056 einen Teilsektor u. U. Residualsektor dar. Unter
057 dem geschilderten Aspekt könnten die Kriterien für ein optimales
058 Wachstum bzw. die Wohlstandsmaximierung in Marktwirtschaften
059 und zentralen Planwirtschaften trotz der Verschiedenheit im
060 Allokationsmechanismus und Koordinationsmechanismus
061 übereinstimmen. Wenn dies nicht der Fall ist, so sind dafür
062 nicht ökonomisch-technische, also " Sachzwänge "
063 maßgebend, sondern Unterschiede in den Werturteilen bzw.
064 Ideologien, die zur Konkretisierung einer jeweils geltenden
065 sozialen Wohlstandsfunktion herangezogen werden. Konkretisierungen
066 des Wohlstandsbegriffs erhellen erst, wie die sich hinter einer
067 bestimmten Wachstumsziffer bzw. Sozialproduktgröße
068 verbergenden Güterkomplexe werturteilsmäßig zu beurteilen
069 sind. Wir hatten schon verschiedentlich darauf hingewiesen, daß
070 mit dem gleichen Aufwand (Arbeitsmengen, Faktoreinsätzen) -
071 je nach der Machtstruktur bzw. Verteilungsstruktur -
072 mehr (private) Luxusgüter oder mehr Kollektivgüter
073 produziert werden können. Das Optimierungsproblem ist also,
074 soweit es um die Zielsetzungen geht, eine Frage der Werturteile.
075 Nur wenn als Ziel gilt, ausschließlich private Konsumenten über
076 die Produktionsstruktur entscheiden zu lassen bzw. die
077 öffentliche Nachfrage auf ein irgendwie definiertes Minimum
078 (Nachtwächterstaat?) zu beschränken, könnte von eindeutig
079 individuell nachfrageorientierter Allokation und entsprechend von
080 einem nur am privaten Konsum orientierten Wachstum gesprochen
081 werden. Daß solch ein Zustand wünschenswert oder gar
082 wohlstandsoptimal ist, wird heute nicht einmal mehr von
083 Neoliberalen behauptet. Allerdings soll durch vorstehende
084 Ausführungen nicht etwa eine Argumentation für die populäre
085 Konvergenzthese aufgebaut werden, sondern es ging lediglich darum,
086 zu zeigen, daß die Entscheidungssituation bezüglich des optimalen
087 Wachstums systemindifferent ist. Die Wachstumsentscheidung bzw.
088 die Konkretisierung einer Wohlstandsformel hingegen fällt
089 recht unterschiedlich aus. Als globale Tendenz läßt sich
090 feststellen, daß in marktwirtschaftlichen Systemen (bisher)
091 Wohlstandsverbesserungen langfristig als Steigerung des
092 Verbrauchsniveaus bei sehr ungleicher Einkommensverteilung (und
093 entsprechend noch verzerrterer Vermögensverteilung) interpretiert
094 werden, während in den sozialistischen Ländern die Steigerung
095 des materiellen Lebensniveaus - bei gleichmäßiger Verteilung
096 und entsprechend geringerem Luxuskonsumanteil - als Zwischenziel
097 gesehen und langfristig eine Reduktion der Arbeitsmühe als Ziel
098 propagiert wird. Daraus ergibt sich, daß in der
099 wohlstandsbezogenen Beurteilung des Wachstums mehr Augenmerk auf
100 die optimale Kombination von Einkommen und Freizeit bzw.
101 Arbeitsmühe und Freizeitnutzen gelegt wird. Die Folge ist u.U.
102 Rationalisierung mit dem Ziel der Freizeitvermehrung,
103 während in Marktwirtschaften bisher Arbeitsverkürzungen primär
104 als Mittel zur Beschäftigunssicherung und in jüngster Zeit als
105 Komplementärgut höheren Verbrauchs (an Freizeitgütern)
106 angestrebt wird, kaum aber als Möglichkeit optimaler
107 Lebensgestaltung. Unbeantwortet blieb bisher in der
108 sozialistischen Wirtschaftswissenschaft die Frage, ob es ein
109 einziges Optimierungskriterium oder nur eine Synthese aus
110 verschiedenen Kriterien für die Wachstumsoptimierung gibt. Von
111 den Arbeitswertdenken her liegt es nahe, als Optimierung die
112 Reduktion des gesamten Arbeitsaufwandes anzusehen (so: Johannes
113 Rudolph). Dabei stellt sich jedoch sofort das Problem, über
114 welchen Zeitraum hinweg eine bestimmte Produktion geplant werden
115 soll, und dementsprechend sind Arbeitszeitreduktionen früher oder
116 später möglich. Letztlich wird man somit für einen
117 Residualbereich, d. h. für jenen Teil des
118 Nationaleinkommens, der nicht als Kollektivkonsum und Investition
119 hierfür gilt, die Wachstumsentscheidungen von den individuellen
120 Konsumentenwünschen abhängig machen müssen, um hier zu einer
121 optimalen Kombination aus Einkommen und Freizeit zu gelangen.
122 Der Vorteil des Systems liegt darin, daß weder durch Werbung
123 noch andere soziale Zwänge ein bestimmtes Verhalten der
124 Konsumenten ergängelt wird, da keine Gruppe Interesse daran hat,
125 daß möglichst viel konsumiert und entsprechend viel gearbeitet
126 wird. Vielmehr soll gerade der Antagonismus zwischen Konsum
127 zwang und Leistungszwang einerseits und den durch Wissenschaft
128 und Technik möglichen Entlastungen des Menschen andererseits
129 überwunden werden. In diesem Sinn wird auch der Begriff des
130 Lebensstandards in der sozialistischen Ökonomie weiter gefaßt als
131 es im allgemeinen in der nichtsozialistischen Literatur der Fall
132 ist. Lebensstandard meint außer dem privaten Konsum auch
133 Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Verlängerun der Freizeit
134 und ihre " rationelle " Nutzung sowie den kollektiven
135 Konsum, der dem Individuum ohne spezielles Entgelt verfügbar ist.
136 Das Optimierungsproblem ist - analog der Situation in
137 Marktwirtschaften - in zwei Komponenten aufzuspalten. Erstens
138 gilt es, eine soziale Wohlstandsfunktion zu ermitteln, d. h.
139 man muß durch ein deutlich formuliertes gesamtgesellschaftliches
140 Zielbündel konkretisieren, in welcher Zeitspanne man was mit den
141 in der Ausgangssituation (begrenzt) verfügbaren Arbeitskräften,
142 Ressourcen und Produktionskapazitäten erreichen will. Dies ist
143 letztlich eine werturteilsabhängige Konzipierung, und zwar bleibt
144 die Determination durch Werturteile auch dann, wenn man das
145 sozioökonomische System so gestaltet, daß sich die
146 gesellschaftliche Wohlstandsfunktion " automatisch " durch eine
147 Konbination aus marktwirtschaftlichem Koordinationsmechanismus und
148 demokratischer Willensbildung (Mehrheitsentscheidung) ergibt.
149 - Zweitens gilt es, die bestimmten Zielsetzungen im Sinne des
150 Wirtschaftlichkeitsprinzips zu realisieren, d. h.
151 Ertragsmaximierung bzw. Aufwandsminimierung.
152 " Leistungsvergleiche " zwischen verschiedenen Systemen und
153 Volkswirtschaften, die den zweifachen Aspekt des
154 Optimierungsproblems nicht trennen, werden stets unklar bleiben.
155 Es gilt einerseits zu unterscheiden, ob die Unterschiede in den
156 sozialen Wohlstandsfunktionen von einem bestimmten ethischen
157 Standpunkt aus Anlaß zu einer Einteilung in gut und schlecht
158 geben, andererseits muß analysiert werden, wieweit ein bestimmtes
159 System in der Lage ist, die jeweils gewählte Wohlstandsfunktion
160 wirtschaftlicher zu erfüllen. So kann man eventuell trotz
161 niedrigeren Verbraucherniveaus eines Landes (Bundesrepublik
162 gegenüber USA) den Wohlstand höher veranschlagen, weil man
163 die Wohlstandsfunktion der Gesellschaft für besser hält.
164 Beispielsweise ist die soziale Sicherheit in der BRD höher,
165 die durchschnittliche Arbeitslosigkeit geringer, der Schutz der
166 ökonomischen Unterschicht stärker, der Leistungsdruck
167 gedämpfter als in den USA. In gleicher Weise müßte ein
168 Wohlstandsvergleich zwischen sozialistischen und kapitalistischen
169 Ländern verfahren. - Der zweite Aspekt des
170 Optimierungsproblems betrifft den Effizienzvergleich, d. h.
171 es wird nach Produktivitäten, Qualitätsniveaus der Güter
172 (Gebrauchswertvergleich), Kaufkraft der Arbeitsstunde etc.
173 gefragt. Selbstverständlich bestehen zwischen der sozialen
174 Wohlstandsfunktion und der ökonomisch-technischen Realisierung
175 des Wohlstandes Wechselbeziehungen, wie auch die
176 Wohlstandsfunktion im Zuge gesellschaftlicher Veränderungen und
177 vor allem der Erweiterung des wissenschaftlichen und technischen
178 Kenntnisniveaus fortentwickelt wird. Beispielsweise mögen
179 irgendwann exaktere Aussagen darüber vorliegen, was menschliches
180 Glück ist, so daß dann auch die Wohlstandsfunktion entsprechend
181 konkretisiert werden könnte. Für die Wachstumspolitik sind beide
182 Aspekte bedeutungsvoll, für die ökonomisch-technische
183 Optimierung steht hingegen die Ausführung bestimmter vorgegebener
184 Ziele, d. h. die Realisierung der Wohlstandsfunktion im
185 Vordergrund. Die Beurteilung der Effektivität der
186 Wachstumsfaktoren. Das traditionelle Planungssystem bis zum
187 Tode Stalins sah ähnlich wie die westlichen Marktwirtschaften die
188 wichtigste Wachstumsursache in der Nettoinvestition. Diese
189 Sichtweise hat sich in allen Ländern heute gewandelt.
190 Kapitalistische und sozialistische Länder gelangten über die
191 Analyse des technischen Fortschritts zu der Erkenntnis, daß in
192 steigendem Maße die Ausgaben für Wissenschaft und Bildung
193 (human capital) als Hauptfaktor künftigen Wirtschafts
194 wachstums und Wohlstandswachstums anzusehen sind. Diese
195 Trennung erscheint deshalb immer wieder notwendig, da
196 Wirtschaftswachstum u. U. auf Kosten des Wohlstandswachstum
197 Wohlstandswachstums gehen kann. Beispielsweise werden die
198 Ausgaben für die Krebsforschung weitaus geringer zum
199 Wirtschaftswachstum beitragen als eine gleich große Summe für den
200 Straßenbau. Der mögliche Wohlstandsgewinn der Krebsforschung
201 dürfte jedoch höher zu veranschlagen sein. Mit der genaueren
202 Kenntnis der Wachstumsursachen, die u. a. zu der erwähnten
203 Gliederung in Grundlagenfaktoren und unmittelbar wirksame Faktoren
204 veranlaßte, verlagerte sich das Schwergewicht von der extensiven
205 auf die intensive Wachstumspolitik. Intensives Wachstum, das
206 synonym zur Bezeichnung effektives Wachstum ist, verlangt bei
207 Wachstumsanalysen andere Beurteilungskriterien als das vorwiegend
208 nach quantitativen Inputs und Outputs beurteilte extensive
209 Wachstum. Die Effektivität bzw. Intensität der Verwendung
210 von Arbeitskräften, Arbeitsmitteln (Anlagegütern) und
211 Arbeitsgegenständen läßt sich aus der Arbeitsproduktivität
212 (Quotient aus Ertrag und Arbeitsaufwand) und der Fondsquote
213 (Quotient aus Ertrag und vorgeschossenen Fonds) nur unzureichend
214 ermitteln. Es müssen zur Effektivitätmessung spezielle
215 Kennziffern entwickelt werden. Diese Kennziffern sind als
216 " Teilkriterien der Effektivität " zu verstehen. Ihre
217 Zusammenfassung, die bisher noch nicht zufriedenstellend gelungen
218 ist, würde zu einer " synthetischen Kennziffer des Nutzeffekts "
219 der Arbeit und der Investitionen führen. Im Gegensatz zur
220 quantitativen Entwicklung, die primär als Folge materieller
221 Investitionen verstanden wird, erscheinen
222 Effektivitätsverbesserungen als Ergebnis der Aufwendungen für
223 Wissenschaft, Entwicklung und Bildung, so daß der
224 Wachstumsbeitrag dieser heute als entscheidend angesehenen
225 Grundlagenfaktoren über die Effektivitätsmeßziffern beurteilt
226 wird. Allerdings wird bei jeder gesamtwirtschaftlichen
227 Wachstumsanalyse immer wieder das Zusammenwirken der verschiedenen
228 Wachstumsfaktoren zu beachten sein, was auch dem von Oskar Lange
229 hervorgehobenen " Ganzheitsaspekt " des
230 zentralplanwirtschaftlichen Systems entspricht. Die Zweiteilung
231 in unmittelbare Wachstumsfaktoren und Grundlagenfaktoren führte
232 auch zu einer geänderten Sichtweise bezüglich der
233 Außenwirtschaftsbeziehungen. Der Außenhandel verliert mehr und
234 mehr seine Lückenbüßerfunktion, die er während der Aufbauphase
235 einnahm, als es galt, bei möglichst geringer Importabhängigkeit
236 (von nichtsozialistischen Ländern) Importe auf Engpaßgüter zu
237 beschränken. Außenhandel wird heute von der sozialistischen
238 Wirtschaftstheorie als Instrument zur Ausnutzung der
239 Arbeitsteilung begriffen, so daß nach Überwindung ideologischer
240 Hemmungen der Nachholbedarf der " sozialistischen "
241 Außenwirtschaftstheorie zumindest teilweise durch die
242 außenwirtschaftstheoretischen Arbeiten der nichtsozialistischen
243 Wirtschaftswissenschaft gedeckt werden kann. Als Haupttendenz
244 sind in diesem Zusammenhang Einschränkungen der nationalen
245 Produktionssortimente und daraus resultierende Konzentrationen in
246 der Erzeugnisstruktur zu nennen, die dann auch zu
247 Betriebskonzentrationen führen. Diese Entwicklung zeigte sich im
248 Rahmen des Comecon in den übernationalen vereinbarten
249 Produktionsschwerpunkten der einzelnen Mitgliedsländer, wobei die
250 Sowjetunion wegen ihres politischen Gewichtes zwar starken
251 Einfluß ausübte, aber seit Mitte der sechsziger Jahre zunehmend
252 die spezifischen Bedürfnisse der verschiedenen Comeconländer
253 beachten muß. Die internationale Arbeitsteilung im Comecon wird
254 sich künftig auch auf die Forschungsarbeit und
255 Entwicklungsarbeit erstrecken, wodurch die kostenlose Weitergabe
256 technischen know hows, die in der Vergangenheit für das Comecon
257 charakteristisch war, durch Lizenzverträge und Gebührenzahlungen
258 abgelöst werden dürfte. Mit der 1970 gegründeten
259 " Internationalen Investitionsbank " des Rates für gegenseitige
260 Wirtschaftshilfe wurde zudem eine Institution geschaffen, die
261 nicht nur zur konzentrationsfördernden Investitionslenkung im
262 Comecon prädestiniert ist, sondern gegebenenfalls auch den
263 Anschluß der Zentralverwaltungswirtschaften an den internationalen
264 Kapitalmarkt möglich macht. Mit der Umstellung auf intensive
265 Wachstumspolitik ergibt sich eine Komplizierung in der optimalen
266 Kombination der Wachstumsfaktoren, eine raschere Veränderung der
267 Zweigstuktur und Erzeugnisstruktur und eine stärkere
268 Beachtung des " moralischen " Verschleißes. Der zuletzt
269 genannte Punkt erfordert einen steigenden Investitionsanteil für
270 Erhaltung, Erneuerung und Ersatz veralteter Grundfonds
271 (inkorporierter technischer Fortschritt bei Ersatzinvestitionen),
272 so daß die Nettoinvestition im Verhältnis zur Bruttoinvestition
273 abnimmt. Hierdurch wird ein Hauptmangel der bisherigen
274 Investitionspolitik der sozialistischen Planwirtschaften beseitigt
275 (Überalterung des Maschinenparks, Disproportionalität zwischen
276 Produktionsmittelbestand uns Arbeitskräftevolumen). Die
277 Analyse der verschiedenen Wachstumskomponenten und
278 Wachstumsfaktoren hat den Charakter einer anschaulichen Theorie.
279 Es stellt sich die Frage, wie eine solche Konzeption im
280 Verhältnis zu der modelltheoretischen Tradition der
281 sozialistischen Wachstumstheorie - zu denken ist an Marx und
282 Feldman - zu verstehen ist. In einer Auseinandersetzung mit
283 diesem Problem verweist Maier auf die spezielle Bedeutung von
284 Wachstumsmodellen als Erkenntnishilfsmittel und
285 Entscheidungshilfsmittel im Sinne von Bedingungssystemen. Diese
286 Sicht trifft sich mit der Beurteilung von Wachstumsmodellen durch
287 wesentliche Autoren. Die wichtigsten Beiträge für eine
288 erfolgreiche Wachstumspolitik werden jedoch nicht von der
289 Modelltheorie erwartet, sondern der empirisch orientierten Analyse
290 der einzelnen Wachstumsfaktoren und ihrer Interdependenz. Aus
291 dieser Analyse ergaben sich auch die Ansätze für eine
292 systemimmanente Kritik an den Organisationsstrukturen und
293 Koordinationsstrukturen administrativer Planung und Leitung und
294 der traditionellen (expansiven) Wachstumspolitik, Wachstums
295 modelle und Planungsmodelle sind keine Abbildungen, d.h.
296 beschreiben nicht die Realität, sondern sollen erwünschte
297 Prozesse logisch und mathematisch formulierbar darlegen. Als
298 Optemierungskriterien solcher Modelle fungieren einmal entsprechend
299 dem System der wirtschaftlichen Rechnungsführung Gewinn-
300 Kennziffern, zum anderen die maximale Einsparung an
301 gesellschaftlicher Arbeit. Hierbei ergeben sich jedoch nur dann
302 brauchbare Lösungen, wenn die Preise bekannt sind und mit den
303 Arbeitswertrelationen übereinstimmen.
Zum Anfang dieser Seite