Quelle Nummer 208
Rubrik 03 : PHILOSOPHIE Unterrubrik 03.00 : PHILOSOPHIE
KULTURPHILOSOPHIE
HANS ALBRECHT
PLAEDOYER FUER KRITISCHEN RATIONALISMUS
ISBN 3-492-00310-9
R.PIPER UND CO, MUENCHEN 1971, S. 24-32
001 Konsequenzen des Kritizismus: Zum Problem der
002 Aufklärung. Während sich im philosophischen Denken heute die
003 Idee der kritischen Prüfung unter Lösung vom
004 Rechtfertigungsdenken durchzusetzen scheint, ist gleichzeitig eine
005 starke Tendenz zu beobachten, die Anwendung dieser Idee nach
006 Möglichkeit auf gewisse Bereiche einzuschränken und für andere
007 Bereiche andere Möglichkeiten zu postulieren, vor allem: hier
008 ältere Denkformen und traditionelle Methoden aufrechtzuerhalten.
009 Man versucht gewisse Bereiche gegen das Eindringen kritischer
010 Gesichtspunkte zu immunisieren, während man andere dafür freigibt,
011 so, als ob die Annäherung an die Wahrheit bzw. die
012 Eliminierung von Irrtümern, Fehlern und Mißverständnissen im
013 einen Falle durch Kritik gefördert werden könne, während im
014 anderen Falle kritisches Denken eher schädlich sein müsse.
015 Solche an sich nicht sehr überzeugenden Einteilungsversuche sind
016 wohl in allen Gesellschaften an der Tagesordnung, da es stets
017 Überzeugungen zu geben scheint, die so wichtig sind, daß ihre
018 kritische Untersuchung Unbehagen erzeugen muß. Man ist daher
019 gerne bereit, aus dem " Wesen " eines Problembereiches, aus der
020 " Natur der Sache " der behandelten Gegenstände oder Probleme,
021 ganz verschiedenartige Verfahrensweisen für diese Bereiche zu
022 rechtfertigen. In diesem Zusammenhang wird oft ein fundamentaler
023 Unterschied zwischen Glauben und Wissen behauptet, von dem her
024 solche methodischen Unterschiede legitimiert werden können. Im
025 Bereich des Wissens, vor allem in dem der Wissenschaft, scheint
026 die Vernunft, das rationale Denken, eine ganz andere Funktion zu
027 haben als im Bereich des sogenannten Glaubens. Während im ersten
028 Bereich eine kritische Vernunft am Platze ist, neigt man im
029 zweiten eher dazu, sich für eine deutende, verstehende,
030 hermeneutische Vernunft auszusprechen oder gar die hier adäquate
031 Verfahrensweise von der Vernunft überhaupt abzusetzen. Man
032 entwickelt eine Zwei-Sphären-Theorie, die gewisse
033 tradierte Anschauungen gegen bestimmte Arten der Kritik abschirmen
034 und einen inselhaften Bereich unantastbarer Wahrheiten schaffen
035 soll. In diesem Bereich ist man unter Umständen sogar bereit,
036 die Logik außer Gefecht zu setzen, damit echte Widersprüche
037 akzeptabel werden, allerdings meist ohne die Tragweite eines
038 solchen Unternehmens und seine Absurdität voll zu erkennen. Man
039 ist zwar im sicheren Besitz der Wahrheit, hat aber dennoch eine
040 gewisse Angst vor kritischer Prüfung und opfert daher oft lieber
041 die elementare Moral des Denkens als diesen angeblich sicheren
042 Besitz. Auf diese Weise kann man dogmatischen Verfahrensweisen
043 mitunter eine gewisse Anerkennung verschaffen, nicht ohne daß die
044 Isolierung verschiedener Bereiche des Denkens und Handelns
045 voneinander jene milde intellektuelle Schizophrenie fördert, die
046 die konsequente Anwendung kritischer Verfahrensweisen als
047 Naivität zu belächeln. Im Zusammenhang mit solchen
048 Immunisierungsversuchen findet man sehr oft eine moralische
049 Prämiierung des schlichten und naiven Glaubens, der keine
050 Zweifel kennt und daher unerschütterlich ist, als einer Tugend
051 und dem entsprechend eine Diffamierung kritischen Denkens für den
052 betreffenden Bereich als unsittlich und zersetzend. Die seltsame
053 Idee, man sei einem speziellen Glaubensbestand verpflichtet und
054 nicht der unvoreingenommenen Wahrheitsfingung, die Unterdrückung
055 von Zweifeln sei unter Umständen hier von positiver moralischer
056 Bedeutung, ein Glaube, der sich möglicherweise unter kritischen
057 Gesichtspunkten als fragwürdig herausstellen mag, sei auf jeden
058 Fall vor derartigen Argumenten zu schützen, diese Idee mag einem
059 Parteiliniendenker und Parteigänger einleuchten. Tatsächlich
060 können wir immer wieder den Kampf der institutionell verankerten
061 Glaubenssysteme, der Ideologien, gegen kritische Methoden und
062 wissenschaftliche Resultate, gegen die Betrachtung sanktionierter
063 Anschauungen im Lichte unserer übrigen Informationen,
064 alternativer Möglichkeiten und kritischer Untersuchungen
065 konstatieren. Immer wieder scheint dieser Kampf aber auch mit
066 einem Zurückweichen unter gleichzeitiger Etablierung einer neuen
067 Grenze zu enden, eines engeren Bereiches der Immunität und der
068 absoluten Gewißheit, in dem angeblich nur ein dogmatisches
069 Begründungsverfahren Geltung beanspruchen kann. Dieser Bereich
070 unterliegt im Laufe der historischen Entwicklung offenbar dauernder
071 Neuinterpretation, ohne daß man so etwas jeweils gerne zugeben
072 möchte, weil das einen berechtigten Zweifel an der Konstanz des
073 Geglaubten erwecken könnte. De facto kann man sich nämlich gegen
074 den Einfluß neuer Erkenntnisse, Erfahrungen und Erlebnisse
075 niemals effektiv absichern. Aber man kann wenigstens versuchen,
076 die Illusion unveränderlicher Stetigkeit von Glaubensbeständen
077 zu erwecken bei denjenigen, die man unter geistiger Kontrolle hat.
078 In Wirklichkeit ist die Methode der kritischen Prüfung an keinen
079 intellektuellen oder sozialen Bereich gebunden. Es gibt keine
080 sinnvolle Einschränkung ihrer Anwendung im Interesse der
081 Erkenntnis, nur eine solche im Interesse der Aufrechterhaltung
082 bestimmter Bestände, bestimmter geistiger und sozialer
083 Gegebenheiten, die man dem historischen Wandel gerne entziehen
084 möchte. Auch die Beschränkung der kritischen Vernunft auf die
085 Wissenschaften, die Technik und die Wirtschaft ist nicht
086 besonders sinnvoll. Es gibt keine a priori feststehende saubere
087 Trennung der Bereiche, keine Abschottung und Isolierung von
088 Beständen, die sich auf jeden Fall durchhalten ließe. Auch
089 innerhalb der Wissenschaften haben sich derartige Grenzziehungen
090 nie bewährt. Und wer die Wertfreiheit der Wissenschaft etwa so
091 deuten wollte, daß sich der Bereich des Moralischen, der Werte
092 und der Normen grundsätzlich kritisch-rationaler Analyse
093 entziehe, der hätte aus der Fragwürdigkeit normativer
094 Wissenschaften dogmatischen Charakters eine falsche Konsequenz
095 gezogen. Als Instrument der positiven Begründung, der
096 dogmatischen Rechtfertigung, mag die Logik in diesem
097 Bereiche ebensowenig brauchbar sein wie in dem der Wissenschaft.
098 Als Instrument kritischer Analyse und Prüfung, als Organon
099 der Kritik, läßt sie sich nirgends ausschalten. Nicht
100 selten findet man in Untersuchungen über das Verhältnis von
101 Wissenschaft und Praxis eine scharfe Trennung zwischen dem Reich
102 der Mittel umd dem Reich der Zwecke oder Werte, die dazu führen
103 kann, Fragen der Zielsetzung einer dogmatischen Sozialphilosophie
104 auszuliefern, während der positiven Wissenschaft nur die Fragen
105 der Mittelverwendung zugewiesen werden. Ihre Erkenntnisse sollen
106 in praktischer Hinsicht zwar instrumentale Bedeutung haben, aber
107 im Zusammenhang mit fundamentalen Fragen der Wertung und der
108 Zielsetzung glaubt man auf sie verzichten zu können. Dieses
109 Zweck-Mittel-Denken, nach dem die Zwecke des praktischen
110 Handelns und damit auch der Politik als für die Wissenschaft
111 " gegeben " angesehen werden, so daß sie nur über die zu
112 verwendenden Mittel zu diskutieren habe, ist vor allem auch in den
113 Sozialwissenschaften zu finden, wo es dazu führt, daß man hier
114 das Zusammenspiel einer dogmatischen Sozialphilosophie mit
115 einer technologisch orientierten positiven Sozialwissenschaft
116 mitunter als Idealzustand deklariert findet, dem sich die in
117 manchen Bereichen praktizierte Methode zu nähern scheint. Eine
118 in dieser Weise orientierte Sozialwissenschaft darf sich natürlich
119 bei den jeweiligen herrschenden Mächten einer Gesellschaft und den
120 ihre Herrschaft legitimierenden Ideologen einer gewissen
121 Beliebtheit erfreuen, da sie relative Ungefährlichkeit mit einer
122 gewissen Nützlichkeit zu verbinden scheint. Auf dieser Grundlage
123 kann es dann zum Beispiel " zu einer verhältnismäßig friedlichen
124 Koexistenz zwischen einer emsigen Kleinsoziologie und einer recht
125 massiven Ideologie kommen " und darüber hinaus zu einer
126 Zusammenarbeit, bei der das methodische Prinzip der Wertfreiheit
127 der positiven Sozialwissenschaft in ganz eigenartiger Weise zum
128 Schutzschild für ideologische Konstruktionen wird. Wer die
129 moderne Diskussion um die Wertfreiheitsproblematik kennt, wird ein
130 solches Mißverständnis dieses methodischen Prinzips leicht
131 verstehen und durchschauen können. Man wird dazu feststellen
132 können, daß eine solche Einengung der praktischen Relevanz
133 sozialwissenschaftlicher Erkenntnis auf instrumentale Probleme
134 keineswegs in der Konsequenz des Wertfreiheitsprinzips liegt.
135 Wenn die Sozialwissenschaft sich nicht für ideologische
136 Konstruktionen hergibt, so heißt das noch lange nicht, daß sie
137 deshalb diesen Bereich vollkommen unberührt lassen müßte. Ihre
138 praktische Bedeutung kann vor allem auch darin bestehen, daß sie
139 derartige Konstruktionen und ihren sozialen Wirkungszusammenhang
140 kritisch durchleuchtet und auf diese Weise in Verbindung mit einer
141 kritischen Sozialphilosophie einen Beitrag zur Aufklärung leistet.
142 Schon durch die Wahl ihrer Probleme kann auch eine
143 werturteilsfreie Sozialwissenschaft für dogmatisierte
144 sozialphilosophische Positionen aller Art gefährlich sein. Man
145 kann von ihr allerdings nicht erwarten, daß sie jeweils die Dogmen
146 fremder Gruppen durchleuchtet und die eigenen ungeschoren läßt.
147 Die oben berührte allgemeine Problematik des Dogmatismus und der
148 Dogmatisierung ist selbst schon ein Fragenkreis, der in dieser
149 Beziehung außerordentlich relevant sein dürfte. Der natürliche
150 Zug zum Dogmatismus im sozialen Leben, zur Verfestigung und
151 Erstarrung von Anschauungen und, damit verbunden, zur sozialen
152 Abschließung, zur Abschirmung gegen Argumente, Tatsachen und
153 Informationen, die mit den bisher akzeptierten Auffassungen nicht
154 harmonieren, die Immunisierung gegen jede kritische Prüfung, die
155 unter bestimmten sozialen Bedingungen auftritt, ist selbst ein
156 sozialer Tatbestand, der die Neugier des Sozialwissenschaftlers
157 ebenso herausfordern muß wie die des kritischen Sozialphilosophen.
158 Wenn wir nicht im Namen eines sozialwissenschaftlichen
159 Instrumentalismus rationales Denken auf technologisch relevante
160 Bereiche und Probleme beschränken und die in unserer Gesellschaft
161 herrschenden Irrationalismen für unverletzbar erklären wollen,
162 dann kann auch die positive Sozialwissenschaft eine durchaus
163 kritische Funktion für die sozialen Zustände und die
164 soziale Entwicklung haben. Sie mag dann mit Ideoligien aller Art
165 in Konflikt geraten, für eine kritische Sozialphilosophie bleibt
166 sie immer akzeptabel. Möglicherweise ist der Beitrag, den eine
167 solche Sozialwissenschaft zur Aufklärung leisten kann, ebenso
168 groß wie ihr Beitrag zur Lösung sozialtechnologischer Probleme
169 in einem engeren Sinne. Die Methode der kritischen Prüfung,
170 für deren Anwendung sie keine Grenzen anerkennen muß, gehört zu
171 einer Moral des Denkens, von der Verfechter moralischer Dogmen
172 vielfach keine allzu hohe Meinung zu haben pflegen, auch wenn sie
173 im Interesse der Wahrheit zu argumentieren scheinen. Dabei
174 scheint die Achtung vor der Wahrheit doch dem Unbefangenen sicher
175 eine positive Beziehung zum Interesse an kritischer Prüfung haben
176 zu müssen. Wer irgendwelche Probleme ernst nimmt, wird einer
177 kritischen Untersuchung möglicher Problemlösungen im allgemeinen
178 freundlich gegenüberstehen. Wenn man die praktischen Früchte
179 dogmatischen Denkens zur Kenntnis nimmt, dann muß man starke
180 Zweifel daran bekommen, ob es sich lihnt, dogmatischen Glauben zu
181 prämiieren und kritisches Denken zu diffamieren und einzuschränken.
182 In einer Zeit, in der das Engagement so große Wertschätzung
183 genießt, wird ein Engagement für die kritische Vernunft nicht
184 zurückgewiesen werden dürfen. Die Tradition der Aufklärung,
185 für die man im deutschen Sprachbereich so selten einen
186 Fürsprecher findet, wird von einem neu durchdachten konsequenten
187 Kritizismus her erneuert werden müssen. Tradition und Kritik
188 Zur Problematik der sozialen Verankerung von
189 Überzeugungen. Es gehört zu den fragwürdigen Gewohnheiten
190 des heutigen Denkens, daß man dazu neigt, Tradition und
191 Traditionalismus weitgehend zu identifizieren, das heißt also:
192 den Unterschied zu übersehen, der zwischen der für alle Bereiche
193 des sozialen Lebens bedeutsamen Überlieferung von Wissens
194 beständen und Glaubensbeständen, Normen und
195 Wertorientierungen einerseits und andererseits jener sehr speziellen
196 Einstellung besteht, die darauf hinausläuft, das Überlieferte
197 an sich heiligzusprechen, die Tradition mit einer höheren Weihe
198 zu versehen und sie dadurch der kritischen Analyse zu entziehen.
199 Wer sich einer Tradition verpflichtet fühlt, glaubt daher oft der
200 Verpflichtung enthoben zu sein, seine Vernunft anzuwenden, um
201 diese Tradition zu analysieren, zu durchleuchten und sie unter
202 Umständen zu refidieren. Den Kritikern des Traditionalismus
203 erscheinen dagegen Traditionen oft nur als Konsequenz eines
204 Tatbestandes der sozialen Trägheit, der überwunden werden muß,
205 damit der Fortschritt zu seinem Recht kommt. Die
206 Sozialwissenschaften haben solche Erscheinungen unvoreingenommen zu
207 untersuchen, die Mechanismen, die bei ihnen eine Rolle spielen,
208 aufzuhellen und ihre Wirkungszusammenhänge bloßzulegen, ganz
209 unabhängig davon, ob dabei gewisse Tabus der eigenen Gesellschaft
210 berührt werden. Tradition als sozialer Tatbestand.
211 Ausgangspunkt einer Analyse der Tradition können die von modernen
212 Sozialpsychologen untersuchten Phänomene sein, die beim
213 menschlichen Verhalten in relativ unstrukturierten Situationen
214 auftauchen. Menschliche Verhaltensweisen pflegen bekanntlich
215 hochgradig selektiv zu sein, ebenso wie die Situationswahrnehmung,
216 die ihnen vorausgeht. Diese ist jeweils abhängig von bestimmten
217 Bezugsrahmen, die in inneren und äußeren Faktoren verschiedener
218 Art verankert sind, wobei motivationale und soziale Tatbestände
219 eine mehr oder weniger große Rolle spielen. Die sozialen Gebilde,
220 die für die Verankerung der Bezugsskalen einer Person und damit
221 ihrer kognitiven und normativen Weltorientierung relevant sind,
222 pflegt man ihre Bezugs-Gruppen zu nennen. Ein Wechsel des
223 sozialen Milieus und damit der Bezugsgruppen hat im allgemeinen
224 entsprechende Auswirkungen auf die Einstellungen und
225 Überzeugungen der betreffenden Person. Es gibt nun Situationen,
226 die in objektiver Hinsicht relativ unstrukturiert sind, so daß
227 die äußeren Reize einen erheblichen Spielraum für ihre Deutung
228 offenlassen. In ihnen zeigt sich die große Bedeutung innerer und
229 sozialer Verankerung besonders deutlich. Je unstrukturierter eine
230 Situation nämlich ist, desto stärker ist die Tendenz, sie auf
231 Grund motivationaler und sozialer Faktoren zu strukturieren, desto
232 stärker treten Motive, Einstellungen und Emotionen sowie die
233 Bezugs-Gruppen der betreffenden Personen als
234 Verankerungspunkte für den sich herausbildenden Bezugsrahmen der
235 Orientierung in den Vordergrund. Bei starker sozialer
236 Verankerung ist es durchaus möglich, daß Überzeugungen, die in
237 keiner Weise der Realität entsprechen, sich dennoch als
238 außerordentlich stabil erweisen. Realitätsentsprechung kann
239 weitgehend durch soziale Verankerung ersetzt werden, wie zum
240 Beispiel das Studium bestimmter Sekten zeigt, die den Fehlschlag
241 ihrer Prophetie durch eifrige Missionstätigkeit erfolgreich
242 kompensieren konnten. Der Verlust stabiler Verankerungen für die
243 Orientierung im natürlichen und sozialen Milieu und der daraus
244 resultierende Zustand der Ungewißheit, Normenlosigkeit und
245 Desorientierung scheint dagegen außerordentlich schwer ertragbar zu
246 sein. Für unser Thema ist nun der Tatbestand wichtig, daß
247 soziale Verankerung jene Konvergenz der Erwartungen herbeiführen
248 kann, die für die Koordination menschlicher Handlungen notwendig
249 ist. Sie kann die gemeinsamen Orientierungspunkte liefern, auf
250 deren Existenz das soziale Leben beruht. Die Bedeutung dieser
251 Konvergenz zeigt sich vielleicht am besten in Situationen, in
252 denen zwar ein gemeinsames Interesse zweier Partner vorliegt, aber
253 keine Verständigung über das einzuschlagende Verhalten erfolgen
254 kann. Ein einfaches Beispiel dafür ist eine Situation, in der
255 zwei Personen darauf angewiesen sind, sich ohne die Möglichkeit
256 einer Verabredung in einer Stadt oder in einem Warenhaus zu
257 treffen. Das Roblem der Koordination ihrer Erwartungen und
258 Verhaltensweisen findet hier sehr oft eine einfache Lösung, bei
259 der zum Beispiel gewisse auffallende Stellen der betreffenden
260 Umgebung eine Rolle spielen. Man trifft sich etwa um 12 Uhr
261 mittags am Portal des Hauptbahnhofs und einigt sich damit ohne jede
262 Kommunikation auf eine Raum-Zeit-Stelle, die beiden
263 Partnern plausibel erscheint.
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