Quelle Nummer 197

Rubrik 26 : MEDIZIN   Unterrubrik 26.02 : FACHWISSENSCHAFTLICH

SOZIALMEDIZIN
EWALD GERFELDT
SOZIALHYGIENE, SOZIALMEDIZIN UND PROPHYLAKTISCHE
MEDIZIN
FUER STUDIERENDE UND AERZTE SOWIE ZUM GEBRAUCH IN
DER GESUNDHEITSFUERSORGE UND SOZIALPOLITIK
WALTER DE GRUYTER UND CO., BERLIN 1970, S. 1-6


001  Die Bedeutung der Sozialhygiene und prphylaktischen
002  Medizin, ihre Stellung in der medizinischen Wissenschaft.
003  Von der Individualhygiene zur Gesellschaftshygiene
004  und Sozialhygiene. Wir sind heute nur allzuleicht geneigt,
005  anzunehmen, die Sozialhygiene sei erst in der jüngsten Neuzeit
006  entstanden. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß ihre
007  Grundgedanken als regula regni bei großer Siedlungsdichte bereits
008  im Altertum üblich waren und als Rembours einer Kulturöhe galten.
009  Insbesondere waren die Kulturvölker in den fruchtbaren, eng
010  bewohnten Flußtälern und Niederungen des fernen und nahen Ostens,
011  Ägyptens, Palästinas und der Mittelmeerländer führend
012  vorausgegangen. Infolge der vielseitigen Wechselbeziehungen
013  stimmen ihre Einrichtungen in den auf der Erfahrung beruhenden
014  Grundzügen überein. Aus dieser Entwicklung der Sozialhygiene
015  können wir entnehmen, daß sie dort unentbehrlich ist, wo sich
016  viele denkende und Anspruch erhebende Menschen auf engem Raume
017  zusammendrängen müssen. Damit wird die " natürliche Umwelt "
018  der unveränderten Natur zur " sozialen Umwelt " gestaltet, die
019  nicht nur die Landschaft mit ihren Pflanzen und Tieren, sondern
020  auch und in besonders hohem Maße die Menschen mit allen von ihnen
021  geschaffenen Einrichtungen umschließt. Daraus folgt, daß die
022  Sozialhygiene und ihre praktische Anwendung verschieden sein muß
023  nach Wohngebiet, Klima und Bevölkerungsstruktur, daß sie einem
024  regionären und zeitlichen Wandel unterworfen ist. Diese
025  Beobachtungen führen uns unmittelbar zum Begriff der
026  Sozialhygiene. Sie ist eine Erweiterung, ein Ausgriff der
027  Individualhygiene auf Gruppen oder Gemeinschaften von Menschen,
028  die nicht nur vorübergehend, sondern dauernd miteinander leben
029  müssen und aufeinander angewiesen sind. Die so entstehenden
030  Wechselbeziehungen lassen ein charakteristisches, der jeweiligen
031  Situation angepaßtes Verhalten aufkommen. Die exakte Methodik
032  der Sozialhygiene ist nicht leicht zu handhaben. Sie stützt sich
033  vor allem auf das natürliche " große Experiment des Lebens ",
034  indem sie die Beobachtungen zu verschiedenen Zeiten, in
035  verschiedenen Gebieten, in verschiedenen Völkern und in
036  verschiedenen Bevölkerungsgruppen, d. h. unter wechselnden
037  Bedingungen entnimmt und vergleicht. In aller Erinnerung sind aus
038  der neuesten Zeit das Massenexperiment der Mangelernährung in
039  Deutschland sowie die Notlagen in Indien und China. Der
040  internationale Erfahrungsaustausch ist dabei besonders förderlich.
041  Aber auch das Gruppenexperiment und Einzelexperiment ist
042  nicht zu entbehren; es liefert bei sorgfältiger, dem Zustande
043  der Wirklichkeit angepaßter Anordnung wertvollste Resultate. Es
044  seien dafür erwähnt: die Berufsberatung und die nach
045  angelsächsischem Vorbild durchgeführte Auswahl von Managern und
046  Wirtschaftsberatern, die Eheberatung nach psychosomatischen
047  Grundsätzen unter Verwendung von Erfahrungstests, die
048  Arbeitsversuche und Analysen von Arbeitsprozessen in
049  bispersoneller und multipersoneller Anordnung, die
050  Verkehrsregelung und Verkehrserziehung sowie die Psychologie von
051  Reklame und Belehrung, von Film und Rundfunk. Daraus erhellt,
052  daß die Sozialhygiene keine Luxushygiene oder
053  Komforthygiene sein will, sondern sich bestrebt, eine Hygiene der
054  Leistungsfähigkeit, der Leistung und des Wohlbefindens zu sein.
055  Andererseits ist ihr Ziel auch nicht die Maximalleistung, sondern
056  die Optimalleistung. Dazu braucht sie eine analytische Bewertung
057  der Konstitution in anthropologischer, klinischer, biologischer
058  und soziologischer Sicht, um das Maß des adäquaten Reizes und
059  der wirksamen, aber zuträglichen Reaktionsform bestimmen zu
060  können. Die neuesten Erfahrungen sind um so beachtlicher, als
061  die Sozialhygiene alle Lebensalter von der Empfängnis bis zum
062  Tode umfaßt, mit der Schwangerenberatung beginnt und bis zur
063  Altersfürsorge und Geriatrie reicht. Die soziale Frage und das
064  Mitbestimmungsrecht werden als wichtigstes Kriterium der Gegenwart
065  angesehen. Der Schwerpunkt einer Beteiligung liegt aber nicht
066  beim Wunsche, im Betriebe " ein Wort mitreden " zu können,
067  als vielmehr in der Hoffnung auf soziale Sicherheit, höhere, dem
068  Preisniveau angepaßte Löhne und verbesserte Arbeitsbedingungen.
069  Der Arbeiter und Angestellte weiß bei uns wie anderwärts, daß
070  nur dann etwas verteilt werden kann, wenn etwas geschaffen wird,
071  und daß sein Anteil nur mit der Produktionsquote steigen kann.
072  In diesem Rahmen kann sich jeder Schaffensfrohe je nach seiner
073  individuellen Veranlagung homonom, hypernom oder hyponom
074  eingliedern, sofern er nicht die entwickelte Ordnung paranom
075  ablehnt, um etwas Besseres zu schaffen. Eine Anpassung von
076  Individuen, Gruppen und Gesellschaftskreisen hat dabei den Sinn,
077  eine " Gemeinschaft " zu bilden, und zwar vom Standpunkt des
078  Sozialhygienikers aus gesehen durch Verhütung und Paralysierung
079  aller vermeidbaren exogenen und endogenen Schäden. In ihrer
080  wissenschaftlichen Forschung und praktischen Umsetzung stützt sich
081  die Sozialhygiene auf die Erkenntnisse der anderen
082  Sozialwissenschaften, um die ätiologischen Anlässe zu ergründen
083  und ihr Urteil zu festigen. Bei der vorausschauenden Planung kann
084  sie auch nicht der Sozialpolitik entraten, unter der sie aber nicht
085  eine Parteipolitik oder Kompromißbereitschaft versteht, sondern
086  eine kausalbedingte Lenkung. Für deren Wertung gelten: die
087  Erhaltung der allgemeinen Gesundheit, Leistungsfähigkeit und
088  Lebensfreude sowie die Verhütung von Krankheiten aus exogener und
089  endogener Ursache. Dabei dürfen aber auch nicht die aus der
090  Struktur und Funktion der Gesellschaft entspringenden Gefahren
091  übersehen oder vernachlässigt werden. Die Wechselwirkungen
092  zwischen Fürsorge, Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik
093  gründeten sich in der alten Zielsetzung auf die Erfordernisse von
094  Nahrung, Arbeit und Wohnung. Die neuen Forschungen und
095  Anforderungen haben sie erweitert zu den Wertbegriffen von Anteil,
096  Leistung und Gemeinschaft. Die Sicherung des Anteils
097  beschränkt sich nicht auf eine quantitativ, qualitativ und
098  klimatisch-adäquate Ernährung, sondern geht weiter zurück
099  auf einen lohnenden Bodenertrag und eine heimständige und
100  heimatständige Bindung an die Scholle. Wie grundlegend diese
101  Beobachtung und Forderung ist, geht allein daraus hervor, daß
102  alle Sozialreformen in allen Zonen und bei allen Völkern mit
103  einer Lösung der Agrarrechte begannen. Dies hat sich auch heute
104  nicht geändert. Die Entwurzelung von Millionen Menschen auf der
105  Erde hat in der Gegenwart ernste und weltweite Probleme geschaffen,
106  deren Tragweite nicht hoch genug veranschlagt werden kann. Das
107  nächste Ziel der Sozialhygiene ist die Sicherung der Leistung
108  und Zufriedenheit. Es gehört zum Aufgabenbereich der heilenden,
109  nachgehenden und vorbeugenden Fürsorgetätigkeit. Während die
110  Heilfürsorge sich allgemein durchgesetzt hat, bereitet die
111  nachgehende Fürsorge vielfach erhebliche Schwierigkeiten und wird
112  daher leicht vernachlässigt, aber sehr zu Unrecht, denn sie ist
113  die Gewissenserforschung für alle getroffenen Maßnahmen und für
114  einen Dauererfolg unentbehrlich. Eine weit stärkere Förderung
115  braucht in der Gegenwart die vorbeugende Gesundheitspflege oder
116  präventive Medizin. Sie verlangt vom Arzt ein hohes Maß von
117  Kenntnissen, Erfahrung und Umsicht, setzt aber auch voraus,
118  daß die neuzeitlichen klinischen Untersuchungsmethoden angewandt
119  werden können. Die Untersuchung und Beratung eines objektiv oder
120  subjektiv " Gesunden " ist schwieriger und zeitraubender als die
121  eines Kranken, bei dem doch vielfach seine Beschwerden
122  richtungweisend verwendet werden können. Vor allem aber muß der
123  präventiv wirkende Arzt die Konstitutionsdiagnose, die Deutung
124  von Früsymptomen und die prognostische Beurteilung beherrschen.
125  Es war schon von jeher ein nobile officium des Hausarztes im
126  klassischen Sinne der Wortbedeutung, die Familien, die sich
127  seiner Obhut anvertrauten, nicht allein in Tagen der Krankheit zu
128  betreuen und zu heilen, sondern auch in Zeiten des Wohlbefindens
129  bei allen wichtigen Ereignissen zu beraten und im Bestreben um eine
130  Gesunderhaltung zu unterstützen. In der Gegenwart haben sich
131  jedoch Art, Umfang und Methodik unserer Vorsorge erweitert.
132  Der Ausgleich in der Sexualproportion und die Verringerung des
133  Frauenüberschusses tragen wiederum zur größeren Krisenfestigkeit
134  der Familie bei. Sie ist die Voraussetzung für die Sicherung
135  der Gemeinschaft durch Stabilität der Familie. Ein Heim mit
136  neuzeitlichen Bequemlichkeiten und den Erleichterungen technischer
137  Vollkommenheit, möglichst auch ein Landhaus und gesunde Kinder
138  werden hoch geschätzt als zuversichtliches Unterpfand für den
139  Aufbau in der Zukunft. Die Erfolge der Hygiene im allgemeinen
140  und der Sozialhygiene im besonderen beruhen vor allem auf zwei
141  Veränderungen, die für die heutigen Planungen eine völlig
142  veränderte Ausgangsbasis geschaffen haben: auf einer
143  Eindämmung und Zurückdrängung der Infektionskrankheiten mit
144  Einschluß der Tuberkulose und der Geschlechtskrankheiten;
145  auf einer Verlängerung der Lebenserwartung, die sich in den
146  letzten 100 Jahren ungefähr verdoppelte. Die
147  wissenschaftliche Position der Sozialhygiene. Als Sonderfach
148  der Hygiene mit ihren Arbeitsbereichen von Umwelthygiene,
149  Sozialhygiene und Psychohygiene hat die Sozialhygiene enge
150  Beziehungen zu den sozialwissenschaftlichen Fachgebieten in der
151  Arbeitsmedizin, berührt oder überschneidet sich auch mit allen
152  anderen Fachgebieten der Medizin, ohne jedoch in deren Aufgaben
153  einzubrechen. Vielmehr entsteht dabei eine
154  Arbeitsgruppengemeinschaft (teamwork) zur gegenseitigen
155  Ergänzung und Förderung, die sich seit Jahren vorteilhaft
156  auswirkt. Dies gilt für die kollektiven Verknüpfungen mit
157  Gruppen und Bevölkerungskreisen ebenso wie für die spezifisch
158  individuellen Belange. Von diesen sind für die Gegenwart und die
159  nächste Zukunft zu nennen: Tumoren, insbesondere
160  Krebskrankheiten, Kreislaufstörungen, vor allem
161  Herzkrankheiten, rheumatische Leiden, Neurosen,
162  Psychopathien und geistige Abwegigkeiten bis zu den ausgesprochenen
163  Psychosen einschließlich der Suchtkrankheiten, die Folgen
164  von Ernährungsstörungen und die Wachstumsakzeleration der Kinder
165  und Jugendlichen, die Berufskrankheiten aller Art, nicht nur
166  die in gewerblichen Betrieben vorkommenden, die Unfälle im
167  Heim, auf der Strasse und im Betrieb, die allergischen
168  Krankheiten, die endokrinen Störungen, die
169  Stoffwechselkrankheiten, die Geschlechtskrankheiten und
170  die Zahnkaries. Eine auf so breiter Grundlage wirkende Sozial
171  hygiene und Kulturhygiene wird befähigt, die
172  wissenschaftlichen Erkenntnisse sachgemäß zu fördern und dafür
173  zu sorgen, daß die Gesundheit und Leistungsfähigkeit jedes
174  einzelnen und von Bevölkerungsgruppen gegen vermeidbare
175  Schädigungen aus der Umgebung und Umwelt abgesichert werden kann,
176  damit jedes Individuum in der sozialen Gemeinschaft einen
177  angemessenen Lebensstandard findet, seine Gesundheit bewahrt und
178  seine Leistungsfähigkeit wirksam erprobt. Aufgaben.
179  Unsere Zeit hat im Übergang von der Industrialisierung zur
180  Automation der Wirtschaftslage die Struktur der Gesellschaft,
181  die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und die sozialen
182  Bedürfnisse grundlegend verändert. Sie bestätigt von neuem die
183  alte Formel von der Gesundheit als einer Harmonie von Umwelt und
184  Persönlichkeit. Früher war jedoch der wandelbare Faktor allein
185  die Persönlichkeit, während die Umwelt stabil blieb, eine
186  Konstante, die sich nicht oder nicht meßbar veränderte und auf
187  weite Sicht, auf ein Menschenalter oder sogar bis auf drei
188  Generationen überblickt werden konnte. Heute besteht diese
189  Formel aus zwei und sogar aus drei Unbekannten: der unbelebten
190  Umgebung, der belebten Umwelt und der wandelbar gebliebenen
191  Persönlichkeit, und zwar als Individuum wie auch als Teil einer
192  sozialen Gruppe. Diese Veränderung ist eine internationale
193  Erscheinung und beschäftigt in gleichem Maße die WHO. Aus
194  unserer " natürlichen " Gesundheit ist eine " künstliche "
195  Gesundheit geworden, die sich auf ein Schonen, ein bloßes
196  Bewahren vor Schadensmöglichkeiten, ein Ausweichen und damit ein
197  passives Verhalten verläßt. Wir brauchen aber eine Umkehr zu
198  aktiver Übung der Schutzkräfte, ihrer Festigung und Stärkung.
199  Sie ist im eigentlichen Sinne die Rävention gegen Störungen
200  und Erkrankungen, das " Zuvorkommen ", die Prophylaxe oder
201  Vorsorge. Als Ursachen für die Wiedererweckung der alten
202  " prohibitiven Hygiene " in der neugewandelten Form einer
203  " präventiven Medizin " sind vor allem vier Faktoren zu nennen,
204  nämlich die größere Lebenserwartung, die Veränderung der
205  Bevölkerungsstruktur, der Wandel der sozialen Lage und die
206  Umstellung des allgemeinen Krankheitsbildes. Seit dem Beginn der
207  Industrialisierung und der in ihrem Gefolge aus der Not
208  geschaffenen Verbesserung der Hygiene hat sich die Lebenserwartung
209  nahezu verdoppelt und seit etwa 1900 um mehr als zwei Dezennien
210  verlängert. Das bedeutet aber nicht, daß wir nunmehr heute alle
211  wirklich älter werden, sondern stellt nur fest, daß jetzt eine
212  größere Zahl von Menschen ein höheres Lebensalter erreicht als
213  um 1870 oder um die Jahrhundertwende. Die statistische
214  Lebenserwartung braucht mit dem biologischen Alter ebensowenig
215  übereinzustimmen wie dieses mit dem Kalenderalter, wenn auch unter
216  normalen, gleichartigen Voraussetzungen die Variationsbreite nicht
217  groß zu sein pflegt. Gleichzeitig veränderte sich die Struktur
218  der Gesamtbevölkerung wie auch die der einzelnen Sozial
219  gruppen und Berufsgruppen. Der alte Mittelstand wurde
220  aufgerieben, und ein neuer beginnt sich zu formen, unbeschwert von
221  der Tradition und mit anderer Einstellung zur Lebensführung.
222  Die Anforderungen an die Gemeinschaft, die gegenseitige Hilfe
223  und die soziale Sicherheit haben andere Gestalt gewonnen; die
224  tätige Nachbarschaftsleistung wurde durch Versicherungen und
225  Renten abgelöst, die Ansprüche an das Sozialprodukt stiegen
226  trotz aller Abwehr von Eingriffen der Gesellschaft in das
227  persönliche Leben, und der menschliche Kontakt wurde kühler,
228  sachlicher, rationalistischer. Mit der vergrößerten
229  Lebenserwartung war die Leistungsfähigkeit nicht in gleichem maße
230  gestiegen. Es konnten wohl die akuten Gefahren abgeschirmt werden,
231  dafür aber entstanden andere, neue Bedrohungen, die vielfach
232  vom Menschen selbst heraufbeschworen oder doch begünstigt wurden,
233  wie die Straßenverkehrsunfälle, die Betriebsunfälle, die
234  Infektionen durch engen Kontakt infolge zunehmender
235  Siedlungsdichte, die Verschlechterung der Wasserversorgung, die
236  Verschmutzung der Gewässer und Flußläufe, die Veränderung
237  und Schönung der Lebensmittel u. ä. Die " Gefährdung "
238  des Menschen durch Umwelt und Umgebung wurde verändert.
239  Infolgedessen wandelte sich das Krankheitsbild in unserem Volke
240  von Grund aus. Die akuten und insbesondere die übertragbaren
241  Krankheiten nahmen ab, dafür aber vermehrten sich die chronischen
242  Leiden, die Aufbrauchsstörungen und
243  Domestikationsstörungen sowie die seelischen Schwierigkeiten
244  infolge der steigenden Belastungen. Die Schutzmaßnahmen müssen
245  darum früher einsetzen als bisher, als Abwehr wie auch als
246  Vorbeugung. Im Rahmen der generellen Grundtendenz sind Umfang,
247  Art und Weise des Vorgehens und des Verhaltens individuell
248  verschieden. Es wird zunächst bestimmt durch eine Labilität oder
249  Stabilität der Gesundheit. Im allgemeinen wird ein
250  Krankheitsgefühl stärker, eindrucksvoller wahrgenommen als das
251  Gesundheitsgefühl. Aber die Grenze zwischen beiden ist gleitend.
252  Der Labile und Anfällige ist ängstlich, beobachtet sich
253  aufmerksamer und spürt eine Veränderung früher, wenn auch nicht
254  stets zuverlässiger. Der Zuversichtliche vertraut auf die
255  Stabilität seiner Gesundheit und beachtet kleine Abweichungen
256  nicht oder erst spät. Das präventive Verhalten ist somit auch
257  weitgehend eine Temperamentssache. Für die Praxis heben sich
258  Fürsorge. Die Verhütung wendet sich an die Gesunden. Sie
259  bietet ihnen eine Gesundheitserzeihung oder Gesundheitsbildung,
260  die gesundheitliche Beratung und Gesundheitsuntersuchungen.

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