Quelle Nummer 179

Rubrik 05 : KULTUR   Unterrubrik 05.01 : SCHULWESEN

STRUKTURPLAN
DEUTSCHER BILDUNGSRAT
DEUTSCHER BILDUNGSRAT, EMPFEHLUNGEN DER BILDUNGSKOM-
MISSION, STRUKTURPLAN FUER DAS BILDUNGSWESEN, BONN
1970, S. 159-166


001  Sekundarstufe 2. Abgrenzungen. Die
002  Sekundarstufe 2 ist jener Teil des zukünftigen Bildungssystems,
003  dem die Sekundarsufe 1 vorangeht und an den sich der
004  Hochschulbereich und der Bereich der Weiterbildung anschließen.
005  Dabei wird die Zielkonzeption - Einschulung im Alter von fünf
006  Jahren und zehnjährige Vollzeitschule - vorausgesetzt. Der
007  Übergang in die Sekundarstufe 2 erfogt in der Regel im 16.
008  Lebensjahr. Da nicht alle Schüler die Sekundarstufe 1 mit dem
009  Abitur 1 abschließen, gibt es in der Sekundarstufe 2 Lernende
010  mit und ohne Abitur 1. Die Bildungsgänge in der Sekundarstufe 2
011  sind vielfältig differenziert. Sie führen zum Abitur 2 und zu
012  berufsqualifizierenden Abschlüssen unterschiedlichen Niveaus.
013  Bildungsgänge, die als berufliche Erstausbildung unmittelbar auf
014  das Abitur 2 aufbauen und nicht zum Hochschulbereich gehören,
015  werden zur Sekundarstufe 2 gerechnet. Die Abgrenzung der
016  Sekundarstufe 2 zum Hochschulbereich ist eindeutig markiert, da es
017  sich um unterschiedliche Bildungsfunktionen handelt. Die Grenze
018  zum Bereich der Weiterbildung ist nicht derart klar zu ziehen,
019  weil bestimmte Bildungsinstitutionen (z. B.
020  Technikerschulen) sowohl Bildungsfunktionen der Sekundarstufe 2
021  als auch der Weiterbildung übernehmen können. Wegen der
022  unterschiedlichen Dauer der Bildungsgänge in der Sekundarstufe 2
023  ist ihr Ende altersmäßig nicht festzulegen.
024  Gegenwärtige Bildungseinrichtungen. In die neu zu
025  konzipierende Sekundarstufe 2 gehen in entsprechend geänderter
026  Form und mit veränderten Aufgaben die folgenden
027  Bildungseinrichtungen ein: Die Berufsschule und die
028  betriebliche Lehre; Berufsschulen sind berufsbegleitende
029  Teilzeitschulen für berufsschulpflichtige Jugendliche. Sie haben
030  die Aufgabe, die Allgemeinbildung der Schüler unter besonderer
031  Berücksichtigung ihrer Berufsausbildung oder ihrer beruflichen
032  Tätigkeit zu erweitern und die praktische Berufsausbildung zu
033  ergänzen. Die Dauer des Berufsschulbesuchs hängt von der
034  Länge der Lehrzeit, der Anrechnung der undividuellen Vorbildung
035  und teilweise vom Alter ab. Die Berufsaufbauschule; nach
036  der Rahmenvereinbarung der ständigen Kon ferenz der
037  Kultusminister soll sie vor allem der Förderung begabter
038  Volksschüler dienen, die durch besondere allgemeinbildende Kurse
039  die Fachschulreife erreichen können; Schülern mit
040  Realschulabschluß werden fachtheoretische Kurse angeboten, die
041  über das Angebot der Berufsschule hinausgehen. Die
042  Berufsaufbauschule ist in der Regel eineinhalbjährig bei Vollzeit
043  unterricht und dreieinhalbjährig bei Teilzeitunterricht
044  und wird nach oder während der Lehre besucht. Die
045  Berufsfachschule; hier handelt es sich um Vollzeitschulen mit ein
046  jähriger bis dreieinhalbjähriger Ausbildungsdauer, die,
047  ohne eine praktische Berufsausbildung vorauszusetzen, der
048  Vorbereitung auf eine Berufstätigkeit oder der Berufsausbildung
049  dienen und die Allgemeinbildung fördern. Eintrittsvoraussetzung
050  ist - mit bestimmten Ausnahmen - der Abschluß der Hauptschule.
051  Es gibt Berufsfachschulen, deren Besuch für den Erwerb
052  bestimmter beruflicher Qualifikationen unerläßlich ist, solche,
053  die alternativ zu einer Lehre besucht werden können, oder solche,
054  die auf eine betriebliche Lehre vorbereiten. Teilweise bieten die
055  Berufsfachschulen außerdem einen mittleren Abschluß
056  beziehungsweise die Fachschulreife. Zu den Berufsfachschulen
057  werden auch Ausbildungseinrichtungen für Assistentenberufe
058  gerechnet; sie setzen in der Regel den Realschulabschluß voraus
059  und führen zu berufsqualifizierenden Abschlüssen auf mittlerem
060  Niveau. Die Fachschulen; sie sind entweder Vollzeit
061  schulen oder Teilzeitschulen, dienen einer vertieften
062  beruflichen Ausbildung und Weiterbildung und werden in
063  der Regel nach einer ersten Berufsausbildung (Lehre,
064  Berufsfachschule und Berufspraxis) besucht. Hierzu gehören auch
065  die Technikerschulen. - Die Höheren Fachschulen; sie setzen
066  den Realschulabschluß oder Fachschulreife voraus, außerdem in
067  der Regel Berufspraxis oder ein Praktikum. Die Lehrgangsdauer
068  beträgt mindestens fünf Halbjahre. Den Absolventen kann unter
069  bestimmten Bedingungen die fachgebundene Hochschulreife zuerkannt
070  werden. Die Fachoberschulen; sie sind nach einem Beschluß
071  der Ständigen Konferenz der Kultusminister ab 1.9.1969 in
072  verschiedenen Bundesländern eingerichtet worden. Sie setzen einen
073  mittleren Abschluß voraus und sollen in zwei Jahren, in denen
074  sowohl fachbezogener Unterricht als auch eine fachpraktische
075  Ausbildung stattfindet, zunächst in den Bereichen Wirtschaft und
076  Ingenieurwesen zur Fachhochschulreife führen. Die gymnasiale
077  Oberstufe; sie setzt die Obersekundareife (Realschulabschluß)
078  voraus und umfaßt drei Vollzeitschuljahre. Ihr Abschluß ist das
079  Abitur, mit dem in der Regel die allgemeine Hochschulreife
080  verliehen wird. Grundzüge der künftigen Sekundarstufe 2
081  Gegenüber dem heutigen Schulwesen wird die Sekundarstufe 2
082  als eine differenzierte Einheit begriffen. Alle Bildungsgänge
083  der Sekundarstufe 2 sollen an den gleichen bildungspolitischen
084  Zielen, didaktisch-pädagogischen Gesichtspunkten und
085  organisatorischen Grundsätzen ausgerichtet sein. Das Denken in
086  Bildungsinstitutionen tritt hinter dem Denken in Bildungsgängen
087  zurück, die auf bestimmte Lernziele gerichtet sind. Die
088  gegenwärtigen Bildungseinrichtungen erhalten neue Funktionen.
089  Dies schließt curriculare Veränderungen sowie Neubestimmung von
090  Eingangsvoraussetzungen und Abschlüßen ein. Gleichzeitig
091  verändert sich das Verhältnis der Schularten zueinander, und
092  zwar sowohl in Richtung auf einen stärkeren horizontalen wie auf
093  einen stärkeren vertikalen Verbund. Daraus müssen sich
094  Konsequenzen für die Bezeichnung der Bildungseinrichtungen
095  ergeben. Ohne eine neue Terminologie für bestehende
096  Bildungseinrichtungen einzuführen, werden hier allgemeine
097  Bezeichnungen für Bildungsgänge gesucht, die zu vergleichbaren
098  Lernzielen führen. Die Vorschläge der Bildungskommission für
099  die Gestaltung der Sekundarstufe 2 knüpfen an gegenwärtige
100  Veränderungstendenzen an und führen sie weiter. Die hier
101  vorgeschlagenen Neuerungen können nur Erfolg haben unter der
102  Voraussetzung, daß die Empfehlungen der Bildungskommission für
103  die vorgelagerten Stufen des Bildungssystems verwirklicht werden.
104  Dabei wird unter anderem auch davon ausgegangen, daß in Zukunft
105  die überwiegende Mehrheit der fünfzehnjährigen Schüler die
106  Sekundastufe 1 mit dem Abitur 1 abschließt. Durch die
107  Aufnahme fachtheoretischer Kurse in die studienbezogenen Curricula
108  und die Verstärkung allgemeiner Inhalte in beruflichen Curricula
109  nähern sich die verschiedenen Bildungsgänge der Sekundarstufe 2
110  einander an. Der horizontale Verbund wird durch Formen
111  institutionelller Integration weiter verstärkt. Das Abitur 2
112  kann in gymnasialen und in beruflichen Bildungsgängen der
113  Sekundarschulen erworben werden. Das Abitur 1 kann in der Phase
114  der ersten beruflichen Ausbildung nachgeholt werden. Zu diesem
115  Zweck wird das Lernangebot der Berufsaufbauschule in diejenigen
116  Bildungsgänge der Sekundarstufe 2 eingebracht, für die das
117  Abitur 1 nicht Eingangsvoraussetzung ist. Die bisherigen
118  Sonderformen des Gymnasiums (wirtschaftswissenschaftliches
119  und sozialwissenschaftliches Gymnasium, technisches Gymnasium
120  und musisches Gynasium) treten als vollwertige Bildungsgänge
121  neben das altsprachliche, das neusprachliche und das mathematisch
122  -naturwissenschaftliche Gymnasium. Zu diesen gymnasialen
123  Oberstufen kommt die Fachoberschule neu hinzu, die ebenfalls das
124  Abitur 2 verleiht. Damit wird die Trennung von Hochschulreife
125  und Fachhochschulreife aufgehoben. Das Abitur 2 ist nach
126  inhaltlich bestimmten Profilen differenziert. Es eröffnet den
127  Zugang zum Studium im Hochschulbereich, berechtigt jedoch nicht
128  zur Wahl beliebiger Studiengebiete. Die Festsetzung der für ein
129  bestimmtes Studiengebiet geforderten Leistungsgebiete und
130  Leistungsgrade erfolgt in Zusammenarbeit von Schule und
131  Hochschule. Das berufliche Bildungswesen in der
132  Sekundarstufe 2 ist in sich gestuft. Das bedeutet, daß es
133  aufeinander aufbauende Qualifikationen anbietet. Dadurch wird der
134  vertikale Verbund der Bildungsgänge verstärkt. Das erste Jahr
135  jeder Berufsbildung ist ein obligatorisches Berufsgrundbildungsjahr,
136  in dem eine von der Produktion getrennte, systematische
137  Grundbildung in einem breiten Berufsfeld stattfindet. Auf das
138  Berufsgrundbildungsjahr folgt die höchstens zwei Jahre dauernde
139  Fachbildung, die mit einem ersten berufsqualifizierenden Abschluß
140  endet. Wie weit diese Fachbildung in rein schulischer Form oder
141  zum Teil außerhalb der Schule stattfindet, muß für jeden Beruf
142  nach sachlichen Erwägungen neu bestimmt werden. Die Fachbildung
143  wird in einem verbesserten dualen System oder in Vollzeitschulen
144  vermittelt. Hierzu zählen auch die Handelsschulen, die
145  Assistenschulen, Schulen im sozialpädagogischen und pflegerischen
146  Bereich und andere. Nach diesem ersten berufsqualifizierenden
147  Abschluß ist unmittelbar der Übergang in die Fachschulstufe 1
148  möglich. Demnach soll eine praktische Berufserfahrung zum
149  Eintritt in die Fachschulstufe 1 nicht mehr generell vorausgesetzt
150  werden. Das Ziel der Fachschulstufe 1 kann sowohl eine berufliche
151  Spezialialisierung als auch eine stärker theoretische Fundierung
152  des beruflichen Fachwissens sein. Bei stärker theoretischer
153  Ausrichtung der Fachschulstufe 1 wird sich an diese eine
154  Fachschulstufe 2 anschließen. Sie kann nach einer für jede
155  Ausbildungsrichtung einzeln zu bestimmenden praktischen
156  Berufstätigkeit besucht werden. Sie zielt auf eine engere
157  berufliche Spezialisierung. Hier wird zum Beispiel der
158  spezialisierte Techniker, die spizialisierte Krankenschwester
159  (Operationsschwester, Diätschwester u. a.), der
160  spezialisierte Sozialpädagoge ausgebildet. Heute wird diese
161  Ausbildungsfunktion zum Teil von Fachschulen und Höreren
162  Fachschulen, zum Teil von Weiterbildungskursen und von privaten
163  Bildungseinrichtungen erfüllt. Ein leistungsfähiger
164  Fachschulbereich ist notwendig, um für die dringend erforderlichen
165  mittleren Qualifikationen auszubilden und Schüler mit dem Abitur
166  1 attraktive berufliche Ausbildungswege bieten zu können. Deshalb
167  darf der Ausbau des Fachschulbereiches nicht durch die Entwicklung
168  eines Fachhochschulbereiches beeinträchtigt werden. Höhere
169  Fachschulen sollten nur dann in den Hochschulbereich eingegliedert
170  werden, wenn sie den für die Fachhochschulen aufzustellenden
171  Leistungskriterien genügen. Diejenigen höheren Fachschulen,
172  die den Bedarfskriterien und Leistungskriterien nicht
173  genügen, können entweder in einen gestuften Ausbildungsgang als
174  Fachschulstufe eingeordnet werden oder eine unmittelbar an das
175  Abitur 2 anschließende, konzentrierte Berufsausbildung außerhalb
176  des Hochschulbereichs übernehmen. Ein verbessertes
177  Bildungsangebot im Fachschulbereich kann nur dann attrativ sein,
178  wenn die Eingangsvoraussetzungen, die tarifliche Eingruppierung
179  und die Laufbahnbestimmungen im öffentlichen Dienst und in der
180  Industrie die Ausbildung auf der Fachschulebene mehr als bisher
181  honorieren. Allgemeine Gesichtspunkte für die Gestaltung
182  der Sekundarstufe 2. Durchlässigkeit. Die
183  Sekundarstufe 2 ist in sich wesentlich stärker differenziert als
184  die zuvor behandelten Teile des Bildungswesens, wobei der
185  unterschiedliche Grad von spezifischer Berufsbezogenheit und
186  spezifischer Studienbezogenheit das wesentlihe Merkmal der
187  Differenzierung ist. Das Verhältnis von allgemeiner zur
188  beruflicher Bildung im Rahmen der Sekundarstufe 2 muß neu
189  durchdacht werden. Die traditionelle Höherbewertung der
190  allgemeinen Bildung hat das gegenwärtige System der
191  Berechtigungen zum Eintritt in höhere Bildungsgänge geprägt.
192  Infolgedessen spiegelt sich in der Höherbewertung schulischer
193  Allgemeinbildung heute unter anderem die realistische Einsicht in
194  die praktischen Vorteile, die ein längeres Verweilen auf der
195  allgemeinbildenden Schule gegenüber dem frühzeitigen Eintritt in
196  berufliche Bildungsgänge im Hinblick auf den Zugang zu höheren
197  Berufslaufbahnen mit sich bringt. Die Minderbewertung der
198  spezifisch berufsbezogenen Schullaufbahnen innerhalb der
199  Sekundarstufe 2 wird sich nur abbauen lassen, indem die
200  Durchlässigkeit der beruflichen Bildungswege und damit die
201  Chancengleichheit aller Schüler innerhalb der Sekundarstufe 2
202  erhöht wird. Zum Abbau der Minderbewertung von beruflicher
203  Bildung trägt auch ihre wachsende theoretische Orientierung und
204  Fundierung sowie die curriculare Annäherung von berufsbezogenen
205  und studienbezogenen Bildungsgängen bei. Dem Prinzip der
206  Durchlässigkeit und Chancengleichheit dient die Forderung, daß
207  berufliche Schulen neben einer Berufsqualifikation auch die
208  Möglichkeit zum Erwerb eines allgemeinen Abschlusses auf dem
209  nächst höheren Niveau bieten: Also Abitur 1 dort, wo der
210  Abschluß der 10.Klasse als Eintrittsvoraussetzung genügt;
211  Abitur 2 dort, wo Abitur 1 als Eintrittsvoraussetzung gilt.
212  Solche Möglichkeiten bestehen heute nur teilweise. Die
213  verschiedene inhaltliche Profilierung von Abitur 1 und besonders
214  von Abitur 2 kommt der hier ausgesprochenen Forderung entgegen.
215  Es muß allerdings verhindert werden, daß die Forderung nach
216  Durchlässigkeit auch im berufsbildenden Schulwesen dazu führt,
217  daß die betreffenden Einrichtungen sich zu Lasten des Niveaus der
218  berufsbezogenen Unterrichtung vorrangig am Ziel der Vermittlung
219  höherer allgemeiner Abschlüsse orientieren. Es wird keine
220  Funktionsveränderung, sondern eine Funktionserweiterung von den
221  berufsbildenden Schulen gefordert. Der Eintritt in einen
222  beruflichen Bildungsgang nach Abschluß der Sekundarstufe 1 wird
223  attraktiver werden, da auch auf diesem Wege das Abitur 2 bei
224  gleichzeitigem Erwerb eines berufsqualifizierenden Abschlusses
225  erreicht werden kann. Dies ist ein wichtiges bildungspolitisches
226  Ziel und die Bedingung dafür, daß der Abschluß der
227  Sekundarstufe 1 tatsächlich die Funktion eines Verteilerkreises
228  erhält. Berufsbezogene und allgemeine Bildungsgänge.
229  In der Sekundarstufe 2 findet eine weitgehende Differenzierung
230  statt. Differenzierung ist hierbei zunächst als curricular
231  legitimierte Differenzierung zu verstehen. Sie ergibt sich aus den
232  unterschiedlichen Funktionen der einzelnen Bildungsgänge. Wenn
233  deshalb im Rahmen der Sekundarstufe 2 berufsbezogene und allgemeine
234  Bildungsgänge nebeneinander bestehen, dann ist das soweit
235  gerechtfertigt und unvermeidlich, wie bestimmte Berufe für den
236  Erwerb der nur berufsspezifischen Qualifikationen und für die
237  erfolgreiche Berufsausbildung eine längere vorausgehende Phase
238  allgemeiner Bildung erfordern als andere. Aus
239  gesellschaftpolitischen Erwägungen ist es jedoch ungerechtfertigt,
240  wenn lediglich ein Teil der Lernenden in der Sekundarstufe 2 in
241  den Genuß solcher allgemeiner Bildungselemente kommt, die für
242  die später angestrebten Berufe nicht erforderlich sind, aber
243  Lebensvorteile anderer Art bringen. Das gilt insbesondere für
244  den Erwerb von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen, die
245  im späteren Leben die Voraussetzung für soziale
246  Orientierungsfähigkeit, Einsicht in politische, ökonomische und
247  soziale Zusammenhänge, Kritikvermögen und selbständiges
248  Handeln, kurz für die Mündigkeit des erwachsenen
249  Gesellschaftmitgliedes wichtig sind. Da diese Voraussetzungen
250  teilweise an spezifische Lerninhalte gebunden sind, ergibt sich
251  daraus die bildungspolitische Forderung, daß alle Bildungsgänge
252  in der Sekundarstufe 2 solche lebenspraktisch wichtigen allgemeinen
253  Fertigkeiten und Kenntnisse vermitteln sollen. Deshalb muß die
254  berufliche Bildung nicht nur aus sich heraus theoretischer werden,
255  sondern es müssen sinnvoll mit den berufsspezifischen Inhalten
256  verbundene allgemeine Inhalte in sie integriert werden. Bei der
257  Festlegung der nicht unmittelbar auf einen bestimmten
258  berufsqualifizierenden Abschluß bezogenen Inhalte für das
259  Curriculum berufsbildender Schulen sollten zwei Ziele als
260  Maßstab gelten: Daß der Schüler jene sowohl allgemeinen als
261  auch fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erwerben kann, die
262  nötig sind, um in die nächst höhere Stufe der Ausbildung
263  eintreten zu können; und daß ihm die für alle Schüler der
264  Sekundarstufe 2 zur staatsbürgerlichen Mündigkeit notwendigen
265  " allgemeinen " Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden.
266  Bildungsgänge in der Sekundarstufe 2 können kein
267  enzyklopädisches Wissen vermitteln. Der Lernende soll deshalb
268  durch Ausgestaltung seines Fächerkerns und durch gezielte Zuwahl
269  von Fächern (oder Leistungsgebieten) seine Arbeit auf einzelne
270  Fachbereiche und Sachgebiete konzentrieren und auf diese Weise
271  Schwerpunkte bilden können. Der obligatorische Fächerkern ist
272  in den gymnasialen Oberstufen und in den beruflichen
273  Bildungsgängen nicht der gleiche. Im Kern der beruflichen
274  Bildungsgänge steht das Erlernen von elementaren berufs
275  spezifischen und tätigkeitsspezifischen Kenntnisse und
276  Fertigkeiten. Darüber hinaus sollen, ähnlich wie im
277  obligatorischen Kern der gymnasialen Curricula, eine rationale
278  Erkenntnis der sozialen Welt, insbesondere der Arbeitswelt,
279  sowie die sprachlichen Grundlagen für die Kommunikation in allen
280  für den Lernenden wichtigen Lebensbereichen vermittelt werden.
281  Darüber hinausgehende allgemeine und tätigkeitsspezifische
282  Kenntnisse können in einem differenzierten Wahlkurs-Angebot
283  oder in weiterführenden beruflichen Bildungsgängen erworben werden.
284  In den gymnasialen Oberstufen findet eine studienfachspezifische
285  Schwerpunktbildung im Rahmen eines differenzierten Kurssystems
286  statt.

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