Quelle Nummer 171
Rubrik 13 : GESCHICHTE Unterrubrik 13.03 : TEILGEBIETE
HANDWERKSGESCHICHTE
KARL GOEBELS
RHEINISCHES TOEPFERHANDWERK
GEZEIGT AM BEISPIEL DER FRECHENER KANNEN-,DUEPPEN-
UND PFEIFFENBAECKER
HRSG. VON DER STADT FRECHEN 1971
BARTMANN-VERLAG GMBH FRECHEN 1971, S. 167-173
001 Die Düppenbäcker. Die Töpferglasur. Die
002 Düppenbecker galten seit jeher gegenüber den Kannenbäckern als
003 der weniger angesehene Zweig des Töpferhandwerks. Dies lag wohl
004 daran, daß sie das einfache Geschirr für den Haushalt
005 herstellten, das wahrscheinlich seit eh und je in Küche und
006 Keller auch der armen Bevölkerung benutzt wurde. Im Gegensatz
007 zu den Kannenbäckern, die den Ton zu Steinzeug mit dichtem,
008 gesintertem Scherben brannten, stellte sie Töpferware,
009 Irdenware Hafnerware her, das heißt, der Scherben blieb porös,
010 flüssigkeitsansaugend un im Bruch sandig. Der Ausdruck
011 " Töpferware " deutet schon darauf hin, daß man es hier mit dem am
012 weitesten verbreiteten und auch geschichtlich ältesten Geschirr zu
013 tun hat. Es gibt wohl kein Volk, das nicht schon in frühesten
014 Zeiten seiner Enwicklung Töpferei getrieben hat, und heute
015 findet sich dieses einfache Irdengeschirr über die ganze Erde
016 verbreitet. Die Geschichte der Gesamtkeramik ist in den ältesten
017 Zeiten nur eine Geschichte der Töpferware, wozu aus der
018 Baukeramik allerdings noch die Ziegel hinzutreten. Ob wir die
019 sogenannten " primitiven " Völker oder die Hochkulturen ins
020 Auge fassen, überall benötigte der Mensch Gefäße für den
021 alltaglichen Gebrauch, und er hat sie sich zumeist als Irdenware
022 hergestellt. Gefäße und Scherben, die sich im Boden erhalten
023 haben, sind gesuchte und zuverlässige Belegstücke für die
024 Erkenntnisse der Archäologie. Von der Keramik allein auf die
025 Kultur einer Epoche schließen zu wollen, ist allerdings verfehlt.
026 Dazu ist die Wertschätzung in Betracht zu ziehen, die ein
027 Gefäß aus dem einfachen Mineral Ton in der Zeit seiner
028 Entstehung genoß. Im Mittelalter z. B. wurden
029 Tongefäße fast ausschließlich als einfachstes Küchengeschirr
030 gebraucht; sie sind dementsprechend flüchtig gearbeitet. Wenn
031 jemand von diesem Tatbestand allein die Kultur des Mittelalters
032 bestimmen wollte, die Leistungen in der Baukunst, Plastik,
033 Buchmalerei und Wandmalerei und in der Dichtung aber
034 außer acht ließe, dann könnte er nie zu einem die Realität
035 treffenden Urteil gelangen. Die Töpferware ist meist einfach aus
036 Ton hergestellt, ohne daß ihm eine Beimischung zugegeben wurde,
037 höchstens, daß man fette Tone mit mageren, sandreichen
038 vermischte oder ihnen reinen Sand beigab. Die Tone, in deren
039 Auswahl ziemlich großzügig verfahren werden konnte, brannten fast
040 immer farbig aus, je nach ihrem Gehalt an Eisenoxyd oder
041 Manganoxyd. Einer Forderung mußte allerdings auch dieser Ton
042 genügen: Er mußte plastisch sein, damit er sich frei aufdrehen
043 ließ. Außerdem mußte der Ton eine hinreichende Menge körnigen
044 Sands in feiner Verteilung besitzen, weil von diesem Gerüst die
045 Widerstandsfähigkeit gegen Temperaturwechsel hauptsächlich abhing.
046 Sie war für die Küchengeschirre von grundlegender Bedeutung.
047 Steinzeug mit seinem dichten Scherben würde, als Kochgeschirr
048 auf dem Herde verwendet, mit Sicherheit zerspringen. Der
049 ungesinterte Scherben der Irdenware jedoch machte die Dehnungen
050 und Zusammenziehungen beim Erhitzen und Erkalten mit und
051 überstand daher die Temperaturunterschiede, ohne Schaden zu
052 nehmen. Irdenware oder Hafnerware wurde in Deutschland
053 vielerorts hergestellt, z. B. in Bayern, Baden, Hessen,
054 Sachsen, Schlesien, Thüringen und im Frankenlande. Am
055 Niederrhein finden wir die Töpferorte vor allen in der Gegend von
056 Krefeld und in Frechen. Bei der Besprechung des
057 Kannenbäckerhandwerks haben wir uns eingehend mit der Tongewinnung,
058 Aufbereitung und der Formgebung in der Töpferwerkstatt
059 beschäftigt, so daß wir uns hier kurz fassen können. Alle
060 Handgriffe und Techniken, die dort beschrieben wurden, mußte
061 auch der Düppenbäcker beherrschen. Jedoch gab es einige wichtige
062 Unterschiede. Das Gefäß, das der Düppenbäcker herstellte,
063 besaß einen porösen und daher saugenden Scherben; er mußte erst
064 durch eine Glasur dicht gemacht werden. Wenn wir die oft schönen,
065 bunten Farben und Muster auf niederrheinischer Irdenware
066 bewundern, dann sollten wir nicht vergessen, daß die Glasur
067 zunächst eine technische Aufgabe hatte, nämlich das Gefäß
068 dicht zu machen. Daher finden wir auch bei den meisten
069 Töpferwaren nur die " Gebrauchsseite ", nicht aber die
070 Schauseite glasiert. Nehmen wir ein Beispiel: Eine weite
071 Milchsatte, eine sogenannte " Bahr ", wurde im früheren
072 Landhaushalt bei der Butterherstellung benutzt. Die Bauersfrau
073 stellte die fette Milch in einer Bahr in den Keller, damit sich
074 der Rahm absetzte, der dann mit einem Löffel abgeschöpft wurde,
075 um in der " Quiän ", wie man in Frechen sagte, zu Butter
076 gestoßen zu werden. Hätte die Bahr an der Gebrauchsseite keine
077 Glasur gehabt, wäre die Milch in den Tonscherben eingedrungen.
078 Sie hätte einen tonigen Geschmack angenommen, und die in den
079 Scherben eingedrungene Milch wäre auch durch längeres Spülen
080 und Waschen nicht mehr zu entfernen gewesen. Sie wäre sauer
081 geworden und das Gefäß hätte nach einmaligem Gebrauch nicht mehr
082 verwendet werden können. Zusammengefaßt: Steinzeug ist auch
083 ohne Glasur dicht, Irdenware erst durch Aufbringen einer Glasur.
084 Ein weiterer Unterschied zwischen der Arbeitsmethode der
085 Kannenbäcker einerseits und der Düppenbäcker andererseits
086 bestand darin, daß der Kannenbäcker erst beim Garbrande den
087 ganzen Ofeninhalt in einem Arbeitsgang mit Salzglasur überzog;
088 der Düppenbäcker jedoch jedes einzelne Stück vor dem Einsetzen
089 in den Ofen mit Glasurbrei bedecken mußte. Die Glasur der
090 Düppenbäcker, auf die wir noch näher eingehen werden, war keine
091 " Anflugglasur " wie beim Steinzeug, sondern eine Masse, die,
092 vor dem Brennen aufgetragen, im Ofen verglaste. Aus dem bisher
093 Gesagten geht hervor, daß Bereitung und Aufbringen der Glasur
094 auf den lufttrockenen Formling für die Handwerkskunst des
095 Düppenbäckers von ausschlaggebender Bedeutung war. Wir wollen
096 versuchen, zunächst Grundsätzliches zur Töpferglasur zu sagen
097 und im weiteren Verlauf der Ausführungen die Technik der alten
098 Meister beschreiben. Grundsätzlich besteht der Glasurschlicker
099 aus demselben Material wie der Gefäßscherben, also aus Ton mit
100 einem größeren Gehalt an Wasser und Flußmitteln. Weiß oder
101 rot ausbrennende Tone können als Glasur verwendet werden, nur
102 gibt man Bleioxyd zu, damit jener für die Töpferglasur typische
103 matte Glanz entsteht. Andere Glasurfarben werden durch Beigabe
104 bestimmter Metallverbindungen zum weißen Ton erzeugt, z.B.
105 Verbindungen von Kobalt für blaue, Mangan für braune und
106 violette, Kupfer für grüne, Eisen für gelbe oder braunrote
107 Farben. Damit ein Farbkörper als Färbemittel für Glasuren
108 geeignet ist, muß er mehrere Bedingungen erfüllen. Dazu
109 gehören: Gutes Deckvermögen, auch in niedriger Konzentration,
110 größtmögliche Kornfeinheit, Beständigkeit gegenüber der
111 lösenden Wirkung des Glasurflusses. Grundsätzlich stellen
112 Glasuren, genau wie Gläser, im Schmelzfluß entstandene, mehr
113 oder weniger durchsichtige Stoffe dar, die unter der Einwirkung
114 hoher Temperaturen miteinander Salze bilden, hierbei schmelzen und
115 in den amorphen ((math.Op.) unkristallinischen) Zustand übergehen, bei
116 Abkühlung in diesem Zustand verharren und glasig erstarren. Soll
117 ein keramischer Scherben mit einer schmelzenden Glasur überzogen
118 werden, ergeben sich Schwierigkeiten, die darin bestehen, daß
119 Scherben und Glasur eine so enge chemische Verbindung eingehen
120 sollen, daß jedes spätere Abblättern, jede Rissbildung
121 oder Blasenbildung vermieden wird. Es ist der Stolz des
122 Töpfers, einen " Spiegel ", das heißt eine vollkommen glatte
123 Glasuroberfläche zu erreichen. Auf senkrechten Flächen ist der
124 Spiegel häufig, auf waagerechten schwer zu erzielen, denn bei
125 ihnen kommt die Glasur nicht zum " Laufen ". Die innige
126 Verbindung zwischen Glasur und Scherben kann durch gute Benetzung
127 des Glsurschlickers herbeigeführt werden. Scherben und Glasur
128 haben, wie wir schon andeuteten, ähnliche chemische
129 Beschaffenheit, nur ist die Glasur flußmittelreicher. Hierdurch
130 kann sie leicht lösend auf die keramische Unterlage einwirken, so
131 daß sich zwischen Scherben und Glasur eine Übergangsschicht
132 bildet, die den innigen Verband zwischen den beiden keramischen
133 Massen herbeiführen hilft. Dieser Verband zwischen Scherben und
134 Glasur genügt aber allein noch nicht, um eine feste Haftung der
135 Glasur zu gewährleisten. Das gefürchtete Abblättern der
136 Glasur oder die Glasurrisse entstehen dadurch, daß die Glasur
137 sich bei der Abkühlung nach dem Brennen anders zusammenzieht als
138 der Scherben. Wenn der Ausdehnungskoeffizient der keramischen
139 Unterlage größer ist als der der Glasur, so wird sie sich beim
140 Abkühlen nach dem Brennen stärker zusammenziehen als die Glasur.
141 Sie hatte den Scherben beim Aufschmelzen im Ofen gleichmäßig
142 bedeckt, wird aber der Zusammenziehung des Scherbens nicht folgen
143 können, gerät so in Spannungen und blättert oder platzt ab.
144 Natürlich können die Verhältnisse auch umgekehrt sein. Wenn
145 der Ausdehnungskoeffizient der keramischen Unterlage kleiner ist
146 als der der Glasur, so wird sie sich beim Abkühlen weniger stark
147 zusammenziehen als die aufgeschmolzene Glasur. Infolge ihrer
148 stärkeren Zusammenziehung gerät die Glasur in Zugspannungen und
149 zerreißt in viele Stücke, die auf dem Scherben haften bleiben.
150 Wir sprechen dann von Rißbildung. Scheinbar haben sich die alten
151 Düppenbäcker, wenn auch nicht theoretisch überlegend, so doch
152 praktisch ausführend, an die Regeln für ein Gelingen der Glasur
153 gehalten. Es ist wohl eine Tatsache, die sich an allen
154 Töpferorten bestätigt: Steinzeugscherben findet man auf
155 Schritt und Tritt im Erdreich. Scherben oder gar einigermaßen
156 erhaltene Gefäße aus den Öfen der Düppenbäcker im Erdboden
157 zu finden, gelingt viel seltener. Ist dies ein Hinweis darauf,
158 daß die Düppenbäcker weniger Ausschuß in ihrer Produktion
159 hatten, oder wurden an ihre Gefäße seitens der Meister und
160 Kunden nicht so hohe Anforderungen gestellt? Das fast gänzliche
161 Fehlen von Bodenfunden und einfachem, alltäglichem Geschirr in
162 den Sammlungen, das absolute Schweigen der alten Akten in den
163 Archiven macht es außerordentlich schwer, sich die Herstellung
164 der Glasur seitens der alten Düppenbäcker klar zu machen. Es
165 geht hier nicht um die Frage, wie der eigentliche Glasurschlicker
166 hergestellt wurde; das ist oft beschrieben worden. Die
167 Düppenbäcker mußten ja auch die Metalloxyde, die dem Ton
168 beigegeben wurden, irgendwie selbst produzieren. In vielen
169 modernen Fachbüchern fand ich Rezepte für die Herstellung von
170 Töpferglasuren. Es wird aber immer vorausgesetzt, daß der
171 Töpfer die Ausgangsprodukte der Glasur fertig bezieht. Das war
172 dem alten Düppenbäcker wenigstens bis zum Beginn des 19.
173 Jahrhunderts kaum möglich, und so sind diese modernen Fachbücher
174 für unser Thema unergiebig. Im 18.Bande des Werkes von
175 Johann Georg Krünitz, " Oeconomische Encyclopädie ",
176 Berlin 1779, fand ich einen Aufsatz über Töpferglasuren. Die
177 in diesem Artikel beschriebenen Methoden werden so oder ähnlich
178 auch in Frechen angewandt worden sein, so daß man mit einigem
179 Vorbehalt die Ausführungen übernehmen kann. " Bey der gemeinen
180 weißen Glasur (...) wird das Gefäß mit weißem Ton übergossen;
181 alsdann nimmt der Töpfer Mennig und zerstoßenen Kieselstein,
182 reybet beydes auf der Schmelzmühle fein, und glasuret hiermit den
183 vorigen weißen Über-Guß, wenn dieser nähmlich trocken ist. "
184 Die hier beschriebene Arbeitsmethode wurde ähnlich auch in
185 Frechen angewandt, nur wurde der nasse Tonschlicker gleich mit der
186 Bleiglätte vermischt. Für das Übergießen der Schüssel mit
187 der Grundfarbe (nicht nur Weiß) hatte man den Ausdruck
188 " beschödden ". Der Töpfer nahm den ziemlich flüssigen
189 Glasurschlicker mit der Kelle aus einem großen Topf und gab ihn
190 in das zu glasierende Gefäß. Dieses wurde dann hin un her bewegt,
191 damit der Glasurbrei überall vom Scherben aufgenommen werden
192 konnte. Der übrigbleibende Glasurschlicker wurde in das
193 Vorratsgefäß zurückgeschüttet. Im letzten Jahrhundert scheint
194 man ihn nach kurzem Antrocknen auch noch mit einem Schwamm oder
195 Tuch abgewischt zu haben, damit die Glasurschicht nicht so dick
196 wurde. Jedenfalls deuten die eigenartigen " Wolken " bei manchen
197 glasierten Gefäßen dies an. Zur Herstellung der Töpferglasur
198 war ein wichtiges Arbeitsgerät notwendig: die Glasurmühle.
199 Ein Gewährsmann erzählte mir, daß er als Kind die
200 Glasermühle noch mit der Hand für einen Stundenlohn von fünf
201 Pfennig gedreht habe. Seine Angaben über die Konstruktion der
202 Glasurmühle waren allerdings nur lückenhaft. Man kann annehmen
203 - alte Stiche zeigen es - daß die Glasermühlen nicht überall
204 und zu allen Zeiten gleich ausgesehen haben. Wir können daher nur
205 eine schematische Beschreibung geben: Im Grunde bestand sie
206 immer aus zwei runden, harten, waagerecht übereinander lagernden
207 Mahlsteinen mit einem Durchmesser von etwa 50 bis 60 Zentimeter,
208 wovon der eine, der " Bodenstein ", mit seiner unteren
209 Grundfläche auf einem festen Lager ruhte. Der andere Mahlstein,
210 der " Läufer ", drehte sich um eine Achse und konnte mit
211 einer Handkurbel bewegt werden. In seiner Mitte befand sich eine
212 kreisrundes Loch, das " Läuferauge ". Über dem Läufer war
213 in einem Gestänge der " Rumpf " angebracht, ein fast
214 trichterförmiges Holzgefäß, in welches das zum Mahlen bestimmte
215 Gut eingefüllt wurde. Der Rumpf hatte keinen festangeschlagenen
216 Boden, sondern war unten offen. Unter der Öffnung schwebte in
217 geringem Abstand eine durch Hanfbindfäden beweglich aufgehängte
218 Holzplatte, die ringsum mit Leisten eingefaßt war. Sie wurde
219 " Schuh " genannt. Jene Leiste am Schuh, die sich dem
220 Läuferauge zuwandte, war an einer Stelle durchlöchert und mit
221 einer kleinen Röhre versehen, die zum Läuferauge führte. Rund
222 um die obere Kante des Läuferauges war ein eiserner Ring in den
223 Stein eingelassen, in den Stufen oder Staffeln - ähnlich wie
224 bei einem Zahnrad - geschmiedet waren, daher " Staffel
225 ring oder Warzenring " Läuferauge floß.
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