Quelle Nummer 163
Rubrik 09 : WIRTSCHAFT Unterrubrik 09.23 : BETRIEBSWIRTSCHAFT
MARKETING
RAINER KRUEGER-BARVELS
MARKETING IM VERSICHERUNGSBETRIEB
"ABSATZWIRTSCHAFT UND KONSUMFORSCHUNG" BD. 5
HRSG. VON PROF. DR. PETER MEYER-DOHM
VERLAG ROMBACH FREIBURG 1971, S. 142-151
001 Das Äquivalenzprinzip. Die Bestimmung der
002 " richtigen " Prämie setzt zwar für die Ermittlung der
003 Schadenswahrscheinlichkeit homogene Bestände voraus, zur
004 Herbeiführung des Risikoausgleichs im Kollektiv ist die
005 Gleichartigkeit der Risiken aber nicht erforderlich, ja nicht
006 einmal erwünscht. Setzt sich der Bestand aus ungleichartig
007 bedrohten Wirtschaftseinheiten zusammen, erhalten diese mit dem
008 Leistungsversprechen des Versicherers unterschiedliche
009 Leistungsqualitäten. Verzichtet der Versicherer darauf, Diesem
010 Sachverhalt durch eine entsprechende Prämiendifferenzierung
011 Rechnung zu tragen, ist er fortlaufend einer Antiselektion durch
012 den Versicherungsnehmer ausgesetzt, die den Risikoausgleich
013 gefärdet. Er muß daher selbst eine Auswahl unter den
014 potentiellen Versicherungsnehmern treffen, um die gewünschte
015 Zusammensetzung seines Bestandes beizubehalten, oder aber eine
016 solche Selektion durch preispolitische Maßnahmen nach dem
017 Äquivalenzprinzip erzwingen, wenn sie sich auf andere Art und
018 Weise als nicht durchsetzbar erweisen sollte. Das
019 Äquivalenzprinzip läßt sich in vereinfachter Form durch folgende
020 Gleichung definieren: (Formel) Die Nettoprämie p ohne
021 Verwaltungskosten, Gewinnzuschlag und
022 Sicherheitszuschlag eines Vertrages x aus einem
023 Versicherungsbestand X ist gleich dem Erwartungsschaden E (x)
024 eben dieses Vertrages. Damit ist gewährleistet, daß auch die
025 gesamte Nettoprämie P aus dem Versicherungsbestand X immer
026 gleich den Erwartungswert des Gesamtschadens E (X) ist:
027 (Formel) Der auf diese Weise bewirkte Risikoausgleich im
028 Kollektiv ist nur ein Aspekt des Äquivalenzprinzips, der zudem
029 hauptsächlich das Rechnungswesen berührt. Seine absatzpolitische
030 Bedeutung liegt in der Preisdifferenzierung und der damit
031 verbundenen Selektion. Welche Probleme dabei im einzelnen
032 auftauchen, wird im Rahmen der versicherungsbetrieblichen
033 Preispolitik und Leistungsgestaltung noch ausführlich zu zeigen
034 sein. So kann es beispielsweise von Vorteil sein, auf eine
035 Durchsetzung des Äquivalenzprinzips unter gewissen Bedingungen zu
036 verzichten. In diesem Zusammenhang muß noch einmal darauf
037 hingewiesen werden, daß die Abkehr von Durchschnittsprämien zwar
038 einer Aufgabe des genossenschaftlichen Prinzips " einer für alle,
039 alle für einen " gleichkommt, daß der Kollektivgedanke aber
040 mit dem Wachstum der Gesellschaften seine Funktion als einigendes
041 Band ohnehin nicht mehr erfüllen kann. Lediglich bei kleinen und
042 kleinsten Versicherungsgruppen, zum Beispiel in der Tier
043 versicherung und Sterbekassenversicherung, ist die
044 Versicherungsfunktion noch auf den genossenschaftlichen
045 Zusammenhalt der Mitglieder begründet. Verzichtet man aus
046 Solidarität auf leistungsäquivalente Prämien, so machen sich in
047 dem Maße gegensätzliche Interessen bermerkbar, wie sich die
048 Versicherungsnehmer mit zunehmender Größe ihrer Gesellschaft
049 einander entfremden. Der verschiedene geldliche Umfang der
050 versicherten Belange, die abweichende Bedrohung der
051 Versicherungsnehmer durch bestimmte Gefahren können innerhalb des
052 Bestandes Spannungen entstehen lassen, die den Ablauf der
053 versicherungsbetrieblichen Leistungserstellung stören. Diese
054 Gefahr will Rohrbeck durch harmonisierende Maßnahmen der
055 Versicherungsunternehmen gebannt wissen, da die Interessen der
056 Versicherungsnehmer nicht generalisiert, sondern nur harmonisiert
057 werden könnten. Eine solche Harmonisierung wird auch durch das
058 Äquivalenzprinzip erreicht, das die unterschiedlichen Interessen
059 der Versicherungsnehmer an der Abwälzung großer und kleiner
060 Risiken voll und ganz berücksichtigt. Da leistungsäquivalente
061 Preisforderungen oft nicht kalkulierbar und darüber hinaus auch
062 nicht immer wünschenswert sind, ist der Versicherer auf einen
063 kalkulatorischen Ausgleich der von ihm betriebenen Sparten
064 angewiesen. Das Kompensationsprinzip. Als Richtschnur
065 unternehmerischen Verhaltens hat das Kompensationsprinzip in der
066 handelsbetrieblichen Kalkulation seinen Niederschlag gefunden.
067 Weil es primär absatzpolitische Relevanz besitzt, sollte man
068 jedoch lieber von preispolitischem als von kalkulatorischem
069 Ausgleich sprechen. Welche Umstände machen nun einen
070 preispolitischen Ausgleich im Versicherungsbetrieb erforderlich?
071 Obwohl in der Theorie die Schätzbarkeit des Versicherungsbedarfs
072 zumeist als unabdingbare Voraussetzung für eine Versicherung
073 angesehen wird, entfernt sich die Praxis von diesem Merkmal
074 bereits beträchtlich, so daß die Schätzbarkeit lediglich die
075 Forderung eines Idealtyps impliziert. Insbesondere ist auf die
076 absatzpolitische Bedeutung der Versicherung spektakulärer und
077 einmaliger Risiken hinzuweisen. Wenn eine
078 Versicherungsgesellschaft die Beine eines weiblichen Filmstars
079 versichert, dürften dafür exakte Schadenswahrscheinlichkeiten als
080 Grundlage der Prämienberechnung ebenso fehlen wie ein Kollektiv
081 gleichgearteter Risiken, in dem sich der Risikoausgleich
082 vollziehen könnte. Die Kalkulation ist hier zwar in besonderem
083 Maße mit Unsicherheit behaftet, aber durchaus ökonomisch
084 gerechtfertigt, wenn der Versicherer infolge des gestiegenen
085 Bekanntheitsgrades mit einem höheren Absatz rechnen kann.
086 Mögliche Verluste sind durch Überschüsse anderer
087 Versicherungssparten auszugleichen. Das setzt allerdings in diesen
088 Sparten einen zusätzlichen Sicherheitszuschlag oder
089 Gewinnzuschlag zur Nettoprämie voraus, wenn diese nach dem
090 Äquivalenzprinzip ermittelt wurde. Ein Ausgleich der Sparten
091 ist selbstverständlich nur insoweit möglich, als gesetzliche
092 Vorschriften und andere Einschränkungen dies zulassen. Ob die in
093 812 VAG verankerte Trennung der Versicherungssparten im
094 Interesse einer dauernden Erfüllbarkeit der Verträge
095 tatsächlich notwendig ist, braucht hier nicht diskutiert zu werden.
096 Diese Vorschriften stellen für den Versicherungsbetrieb extern
097 determinierte Bestimmungsgründe seiner Absatzpolitik dar. Auf
098 einen Risikoausgleich innerhalb der erlaubten Spartenkombinationen
099 kann eine Versicherungsgesellschaft jedoch nicht verzichten. Nur
100 mit Hilfe des Kompensationsprinzips ist beispielsweise die
101 Einführung neuer Versicherungszweige denkbar, deren
102 Anfangsverluste von prosperierenden Sparten getragen werden müssen,
103 ehe sich ein tragfähiger Versicherungsbestand innerhalb des neuen
104 Versicherungszweiges gebildet hat. Schließlich bietet die
105 Spartenkombination auch noch die Möglichkeit eines
106 Konjunkturausgleichs, denn selten herrscht in allen
107 Versicherungszweigen Hochkonjunktur, und ebenso selten sind alle
108 Versicherungszweige zugleich von einer Depression betroffen. Für
109 die Absatzpolitik ist es von Bedeutung, daß das
110 Kompensationsprinzip zunächst zwar allen Versicherungsnehmern
111 zusätzlichen Schutz durch den erweiterten Risikoausgleich bietet,
112 dieser Schutz aber im konkreten Falle einseitig zu Lasten einer
113 bestimmten Gruppe von Versicherungsnehmern geht. Führt die
114 Kompensation beim Ausgleichsträger zu einer spürbaren Anhebung
115 der Prämien, kann sich die akquisitorische Wirkung eines stabilen
116 Geschäftsverlaufs leicht in ihr Gegenteil verkehren. Werden sich
117 die betroffenen Versicherungsnehmer nämlich der Tatsache bewußt,
118 daß sie mehr Prämien als nötig bezahlen müssen, um Verluste
119 einer anderen Sparte auszugleichen, und gibt es andere Anbieter,
120 die leistungsäquivalente Prämien fordern, steht allenfalls die
121 mangelnde Markttransparenz einer Mitgliederfluktuation entgegen.
122 Das Reziprozitätsprinzip. Das Reziprozitätsprinzip
123 erscheint vor dem Hintergrund einer modernen, marktorientierten
124 Absatzpolitik als Anachronismus. Wegen seiner noch weit
125 verbreiteten Anwendung in der Versicherungspraxis darf es hier
126 nicht unerwähnt bleiben. Das Reziprozitätsprinzip kommt in der
127 Koppelung eines Versicherungsabschlusses mit einem Gegengeschäft
128 zum Ausdruck. Solche Praktiken, den Absatz zu steigern, lassen
129 sich in vielen Branchen nachweisen, sind in der
130 Versicherungswirtschaft jedoch besonders ausgeprägt. Der Grund
131 hierfür ist einerseits in der geringen Bedarfsintensität,
132 andererseits in der wenig attraktiven Versicherungsleistung selbst
133 zu suchen. Anstatt die Ursachen dieses Handikaps zu beseitigen,
134 ist man in vielen Fällen den vermeintlich leichteren Weg gegangen
135 und hat den Absatz von Versicherungen auf der Basis von
136 Gegengeschäften betrieben. Um diese Methode mit Erfolg anwenden
137 zu können, ist es erforderlich, daß die schwache Position des
138 Versicherungsanbieters durch eine starke Stellung im
139 Gegengeschäft verbessert wird. Wenn sich ein
140 Versicherungsvermittler bereit erklärt, Fernsehtruhe,
141 Waschautomat, Autoradio und Rundfunkgerät gegen Abschluß einer
142 Lebensversicherung oder Rentenversicherung zu kaufen,
143 hat er nur Erfolg unter der Voraussetzung, daß auf diesen
144 Konsumgütermärkten die Bedingungen eines Käufermarktes
145 herrschen. Gegengeschäfte lassen sich grundsätzlich danach
146 unterscheiden, ob sie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem
147 Auftreten des Versicherers als Anbieter auf dem Kapitalmarkt oder
148 in keinerlei Beziehung zu irgendeiner geschäftlichen
149 Tätigkeit des Versicherers stehen. Die mit der
150 Kapitalsammelfunktion verbundene Kapitalanlage kann das
151 Versicherungsgeschäft auf vielfältige Weise unterstützen, sei
152 es, daß die Versicherungsgesellschaft sich eigene
153 Finanzierungsinstitute angliedert und die Vergabe von Krediten mit
154 dem Abschluß von Versicherungen koppelt, oder sei es, daß ein
155 vom Versicherer entsandtes Aufsichtsratmitglied bei jenen Firmen,
156 an denen der Versicherer beteiligt ist, Einfluß auf
157 Versicherungsabschlüsse nimmt. Seine Stellung als Kapitalgeber
158 kann der Versicherer nur solange ausnutzen, als die
159 Kapitalbeschaffung Schwierigkeiten bereitet beziehungsweise der
160 Versicherer besonders günstige Konditionen einräumt. Die
161 vielfältigen Methoden, potentielle Versicherungsnehmer mit Hilfe
162 des Reziprozitätsprinzips zum Versicherungsabschluß zu bewegen,
163 werden als " Akquisitionsabwege " von den Verantwortlichen der
164 Versicherungswirtschaft abgelehnt. Solche Praktiken sind vor
165 allem deshalb unerwünscht, weil sich in ihnen die mangelnde
166 Überzeugung des Versicherungsvermittlers von dem Wert seiner
167 Ware dokumentiert. Auf diese Weise kann in der Öffentlichkeit
168 leicht der Eindruck entstehen, daß man in dem
169 Leistungsversprechen des Versicherers kein Äquivalent für seine
170 Prämienzahlung erhalte. Dennoch sind es nicht nur Außenseiter
171 in der Versicherungsvermittlung, die das Reziprozitätsprinzip
172 anwenden. Für die Lebensversicherung wird beispielsweise
173 offiziell mit dem Hinweis darauf geworben, daß man durch einen
174 Versicherungsabschluß zugleich auch das Recht erwerbe, eine
175 Hypothek von der Versicherungsgesellschaft in Anspruch zu nehmen.
176 Offensichtlich wird dabei übersehen, daß eine solche als
177 Zusatzleistung angepriesene Vergünstigung nichts anderes als ein
178 Gegengeschäft der ersten Kategorie darstellt, das allerdings im
179 Unterschied zu anderen Reziprozitäten den Absatz beleben kann,
180 ohne negative Assoziationen über den Wert der
181 Versicherungsleistung auszulösen. Insbesondere dort, wo
182 Versicherungsabschluß und Gegengeschäft zusätzlich noch in einem
183 gewissen Bedarfszusammenhang stehen, kann die
184 Versicherungsgesellschaft durch ein breites Angebot finanzieller
185 Dienstleistungen von der komplementär verbundenen Nachfrage
186 doppelt profitieren. Restriktion versicherungsbetrieblicher
187 Absatzpolitik. Mit der Untersuchung des Versicherungsmarktes
188 und der Formulierung eines spezifisch versicherungsbetrieblichen
189 Zielsystems sind die Grundlagen für eine Ziel-Mittel-
190 Analyse erarbeitet, die es erlaubt, absatzpolitische Instrumente
191 von Versicheungsbetrieben auf ihre Eignung zu überprüfen. Aus
192 extern determinierten und intern determinierbaren
193 Bestimmungsfaktoren lassen sich generell wie auch im Einzelfall
194 zunächst alle in Frage kommenden Maßnahmen ableiten, die durch
195 das versicherungsbetriebliche Zielsystem in die gewünschte
196 Richtung gelenkt und von Restriktionen in ihrer Durchführung mehr
197 oder weniger stark eingeschränkt werden. Solche Restriktionen
198 sind bereits als Bestimmungsfaktoren versicherungsbetrieblicher
199 Absatzpolitik zur Sprache gekommen und brauchen hier deshalb nur
200 noch systematisch zusammengefaßt zu werden. Staatliche
201 Restriktionen. Darunter fallen alle auf dem Gesetzeswege
202 oder Verordnungswege erlassenen Bestimmungen, die die
203 Dispositionsfreiheit der Versicherer einschränken. Wenn sich der
204 Einfluß des Staates hier stärker bemerkbar macht als in anderen
205 Wirtschaftsbereichen, so deshalb, weil die Ware Versicherung
206 lediglich ein Versprechen darstellt, dessen Erfüllung von der
207 Funktionsfähigkeit des Versicherungswesens abhängt. Erklärtes
208 Ziel der staatlichen Marktordnung ist es daher, diese
209 Funktionsfähigkeit aufrechtzuerhalten, um die Versicherungsnehmer
210 vor Schäden zu bewahren. Kaufleute werden allerdings in ihrer
211 Eigenschaft als Versicherungsnehmer nicht für besonders
212 schutzwürdig erachtet, so daß hauptsächlich Anbieter von
213 Konsumversicherungen durch marktordnende Maßnahmen in ihrer
214 Entscheidungsbefugnis eingeengt werden. Verbandliche
215 Restriktionen. Nicht nur der Staat sieht sich veranlaßt,
216 Substanz und Funktionsfähigkeit der Versicherungswirtschaft durch
217 marktordnende Maßnahmen zu gewährleisten, auch die Anbieter
218 selbst verzichten teilweise auf eine autonome Absatzpolitik
219 zugunsten eines gleichartigen Verhaltens aller Anbieter. In
220 kartellähnlichen Absprachen und sogenannten Wettbewerbsabkommen
221 sind dem einzelnen Versicherer Beschränkungen auferlegt, die
222 jedoch nur selten verbindlich sind. Allerdings wohnt auch den
223 Empfehlungen die Tendenz inne, als verbindlich akzeptiert zu
224 werden. So entwickeln sich beispielsweise Mindestpreise aus
225 verbandlichen Prämienrichtlinien im Laufe der Zeit zu
226 Normalprämien. Hinsichtlich ihrer restriktiven Wirkung
227 unterscheiden sich marktregulierende Maßnahmen des Staates und der
228 Anbieterzusammenschlüsse grundsätzlich in einem Punkt. Sieht
229 man einmal vom Einfluß der Lobby ab, sind die staatlichen
230 Maßnahmen eindeutig extern determiniert, während
231 Kartellabsprachen und Wettbewerbsabkommen Ausdruck kollektiver
232 Marktpolitik sind und lediglich die individuelle Absatzpolitik
233 einengen. Die Bedeutung innerbetrieblicher Schranken.
234 Dienstleistungen können nicht auf Vorrat produziert und gelagert
235 werden, sie werden " erst in ihrer Nutzung selbst existent ".
236 Daher fallen in der Versicherungswirtschaft wie bei anderen
237 Dienstleistungsbetrieben auch Leistungserstellung und
238 Leistungsverwertung zeitlich zusammen. Der Absatz von
239 Versicherungen weist darüber hinaus insofern eine Besonderheit auf,
240 als er gleichzeitig der Beschaffung von Produktionsfaktoren dient.
241 Wegen dieser seiner Doppelfunktion dominiert der Absatz
242 zwangsläufig im Rahmen des betrieblichen Leistungsprozesses.
243 Dennoch müssen absatzpolitische Entscheidungen aus dem Ganzen des
244 Unternehmens heraus getroffen werden, also die Lage in anderen
245 betrieblichen Teilbereichen berücksichtigen, denn sonst gefährden
246 sie unter Umständen das Ganze, obwohl sie im einzelnen
247 erfolgreich sind und eine werbende Wirkung entfalten. Eine
248 Abstimmung ist schon deshalb erforderlich, weil Beschaffungs
249 entscheidungen, Produktionsentscheidungen,
250 Finanzierungsentscheidungen und Absatzentscheidungen
251 infolge beschränkt verfügbarer Mittel voneinander abhängig sind
252 und häufig ineinandergreifen. Diesem Sachverhalt läßt sich
253 grundsätzlich auf zweierlei Art Rechnung tragen. Man geht
254 entweder von demjenigen Teilbereich aus, der bei den Überlegungen
255 den Engpaß bildet, und richtet nach ihm gemäß dem
256 Ausgleichsgesetz der Planung die übrigen Teilbereiche aus oder
257 versucht, in einem simultanen Planungsprozeß alle relevanten
258 Entscheidungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen
259 Abhängigkeit gleichzeitig zu bestimmen. Rechnerich vollzieht sich
260 die Planung in der Weise, daß eine Zielfunktion unter bestimmten
261 Nebenbedingungen zu optimieren ist. Die unternehmerischen
262 Handlungsmöglichkeiten werden also durch ein System von
263 Nebenbedingungen eingeschränkt, zu denen auch die
264 innerbetrieblichen Schranken gehören. Daher determinieren
265 kapazitative und finanzielle Grenzen gewöhnlich Art und Umfang
266 absatzpolitischer Aktivität. Die Bedeutung innerbetrieblicher
267 Schranken ist jedoch beim Absatz von Versicherungen nahezu gleich
268 Null, denn einerseits scheidet die Finanzierung als Engpaß aus,
269 weil der Versicherungsnehmer den Produktionsprozeß vorfinanziert,
270 und andererseits läst sich die Kapazität - wenn auch nicht der
271 Stückzahl, sondern nur der Versicherungssumme nach - mit Hilfe
272 des Produktionsfaktors Rückversicherung beliebig weit ausdehnen.
273 Daher braucht bei der Ableitung zieladäquater Maßnahmen
274 versicherungsbetrieblicher Absatzpolitik die spezielle Lage der
275 übrigen Teilbereiche nicht gesondert berücksichtigt zu werden.
276 Angesichts der bei wechselseitiger Abhängigkeit betrieblicher
277 Teilbereiche auftretenden Probleme einer Simultanplanung
278 erleichtert dieser Umstand erheblich die Entwicklung praktikabler
279 Modelle ebenso wie die Entscheidungsfindung selbst. In dem nun
280 folgenden vierten Teil wird der Versuch unternommen, für
281 Versicherungsbetriebe ein absatzpolitisches Instrumentarium, das
282 den besonderen Absatzbedingungen Rechnung trägt, zu entwickeln
283 und zu zeigen, wie sich sein Einsatz nach Maßgabe des
284 versicherungsbetrieblichen Zielsystems vollzieht. Eine in diesem
285 Sinne als optimal erkannte absatzpolitische Entscheidung müßte
286 unter Umständen für irrelevant erklärt werden, wenn staatliche
287 und verbandliche Restriktionen ihre Durchführung nicht zulassen.
288 Ob solche Schranken existieren und die Entscheidungsbefugnis
289 limitieren, kann jeweils nur im konkreten Einzelfall festgestellt
290 werden. Wegen ihrer vielfältigen Ausprägung und ständigen
291 Wandlung muß ein bloßer Hinweis auf sie unter Verzicht einer
292 detaillierten Darstellung ihres Einflusses genügen. Ein solches
293 Vorgehen empfiehlt sich auch deshalb, weil die Problematik des
294 absatzpolitischen Mitteleinsatzes in allen Ländern im Prinzip
295 dieselbe ist, die Ergebnisse also generalisiert werden können,
296 während der sozio-ökonomische Bezugsrahmen erheblich
297 differiert.
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