Quelle Nummer 162

Rubrik 04 : PSYCHOLOGIE   Unterrubrik 04.02 : FACHWISSENSCHAFTLICH

PSYCHOANALYSE (MITSCHERLICH)
ALEXANDER MITSCHERLICH
VERSUCH, DIE WELT BESSER ZU VERSTEHEN
FUENF PLAEDOYERS IN SACHEN PSYCHOANALYSE
SUHRKAMP VERLAG FRANKFURT 1970, S. 134-143


001  Die Interessenlosigkeit an der Psychoanalyse ist eine viel
002  gefährlichere Widerstandsform als die Verleumdungen irgendwelcher
003  Professoren, die sich in ihrer persönlichen Problematik getroffen
004  fühlten. Trotzdem ist der Artikel im " Esquire " nicht nur
005  nachzüglerisch, er enthält nämlich eine Grundthese der
006  Bahavioristen, die jedermann schaudern machen sollte, es aber
007  keineswegs tut, vielmehr auf die Heerscharen empirischer Forscher
008  durchaus faszinierend wirkt. Es wird dort durchaus mit offenen
009  Karten gespielt. " Einer der Gründe für die Langeweile und
010  Ineffektivität der menschlichen Erziehung lag darin, daß wir nie
011  dazu kamen, genau zu beschreiben (...), welches die definitiven
012  Verhaltensmuster zu sein hätten, die ein erzogenes Individuum
013  zeigen sollte. " Und dann geht es im Hinblick auf die nunmehr
014  verbesserte Technik weiter. " Wenn wir gelernt haben, unsere
015  erzieherischen Ziele in mechanistischen und behavioristischen
016  Begriffen festzulegen, und wenn wir die Situation des
017  Klassenzimmers ausreichend kontrollieren können, dann können wir
018  den Studenten, wenn er etwas lernen will, belohnen und den
019  Erziehungsprozeß ganz außerordentlich beschleunigen. " Eine
020  Erziehung, die auf dieser Ebene angepaßt, hat gar keinen Zugang
021  mehr zur Produktivität menschlicher Konflikte, sie sieht vielmehr
022  in ihnen nur den Hemmschuh im Anpassungsvorgang selbst. Längst
023  ist es zeitgemäß geworden, unbewußte psychische Prozesse, etwa
024  zum Beispiel in der Werbepsychologie, anzuwenden. Von den
025  Empirikern des alten materialistischen Stils konnte man sagen,
026  ihre Bemühungen, physiologisch-chemische Korrelate zu den
027  psychischen Inhalten zu suchen, sei gewiß verdienstvoll. Doch
028  selbst Anhänger der historischen Materialismus schreiben heute:
029  " Für die inhaltliche Erforschung des Psychischen allerdings
030  werden diese Resultate ziemlich irrelevant bleiben. " Die
031  Forscher, die heute menschliches Verhalten studieren, haben sich
032  aus diesem alten unfruchtbaren Streit des psycho-physischen
033  Dualismus zurückgezogen. Für sie ist Verhalten eine Aktivität,
034  die sie zu lenken wünschen, und zwar immer nach den Weisungen
035  eines Auftraggebers. Diese Abhängigkeit, von der dann später
036  nie mehr die Rede ist, gilt es aber weithin sichtbar als
037  Gefahrensignal erster Ordnung kenntlich zu machen. Es ist
038  gleichgültig, in welchem Funktionszusammenhang menschliches
039  Verhalten beeinflußt wird. Ob nun ein Glaubensakt ausgelöst
040  wird für die überlegene Qualität eines Waschmittels oder für
041  die Wirksamkeit eines Gebetes, zum Beispiel den Anruf Gottes,
042  er möge in Vietnam Frieden stiften, in jedem Fall will der
043  Auftraggeber, dem der Glaubenseinsatz zugute kommen soll, die
044  Untadeligkeit seiner Argumente anerkannt sehen. Genau dieser
045  Anspruch muß, damit sich menschliches Verhalten absichtsgemäß
046  abspielt, im Versprechen gewahrleistet sein. Vor dem inneren
047  Auge des Individuums muß verschwinden, " daß die Kirche
048  vielfach bis zur Unkenntlichkeit und vor allem bis zur
049  Handlungsunfähigkeit mit den wirtschaftlichen und politischen
050  Strukturen verfilzt ist ", und das es deshalb " Heuchelei " ist,
051  wenn sie Gott für den Frieden in Vietnam anrufen läßt.
052  Vielleicht noch erfolgreicher, als dies in der Vor-Freudschen
053  Zeit möglich war, weil es durch Ausbreitung seiner Erkenntnisse
054  geschieht, werden die wahren Machtinteressen versteckt gehalten,
055  während etwa kunstvoll erzeugte Konflikte - welches Waschmittel
056  ist das bessere, welches soll ich wählen - mit der Vortäuschung
057  einer liebenswerten Sicherheit aufgelöst werden dadurch, daß ich
058  zum Kauf des Angebotenen schreite. Die ursprüngliche Tendenz
059  der fragenden Bewußtseinserweiterung korrumpierend, werden von den
060  Behavioristen Techniken der Verhaltensbeeinflussung entwickelt,
061  welche die Introspektion des Individuums überhaupt nicht mehr
062  beanspruchen, sondern im Stil der Abrichtung den Patienten wie
063  den Käufer neu konditionieren. Längst ist das, was man von der
064  Psychoanalyse abschauen konnte, aus dem ursprünglichen
065  therapeutischen Zusammenhang herausgelöst und in die Beeinflussung
066  von Großgruppen wie Wählern und Konsumenten eingegangen. Der
067  entscheidende Unterschied zum eigentlich psychoanalytischen Ansatz
068  ist unschwer aufzuzeigen. Die Psychoanalyse hat es mit unbewußt
069  verlaufenden Mechanismen, etwa mit Abwehrvorgängen in
070  konflikterzeugenden Situationen, zu tun. Sie versucht, Einfluß
071  auf das dort ausgelöste Verhalten zu erlangen, etwa zu erreichen,
072  daß eine Verdrängungsleistung rückgängig gemacht wird. Wobei
073  sich die Mühe anschließt zu verhindern, daß die neu
074  aufgetauchten Inhalte alsbald erneut dem Bewußtsein verlorengehen.
075  Dieser ganze Aufwand geschieht insgesamt in der Absicht, die
076  kritische Kraft des Individuums zu stärken. Es soll lernen, in
077  kritisch-bedrohlichen Situationen den eigenen Lösungsweg zu
078  finden, anstatt blindlings Opfer in ihm bereitliegender,
079  infantiler Lösungsmuster von Konflikten zu werden. Ein Ich,
080  das sich zutrauen kann, seine Konflikte bewußt zu erleben, ist
081  für die analytische Methode das Ziel der Anstrengung. Die
082  Ausbeutung der analytischen Erkenntnis für pragmatische
083  Manipulationstechniken muß man im allgemeinen Zusammenhang eines
084  Widerstands gegen die Selbstverantwortung verstehen. Diese
085  Haltung, die sich antianalytisch auswirkt, ohne aus einer
086  eigentlichen Auseinandersetzung mit der Analyse erwachsen zu sein,
087  wird durch die Unselbständigkeit des Einzelnen im
088  Produktionsprozeß und sein Enthobensein von Entscheidungen, die
089  ins Gewicht fallen, permanent gefördert. An diese Vertreibung
090  massenhaft vieler Individuen aus der Zone der Entscheidungen, die
091  letztlich ihr Leben bestimmten, heften sich durchaus gegen die
092  Analyse gerichtete Affekte an. Nicht wenige Situationen in den
093  letzten Jahren und Monaten haben gezeigt, daß die Analyse nur
094  solange auf einigermaßen freundliche Behandlung rechnen kann, als
095  es noch unentschieden ist, ob sie sich nicht dem einen oder anderen
096  Auftraggeber zur Verfügung zu stellen bereit ist. In all diesen
097  Korruptionsversuchen wiederholt sich ein und derselbe Vorgang.
098  Die potentionellen Auftraggeber sind vielleicht an der verbesserten
099  Lebenssituation von großen Gruppen oder gar der Menschheit
100  intressiert, aber nicht primär am Schiksal des Individuums im
101  Sinne seiner kritischen Erlebnisfähigkeiten und
102  Denkfähigkeiten. Die Analyse kennt keinen anderen Auftraggeber
103  als das gemeinsame Wahrheitsstreben von Analysandem und Analytiker.
104  Diese Koalition, die im Erkenntnisvorgang so vielfachen
105  Belastungen ausgesetzt ist, wird nur dann nicht zerbrechen, wenn
106  die Suche nach einer Wahrheit fühlbar bleibt, die nicht schon vor
107  Beginn dieser Suche einem Dienstherrn untertan war. Indem die
108  Wirklichkeit bei dieser Suche zur Wahrheit wird, zur Wahrheit
109  über die Motive unseres Verhaltens, erkaltet Psychoanalyse aber
110  nicht zu einem Instrument, das seinerseits sich für jedermanns
111  Zwecke verwenden Ließe. Analyse ist nur dort etwas anderes als
112  eroberndes Eindringen in seelische Eigenwelt, wo das Ziel, das
113  mit der Aufdeckung der unbewußten Motive hysterischer
114  Erkrankungen erstmals gesetzt, schließlich weiter hinausverlegt,
115  aber nicht in der Richtung verändert wurde, klar erkennbar bleibt:
116  die Anstrengung, zu den eigenen Triebbedürfnissen und den
117  Wertvorstellungen und Unwertvorstellungen der eigenen
118  Gesellschaft Aktionsspielraum, Distanz zu gewinnen.
119  Terroristisch autoritäre Regierungsformen, aber ebenso
120  terroristisch angelegt, an der Oberfläche unpolitisch erscheinende,
121  Konsumzwänge der Produzenten, die abertausend Abschattierungen
122  zwischen scheinbarer Freiwilligkeit und offener Gewalt sind gerade
123  nicht am massenhaften Erwerb innerer Triebdistanz und der
124  kritischen Betrachtung oktroyierter Herrschaftsformen interessiert.
125  Immer soll der Lenkungseffekt soweit internalisiert werden, daß
126  er selbstätig als Über-Ich-Forderung zur Geltung kommt.
127  Hat die Konsumwerbung mit dem Aufbau des persönlichen
128  Wertgefühls zu tun, das sich an einem vom Warenbesitz markierten
129  Prestige mißt, so ist es in den politischen Werbungen die
130  moralische Persönlichkeit, die ins Spiel kommt. Indem sich das
131  Individuum fremden, aber autoritär fordernden Meinungen, Lehren,
132  Verhaltensformen hingibt, gewinnt es ein neues, das heißt auf
133  einen neuen sozialen Rahmen (etwa eine revolutionäre Gruppe,
134  eine Partei) bezogenes Selbstgefühl. Dieses Paradox des
135  subjektiven Selbstgefühls durch Selbstentfremdung, eben durch die
136  Hingabe an kollektivierende Verhaltensweisen ist so neu nicht.
137  Freud sprach den Vorgang am Beispiel der so früh als möglich zum
138  Einsatz kommenden Praktiken religiöser Erziehung an. Die
139  Neuigkeit besteht nur darin, daß sektiererische Zusammenschlüsse
140  in unsere Zeit rasch geschehen und ebenso rasch wieder zerfallen;
141  daß sich aber auch meinungshomogene Riesenterritorien bilden
142  (China, Rußland), in denen solchen Individuen, die sich in
143  einer abweichenden Ich-Identität verwirklichen wollen, nicht
144  gerade Freundliches widerfährt. Gemessen an der Größenordnung
145  solcher kollektiver psychischer Vorgänge wie der chinesischen
146  Kulturrevolution oder dem Einspielen des Selbstbewußtseins der
147  russischen Öffentlichkeit auf einen kleinbürgerlichen
148  Konformismus, nehmen sich die psychoanalytischen Versuche,
149  seelische Vorgänge im Individuum zu entwirren und damit seine
150  Selbstentfremdung schrittweise aufzuheben, bedeutungslos aus. Wir
151  stehen immer noch in der zweiten Etappe des Widerstandes gegen die
152  metapsycholigischen Grundannahmen der Psychoanalyse. Es ist also
153  noch offen, ob sie zur historischen, endgültigen
154  Einflußlosigkeit verurteilt ist, oder nur zu einer vorläufigen,
155  augenblicklichen. Nicht ganz am Ende der Prozesse, die auf diese
156  Entscheidung Einfluß haben werden, steht die intellektuelle
157  Kraft der Psychoanalytiker selbst, den Verführungen dessen zu
158  widerstehen, was wir das wissenschaftspositivistische
159  Einparteiensystem genannt haben. Der Mut, wie man solche Lagen
160  durchsteht, die taktische Perspektive, ist bei Freud durchaus
161  abzuschauen. Freuds Sexualtheorie und die notwendige
162  Aufklärung der Erwachsenen. Nach Entdeckung der Wirkung
163  eines " Gegenwillens " in der Hysterie, daß heißt der
164  Wirksamkeit abgewehrter, vom bewußten Wissen ausgeschlossener
165  Wünsche, nach Erforschung der Traumentstehung als eines sinnhaft
166  determinierten seelischen Geschehens, waren die " Drei
167  Abhandlungen zur Sexualtheorie " der nächste Schritt S.
168  Freuds zur Aufklärung eines bisher unzureichend verstandenen
169  seelischen Verhaltens, der Psychoneurosen. Die
170  Erscheinungsjahre der Studien über Hysterie, 1895, der
171  Traumdeutung, 1900, und der Drei Abhandlungen, 1905, markieren
172  die Epoche im Schaffen Freuds, in der er - wie wir berichteten
173  - in zunehmender Vereinsamung die Fundamente der Psychoanalyse
174  legte, haltbare Fundamente, die den weiteren Aufbau der Lehre
175  trugen und uns heute so wegweisend geblieben sind wie zur Zeit ihres
176  Erscheinens. In einer Epoche, in der sich die fortschreitende
177  Aufklärung der Naturvorgänge in großer Breite und in raschem
178  Fluß vollzieht, ist solche Beständigkeit, wie ebenfalls schon
179  vermerkt, die seltene Ausnahme. Nun wird aber gerade die
180  Behauptung, daß Freuds Analyse der Entwicklungsprozesse der
181  Sexualität zutreffend sei, nach wie vor bestritten. Freud selbst
182  bedarf kaum eines Kommentars. Die ganze Fülle seiner Ideen,
183  die er mit so großer Sprachkraft vermittelt hat, wird sich
184  vielleicht nur dem erschließen, der diese Gedanken zur Basis
185  seiner eigenen Arbeit gewählt hat. Es mag nützlich sein,
186  einiges vom Verhältnis dieser Ideen zu den Vorstellungen und
187  Werten, nach denen sich unsere Gesellschaft orientiert, zu
188  skizzieren. Freud erkannte, daß die reife, den
189  Geschlechtspartner suchende Sexualität bis zu diesem Augenblick,
190  in dem sie diese bedeutende Rolle im Leben des Menschen erlangt,
191  biologische Vorformen, eine lange prägenitale Entwicklung
192  durchlaufen hat. Die Vielfalt kulturspezifischer sexueller
193  Zeremonielle, die unabsehbare Verschiedenheit der Ausdrucksformen
194  der geschlechtlichen Triebäußerungen in den Individuen, beruhte
195  also nach seiner Auffassung nicht nur auf der unbekannten
196  konstitutionellen, erbvermittelten Verschiedenheit der
197  Anlagefaktoren, sondern auf einer Entwicklung dieser Anlage unter
198  dem Einfluß des Gruppenverhaltens. Der Blick auf diese
199  Zweiheit von biologischen Reifungsschritten und Umweltreaktionen
200  auf sie, die ihnen günstig oder hemmend begegnen, macht erst das
201  Verständnis der normalen wie der dissoziierten Entwicklung beim
202  Einzelnen aus. Die Abbremsung der fortschreitenden
203  Vereinheitlichung sexueller Befriedigungen im " Primat der
204  Genitalität " durch traumatische Ereignisse oder traumatisierende
205  Dauerbeeinflussung gab den Schlüssel für die Erklärung
206  krankhafter Zustände der verschiedensten Art. Was wir seither zu
207  sehen gelernt haben, ist nicht, daß die Annahmen Freuds
208  einseitig waren, wie oft behauptet wurde, sondern daß die
209  Auswirkungen viel weiter reichen, als Freuds vorsichtige, auf
210  seinen Beobachtungen an Psychoneurosen gewonnene Einschichten
211  zeigten. Vor allem konnten die ihm folgenden Forscher beobachten,
212  daß die Ausdrucksweisen gehemmter Sexualentwicklung, also die
213  krankhaften Symptome, sich mit den Wandlungen der
214  Gesellschaftsstrukturen und Lebensbedingungen dauernd umformen.
215  Die Hypothese, die am Beginn stand, mußte deshalb nicht
216  geändert werden: das nämlich bestimmten " affektbesetzten
217  Vorgängen, Wünschen und Strebungen ", denen im Lauf der
218  leibseelischen Entwicklung " der Zugang zur Erledigung durch
219  bewußtseinsfähige psychische Tätigkeit versagt worden ist ",
220  nur noch der Weg zur krankhaften, störenden Äußerung
221  offenbleibt. Für eine geschwürige Dickdarmerkrankung (Colitis
222  ulcerosa), für einen hartnäckigen Kopfschmerz oder ein Ekzem
223  gilt die genau gleiche Formel wie für eine hysterische Gehstörung,
224  " daß im Zustand des Unbewußten zurückgehaltene
225  Gedankenbildungen nach einem ihrem Affektwert gemäßen Ausdruck,
226  einer Abfuhr streben ". Durch die in den " Drei Abhandlungen "
227  erstmals gebotene Zusammenschau der Entwicklungsebenen der
228  Sexualfunktionen ist klargeworden, wie vielfältig eine normale
229  Geschlechtsreifung auf die Befriedigung der mit den erogenen Zonen
230  verbundenen Organsysteme angewiesen ist und wie sehr diese Reifung,
231  beginnend mit der ersten Stufen der zwischenmenschlichen
232  Beziehungen, von verstehender Mitmenschlichkeit abhängt. Bei
233  der biologischen Bedeutsamkeit der Sexualität für die Erhaltung
234  der Art ist es schwer zu verstehen, wie die Annahme Freuds, der
235  Sexualtrieb steuere den " einzig konstanten Anteil " im
236  Geschehen der Neurosen bei und sei ihre " wichtigste
237  Energiequelle ", solche Ablehnung finden konnte. Zwar ist es
238  verständlich, daß die elementare Abhängigkeit von
239  Triebbedürfnissen, die unser nach Freiheit strebendes Ich zu
240  spüren bekommt, zur Auflehnung reizt - wie sie die Askese übt
241  - oder zu der philiströsen Selbsttäuschung verführt, die
242  Bindung sei gar nicht so zwingend. Weniger entschuldbar ist es,
243  wenn solche Äußerungen sich in wissenschaftlichem Zusammenhang
244  finden; wo dies geschieht, weisen sie auf die Fortdauer jener
245  " Denkabschreckung " hin, die als kulturelles moralisches Klima
246  immer der Forschung die Grenzen abstecken möchte. Dies kann
247  nicht dazu verführen, die bedeutende Aufgabe - Denkaufgabe -
248  zu unterschätzen, unsere " ethischen Pflichten " aus dem Stand
249  unseres Wissens immer wieder neu zu begründen. Freuds Forschung
250  hat idealistische, realitätsleugnende Vorstellungen über die
251  menschliche Kindheit zerstört. Er hat eine Angst vor Wünschen
252  wiederbelebt, die in uns allen weckbar ist und die ein Mechanismus
253  des Selbstschutzes mit vergessenheit deckt. Wie wirkt aber das
254  verdrängte nach? Um diese Konsequenz geht es. Man wird an
255  große Beispiele der Geschichte erinnert.

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