Quelle Nummer 155

Rubrik 13 : GESCHICHTE   Unterrubrik 13.03 : TEILGEBIETE

VERWALTUNGSGESCHICHTE
FRANZ-LUDWIG KNEMEYER
REGIERUNGS- UND VERWALTUNGSREFORMEN IN DEUTSCHLAND
ZU BEGINN DES 19. JAHRHUNDERTS
ALS HABILITATIONSSCHRIFT AUF EMPFEHLUNG DER RECHTS-
WISSENSCHAFTLICHEN FAKULTAET DER RUHR-UNIVERSITAET
BOCHUM GEDRUCKT MIT UNTERSTUETZUNG DER DEUTSCHEN
FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT
G. GROTE'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG KG KOELN UND BER-
LIN 1970, S. 242-248


001  In ähnlicher Art wie unter Malchus in Westphalen wurden die
002  notwendigen Unterlagen für die Einteilung im norddeutschen Raum
003  geschaffen. Besonders die Arrondissementseinteilung bereitete die
004  Regierungskommission relativ gründlich umsichtig vor. Um die
005  notwendigen statistischen Unterlagen zu erhalten, fanden
006  Befragungen am Sitz der Organisationskommission in Hamburg statt.
007  Hierzu waren erfahrene Verwaltungsbeamte der noch amtierenden
008  Zentralbehörden der einzelnen Territorien geladen. Zudem wurden
009  französische Staatsauditeurs in die einzelnen Departements gesandt,
010  um das durch die Befragung en erlangte Material zu
011  vervollständigen. Da diese Gebite Teile des Kaiserreichs werden
012  sollten, war man bestrebt, die nordwestdeutschen Departements
013  weitgehend den französischen anzugleichen. Die weitere
014  Untergliederung wurde, wie auch in anderen französischen Gebieten
015  üblich, den dann eingesetzten Präfekten und Unterpräfekten
016  überlassen. Diese Maßnahme bedeutete jedoch nicht, daß damit
017  die Gliederung der Kantone und Municipalitäten besonders
018  ortskundigen Beamten anvertraut wurde, da jedenfalls die
019  Präfekten sämtlich nicht aus Norddeutschland stammten. Auch die
020  Einteilung der Kantone und Municipalitäten folgte dem
021  französischen und bergischen Muster, nicht jedoch der besonders
022  gearteten Landesgliederung im Königreich Westphalen. - Der
023  französische Innenminister hatte vorgeschrieben, die Zahl der
024  Gemeinden in jedem Kanton nach den örtlichen Gegebenheiten und
025  Interessen zu fixieren. Es sei vornehmlich auf die Entfernung zum
026  Hauptort des Kantons sowie auf die Einwohnerzahl zu achten.
027  Insbesondere sollten die Hauptorte im Zentrum der Kantone gelegen
028  sein. Eine im Königreich Westphalen gemachte Erfahrung wurde
029  wie vorher bereits im Großherzogtum Berg in der Anweisung
030  verwertet, daß Kirchspiele möglichst ungeteilt bleiben sollten.
031  Auf diese Weise konnten Anordnungen der Verwaltung leicht durch
032  Kanzelverkündung der Bevölkerung weitergeleitet werden. Eine
033  Empfehlung des Präfekten Keverberg, das westphälische System
034  insgesamt zu adoptieren und Kantone nicht mehr in Gemeinden zu
035  unterteilen, wurde von der Kommission zurückgewiesen. In den
036  hanseatischen Departements komme es darauf an, das französische
037  Muster in vollem Umfang zu verwirklichen. Die französischen
038  Kantone seien aber im Gegensatz zu den westphälischen erheblich
039  größer. Zudem kenne das französische Verwaltungssystem keine
040  Kantons-Mairs. Daher sollte in jedem Kanton wenigstens zwei,
041  nach Möglichkeit aber mehr Kommunen werden. Die
042  Kirchspieleinteilung war jedoch beibehalten. Um das französische
043  Verwaltungssystem in seiner reinen Ausgestaltung einführen zu
044  können, mußten die in dem ehemals westphälischen Arrondissement
045  Minden vorgefundenen Kantonsmunicipalitäten aufgehoben werden.
046  Die in kurzer Zeit bewährte Einrichtung der Kanton-Maires
047  wurde abgeschafft. Man bildete in Anlehnung an die alten
048  Kirchspiele Mairien. Durch die Erfahrung belehrt, folgte man
049  jedoch recht bald dem westphälischen Muster und setzte zur
050  Instruktion und Überwachung der Ortsmaires Kantonsprädident
051  (Kantons-Maires) ein. Im statistischen Jahrbuch 1813 für
052  das Oberemsdepartment findet sich eine Liste der inzwischen
053  ernannten Kantonspräsidenten. Diese waren mit fünf Ausnahmen
054  wie in Westphalen zugleich ihrer Wohnorte. So wurde auch hier wie
055  etwa gleichzeitig im Rheinland durch die Bildung von Samtgemeinden
056  den besonders gelagerten räumlichen und bevölkerungsmäßigen
057  Verhältnissen Rechnung getragen und das französische System
058  modifiziert. Am 4.Juli 1811, ein halbes Jahr nach Beginn
059  der Kommissionsarbeiten, war die Territorialeinteilung
060  abgeschlossen. Auch sie zeigte, wie zahlreiche Reklamationen
061  ergeben, große Mängel. Doch bezogen sich die Klagen
062  vornehmlich auf die Begrenzung der Mairie-Bezirke. Den
063  Änderungswünschen der einzelnen Kommunen wurde jedoch nur in
064  seltensten Fällen stattgegeben. Es ist freilich zu beachten,
065  daß selbst bei der sorfältigsten Berücksichtigung aller
066  Interessen sowie der geografischen, wirtschaftlichen und
067  kirchlichen Verhältnisse Klagen vorkommen mußten, da es bei
068  jeder Einteilung Gemeinden geben wird, die sich zurücksetzt und
069  in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht glauben. Wenn auch
070  nicht manche Flüchtigkeit bei der Einteilung übersehen werden
071  soll, so dürfen dennoch nicht alle eingegangenen Klagen zu Lasten
072  der Planer gehen. Neben diesen mehr politischen Schwierigkeiten
073  und Widerständen hatten die Organisationskommissare und die sonst
074  mit der Gebietseinteilung betrauten Beamten allenthalben mit nicht
075  unbeträchtlichen technischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Es
076  mangelte nicht allein an brauchbaren Landkarten. Auch die
077  befragten Unterbehörden, Bürgermeister und Landräte sowie
078  kirchliche Stellen konnten zumeist keine genauen Angaben machen.
079  Aus den Berichten der preußischen Regierung geht hervor, daß
080  fast keine Regierung sich über die genauen Ausmaße, den Umfang
081  und die bestehende Kreiseinteilung ihres Bezirks restlos klar war.
082  Statistische Nachrichten erwiesen sich, soweit sie überhaupt
083  vorhanden waren, nicht selten als unzureichend, die Kraten als
084  schlecht. Es waren umfangreiche Rückfragen bei den Ortsbehörden
085  erforderlich, um zunächst das statistische Material für die
086  erforderliche Einteilung zu sammeln. Vor ähnlichen Problemen
087  hatte sich Preußen bei der Einteilung Ansbach-Bayreuths und
088  der Erwerbung in SüdPreußen und Neuostpreußen
089  gesehen. Wie notwendig die statistische und kartographische
090  Vorarbeit war, erhellt u. a. aus den Möngeln der ersten
091  westphälischen Einteilung vom grünen Tisch aus. Erst nach
092  Verkündung der Landeseinteilung stellte sich heraus, daß kleine
093  Orte aus Mangel an statistischem Material zu Kantonshauptorten
094  erklärt waren, Gemeinden zu einer Kantonsmunicipalität verbunden,
095  die nichts miteinander gemein hatten. Kleinstgemeinden in
096  Streusiedlungslage waren getrennt worden. Gebiete, die
097  gewerbsmäßig und kirchlich zusammengehörten, hatte man
098  auseinandergerissen. Vor allem aber hatte man in Unkenntnis der
099  Größe der einzelnen Gemeinden viel zu viele Kantone und
100  Municipalitäten geschaffen. Zu einer ähnlich mangelhaften
101  Territorialeinteilung war es gekommen, als im Jahre 1797 in Paris
102  ein Einteilungsplan für das linksrheinische Gebiet entworfen
103  worden war. Hier war jedoch die Unzulänglichkeit bereits im
104  Stadium der Planung erkannt worden und dem Regierungskommissar des
105  Rheinlandes, Rudler, der Auftrag erteilt worden,
106  offensichtliche Falschentscheidungen und Fehler selbst zu
107  beseitigen. Der französische Justizminister Lambrecht gab in
108  einem Begleitschreiben zur Territorialeinteilung offen zu, daß
109  trotz sorgfältiger Bearbeitung und der Zuziehung mehrerer
110  Deutscher zu den Arbeiten mit einer ganzen Reihe von Fehlern
111  gerechnet werden müsse. Es dürften nicht nur Ortsnamen völlig
112  verändert, sondern eventuell auch die Namen eines Hofes, einer
113  Burg oder ähnlicher Punkte für den eines Ortes gehalten worden
114  sein. So könne etwa ein Hof zum Hauptort eines Kantons gemacht
115  worden sein. Wichtige Orte habe man unberücksichtigt gelassen,
116  weil sie sich nicht auf den Karten fänden. Andere dagegen, die
117  wegen ihrer Lage auf der Karte zu einer Municipalität
118  zusammenzufassen seien, könnten eventuell durch einen Fluß
119  getrennt sein, oder es bestände die Möglichkeit, daß sich
120  sonstige Hindernisse auftäten. Hiermit seien nur einige
121  Fehlerquellen angeführt. Diesem ersten mißglückten Versuch
122  einer eingehenden Territorialorganisation von der Zentrale aus ist
123  kein weiterer gefolgt. Vielmehr hat die Regierung in Paris bei
124  späteren Landeseinteilungen allein die Departementsgrenzen im
125  wesentlichen festgelegt. Doch diesen Schwierigkeiten technischer
126  Natur versuchte man später allenthalben durch umfangreiche
127  statistische Erhebungen zu entgehen. Hier erwies sich der
128  Fragebogen als ein ausgezeichnetes Hilfsmittel. Auf die
129  Schwierigkeiten politischer Art, die Widerstände seitens der
130  Kreisbevölkerung, der Kreisstände und der Städte, die
131  unruhige gesamtpolitische Situation wird im Rahmen einer Analyse
132  der Reformhemmnisse näher eingegangen werden. Nur wenige
133  Überlegungen zum " Flußdepartment " seien angeführt, da
134  Schulze glaubt, in der Verwaltungsgliederung auch
135  wirtschaftspolitische Gründe berücksichtigt zu finden. Diese
136  Frage bedarf noch eingehender Erforschung. Mit aller
137  Zurückhaltung glaube ich jedoch bereits jetzt feststellen zu
138  können, daß wirtschaftspolitische Gründe und
139  " Strukturförderungsüberlegungen " bei der Territorialeinteilung
140  jedenfalls keine sichtbare Bedeutung erlangt haben. Anderer
141  Meinung ist Berthold Schulze, der in seiner grundlegenden
142  Abhandlung über die Reform der Verwaltungsbezirke in Brandenburg
143  und Pommern auch auf die französische T erritorialeinteilung kurz
144  eingeht. Er glaubt in der Gebietseinteilung des Rheinlandes
145  erstmals die Beachtung wirtschaftsgeographischer Gesichtspunkte
146  erkennen zu können. Die französische Organisation des
147  Rheinlandes habe die Einrichtung der nach Flüssen orientertern
148  Verwaltungsgebiete nach Deutschland verpflanzt und damit den
149  Versuch gemacht, Wirtschaftsgebiete zusammenzufassen. Es trifft
150  zwar zu, daß sich Wirtschaftsgebiete zumeist gleichermaßen an
151  beiden Seiten von Flüßen erstrecken. Doch die von Schulze
152  gezogene Folgerung, mit der Einrichtung von Lußdepartments seien
153  bewußt auch wirtschaftspolitische Überlegungen berücksichtigt
154  worden, ist keineswegs zwingend. Eine notwendige Folge braucht
155  nicht Anlaß oder Mitbeweggrund für die Verwaltungsgliederung
156  gewesen zu sein. Es bedürfte schon näherer Anhaltspunkte zum
157  Beleg dieser Behauptung. Der Fehlschluß wird deutlich, wenn
158  Schulze aus dem in Preußen seit 1815 in der Tat befolgten
159  Grundsatz, beide Ufer eines Flusses zu einem Regierungsbezirk zu
160  schlagen, auf die Berücksichtigung wirtschaftspolitischer und
161  wirtschaftsgeographischer Überlegungen schließt. Währens der
162  Grundsatz des Flußdepartments in den französichen Plänen und
163  Instruktionen nicht auftaucht, hat er in den preußischen eindeutig
164  verwaltungstechnische Bedeutung. So wird in einem der zahlreichen
165  Promemoria des preußischen statistischen Büros des Jahres 1811
166  angeführt, die Oder müsse insbesondere wegen der Strompolizei
167  und der Deichbauten mit den beiden Ufern zu einem Department
168  (Regierungsbezirk) gehören. In Grundsätzen zur Kreiseinteilung
169  heißt es: " Flüsse sind keine guten Grenzen, vielmehr müssen
170  beide Ufer zu einem Kreise gehören. Hingegen eignen sich kleine
171  Gewässer, Bache sehr als Grenzlinie, ebenso Wälder,
172  Moräste, Gebirgskämme und Wasserscheiden. " In den
173  Reskripten und Anweisungen zur Gebietsreform finden sich darüber
174  hinaus lediglich Hinweise auf Berücksichtigung besonderer
175  grundherrschaftlicher und städtischer Verbindungen verschiedener
176  Güter, Pertinenzien, Vorwerker oder Güter, die durch
177  Servituten zusammengehören. Besitznexus und Lehnsnexus
178  sollten durch die Kreisreform nicht auseinandergerissen werden. In
179  einer Kreiseinteilungsinstruktion des Jahres 1815 klingt eine
180  Berücksichtigung landwirtschaftlichen Raumes und der " damit
181  verbundenen Gewerbe " an. Allein die Kirchspiele scheinen als
182  aufeinander zugeordnete Räume immer anerkannt worden zu sein.
183  Vorerst kann allein festgestellt werden, daß der Grundsatz des
184  Flußdepartments als Verwaltungsbezirk in Preußen seit 1815
185  anerkannt war und verwirklicht wurde. Flußdepartments finden sich
186  auch im süddeutschen Raum. Entgegen der Ausgangsfeststellung von
187  Schulze wurden sie gerade in den französischen Gebieten auf
188  deutschem Boden nur in Ausnahmefällen gebildet. Weser, Lippe
189  und Ems hatten auf weiten Strecken Grenzfunktioen. Vor allem im
190  südlichen Königreich Westphalen haben sich die Department
191  grenzen und Arrondissemetnsgrenzen ebenso wie die
192  Kantonsgrenzen in sehr vielen Fällen am Flußlauf orientiert.
193  Ein in den Plänen und Instruktionen nicht ausgesprochener
194  Grundsatz ist m. E. aus der späteren Verwaltungsgliederung
195  selbst nicht abzulesen, Die Verwaltungsgliederung zumindest der
196  Franzosen in Deutschland hat den Grundsatz, daß Flüsse in
197  höherem Maße verbindend als trennend wirken, jedenfalls nicht
198  angewandt. Erst in den preußischen Reformen wurde es ein
199  wesentlicher Gesichtspunkt, daß Flusse oder Flußabschnitte
200  möglichst mit beiden Ufergebieten einem Department zugehören
201  sollten. Zu seiner Begründung wurden jedoch wenigstens seinerzeit
202  verwaltungstechnische und nicht wirtschaftsgeographische
203  Überlegungen ausgeführt. DURCHFÜHRUNG DER
204  REFORMEN. PLANVERWIRKLICHUNG.
205  Die Verwirklichung der Reformpläne oder ihre Stornierung weist
206  nicht weniger große Unterschiede auf als die Vielfalt der Pläne
207  selbst. Anhand der Planverwirklichung in den einzelnen deutschen
208  Ländern ist es möglich, eine breite Skala der
209  unterschiedlichsten Reformarten zu erstellen. In diesen Katalog
210  sollen auch nicht verwirklichte Reformgedanken aufgenommen werden,
211  um zu zeigen, woran die Durchführung im einzelnen scheitern konnte.
212  Manche Pläne wurden nicht verwirklicht, weil die Regenten
213  selbst und ihre Berater die Reformnotwendigkeiten nicht erkannten.
214  Andere Pläne schieden aus, weil sie das Reformziel verfehlt
215  hätten. Wieder andere sollten zwar nach Meinung der Regierung
216  verwirklicht werden, wurden aber später zurückgestellt, weil die
217  Durchführung zu kostspielig war, weil man Rücksichten auf
218  bestehende Verhältnisse nehmen mußte, oder weil man schließlich
219  doch glaubte, in den eingefahrenen Gleisen ebensogut voranzukommen.
220  - Auf der anderen Seite standen Pläne für eine umfassende
221  Neuorganisation, die uno actu verwirklicht wurden. Daneben gab es
222  Reformprogramme geringerer Tragweite, die durchgeführt wurden und
223  damit die Reformperiode beendet. - Die Vielzahl der Pläne
224  wurde dagegen schrittweise erfüllt und erreichte nicht selten erst
225  nach wesentlichen Korrekturen ihr Ziel. Die Korrekturen konnten
226  von äußeren Einflüssen, etwa einem Wechsel in der
227  Regierungsspitze, oder durch Eingriffe etwa Napoleons, aber auch
228  durch einen Vorstellungswandel der Reformer selbst oder von
229  praktischen Notwendigkeiten bestimmt sein. - Wieder andere
230  Pläne wurden nur teilweise verwirklicht oder erst nach Erprobung
231  und Korrektur einer endgültigen Organisation zugrunde gelegt.
232  Bei all den verschiedenen Arten der Durchführung war es weiterhin
233  von Bedeutung, auf welcher Verwaltungsebene die Reformen
234  verwirklicht werden sollten. Außerdem zeigten sich wesentliche
235  Auswirkungen für die Durchführung je nachdem, ob die
236  Organisation in den Stammladen, in neuen Provinzen oder als
237  Fremdreform (Westphalen) durchgeführt wurde. Zudem war es
238  keineswegs unerheblich, wer mit der Durchführung betraut wurde und
239  in welchem Umfang ihm Beschränkungen auferlegt waren. " Und die
240  Ausführung noch so guter Ideen hängt hauptsächlich von äußeren
241  Verhältnissen und von äußerem Druck ab; sie kann durch diese
242  erschwert und gehemmt oder wohl ganz vereitelt werden. " Die
243  nachfolgenden Beispiele werden der Zusammenstellung der
244  Reformarten in wesentlichen folgen. Das kann freilich nicht
245  bedeuten, daß alle in eine bestimmte Gruppe eingefügten
246  Maßnahmen nuancenlos gleich gewesen seien. Trotz der
247  gruppenweisen Differenzierung sollen Besonderheiten innerhalb
248  dieser Gruppe keineswegs übersehen werden.
249  UNVERWIRKLICHTE REFORMPLÄNE. Gerade
250  die Gründe dafür, daß Reformpläne zurückgestellt oder nicht
251  berücksichtigt wurden, haben besondere Bedeutung für die
252  Erkenntnis der vielseitigen Voraussetzungen einer
253  Planverwirklichung. Das Königreich Sachsen liefert ein
254  Beispiel dafür, wie sowohl innerbehördliche als auch private
255  Reformpläne nicht berücksichtigt wurden, obwohl die
256  Reformbedürftigkeit der Verwaltungsorganisation weitgehend erkannt
257  war. Die keineswegs umstürzlerischen Pläne einer staatlichen
258  " Wiederaufhelfungskommission " wurden trotz Befürwortung der
259  obersten Verwaltungsbehörde (des geheimen Konsiliums) durch die
260  unmittelbaren Ratgeber des Königs, das geheime Kabinett,
261  abgelehnt. Diese Ablehnung erfolgte keineswegs aus sachlichen
262  Gründen, sondern allein deshalb, weil der Kreis um den König
263  keinerlei Reformen wünschte. Die Mitglieder des geheimen
264  Kabinetts waren mit dem König in der seit 200 Jahren bestehenden
265  Staatmaschinerie alt geworden. Sie sahen weder die Notwendigkeit
266  einer Vereinheitlichung des Landes noch einer Angleichung der
267  vielen verschiedensten Verfassungen und Privilegien der einzelnen
268  Landesteile. Auch die dualistische Verwaltungsorganisation blieb
269  erhalten. Der König hat sein im Jahre 1806 den Ständen
270  gegebenes Versprechen gehalten und ihre Rechte gewahrt.
271  Gesichtspunkte einer zweckmäßigen, effektiv gestalteten
272  Staatsverwaltung fanden kein Gehör. Ein wesentlicher Grund für
273  dieses Festhalten am alten war die besonders starke Stellung des
274  Adels in Sachsen. Er konnte durch Verwaltungsreformen nur
275  verlieren.

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