Quelle Nummer 152

Rubrik 09 : WIRTSCHAFT   Unterrubrik 09.22 : WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT

BINNENHANDEL DER DDR
HANS SCHLENK
DER BINNENHANDEL DER DDR
VERLAG WISSENSCHAFT UND POLITIK KOELN 1970, S.40-49


001  Der Produktionsmittelgroßhandel. Der Großhandel
002  mit Produktionsmitteln obliegt sogenannten Staatlichen
003  Kontoren als obersten Lenkungsorganen für die
004  Materialversorgung der Industrie. Sie wurden 1958 gebildet und
005  sind hervorgegangen aus den Absatzabteilungen der
006  Produktionsministerien und den zentralen Leitungen der Deutschen
007  Handelszentralen (DHZ). Die " Staatlichen Kontore "
008  unterstanden in ihrer Mehrzahl dem Volkswirtschaftsrat bzw.
009  dessen Fachabteilungen. Mit der Auflösung des
010  Volkswirtschaftrates und der Neubildung von acht zentralen
011  Industrieministerien und einem Ministerium für Materialwirtschaft
012  auf Grund eines Erlasses des Staatsrates befindet sich der
013  Produktionsmittelgroßhandel gegenwärtig wieder einmal in der
014  Umbildung. Gemäß Erlaß ist das Ministerium für
015  Materialwirtschaft " für die einheitliche Durchführung der
016  vom Ministerrat erlassenen Bestimmungen für die
017  Materialwirtschaft in der gesamten Volkswirtschaft verantwortlich ";
018  seine " Hauptaufgabe besteht in der Organisierung der
019  ökonomischen Materialverwendung und materiell-technischen
020  Versorgung ". Ihm obliegt " die Koordinierung und Klärung
021  grundsätzlicher Fragen der Materialwirtschaft,
022  Materialversorgung, Lagerwirtschaft und des
023  Produktionsmittelgroßhandels ". Die " Staatliche Kontore "
024  unterhalten in den Bezirken und Kreisen Niederlassungen und
025  Auslieferungslager, die meist als Versorgungskontore
026  bezeichnet werden. Teilweise sind Ihnen Importleitstellen,
027  Großhandelsbetriebe und Fachgeschäfte angegliedert. Auch die
028  Fachministerien und die " Vereinigungen Volkseigener Betriebe "
029  (VVB) unterhalten unter nicht *immer einheitlichen Namen
030  " Zentrale Kontore " zur Produktionsmittelversorgung in ihren
031  Fachbereichen. Aufgaben der " Staatlichen Kontore " sind der
032  Absatz der Erzeugnisse und die Versorgung der Industrie mit
033  Produktionsmitteln; sie haben Lieferpläne aufzustellen, die
034  notwendigen Importe zu veranlassen, Vorratslager einzurichten und
035  die Bestände zu überwachen. Als Verteiler sollen sie zur
036  Verkürzung der Warenwege beitragen. An der Spitze der
037  " Staatlichen Kontore " steht ein Hauptdirektor; zur
038  Unterstützung ist ihm ein Beirat beigegeben, dem Vertreter der
039  Staatlichen Plankommission von Liefer betrieben und
040  Verbraucherbetrieben, der Außenhandelsorgane und der zuständigen
041  Industiegewerkschaft angehören. Der
042  Konsumgütergroßhandel. Im Gegensatz zum
043  Produktionsmittelgroßhandel darf sich der Privathandel im
044  Konsumgütergroßhandel noch betätigen, wenngleich die
045  Hauptströme der Warenbewegung auch hier über " staatliche "
046  Lenkungsorgane oder Großhandelsinstitutionen laufen. Ebenso wie
047  der Handel ist übrigens auch das gesamte Transportwesen im
048  Konsumgütergroßhandel monopolisiert, und zwar in den sogenannten
049  Transportgemeinschaften des Handels (TGH). Zentrale
050  Warenkontore (ZWK) und Großhandelsdirektionen (GHD).
051  Die " Zentralen Warenkontore " sind zentrale
052  Lenkungsorgane im Bereich des Konsumgütergroßhandels zur
053  Warenversorgung mit Industriewaren und Lebensmitteln. Sie wurden
054  mit Anordnung vom 23.3.1960 gegründet und sind
055  nachgeordnete zentrale Organe des Ministeriums für Handel und
056  Versorgung. Laut Statut sind sie verantwortlich für die
057  Sicherung der Warenfonds nach Menge, Sortiment und Qualität;
058  demzufolge obliegt ihnen die Abstimmung der Warenfonds mit der
059  Produktion, d. h., sie haben die von ihnen aufgestellten
060  Einkaufspläne des Binnenhandels gegenüber den
061  Produktionsbetrieben zu vertreten, an der Bedarfsermittlung
062  mitzuwirken, Ein kaufskataloge und Verkaufskataloge
063  aufzustellen, die Versorgungslage ständig zu überwachen, den
064  überbezirklichen Warenaustausch zu organisieren und die Tätigkeit
065  der Importorgane des Binnenhandels zu beeinflussen. An der
066  Spitze jedes ZWK steht ein Hauptdirektor, dem
067  Fachsektorenleiter nachgeordnet sind. Der Hauptdirektor vertritt
068  das ZWK im Rechtsverkehr, hat Alleinvertretungsrecht und ist
069  befugt zur Einzelzeichnung. Inzwischen ist die Stellung des
070  ZWK dadurch gestärkt worden, daß sie bestimmte Leitungs
071  funktionen, Planungsfunktionen, Bilanzierungs
072  funktionen und Kontrollfunktionen und Weisungsbefugnis
073  gegenüber den Großhandelsgesellschaften erhielten. Gegenwärtig
074  bestehen folgende Zentrale Warenkontore: ZWK für
075  Lebensmittel, Obst und Gemüse und Haushaltchemie; Berlin
076  ZWK für Technik und Fahrzeuge; Berlin ZWK für den
077  Möbel und Kultur waren; Berlin ZWK für Haushaltwaren;
078  Berlin ZWK für schuhe und Lederwaren; Leipzig. Seit
079  dem Beginn der sogenannten zweiten Etappe des " Neuen
080  ökonomischen Systems " (Anfang 1966) zeichnen sich für den
081  Konsumgütergroßhandel ebenfalls weitere organisatorische
082  Experimente ab. Experimentierfeld ist zunächst der Großhandel
083  für Textilwaren und Kurzwaren.Das " zentrale
084  Warenkontor für Textilwaren und Kurzwaren " mit Sitz
085  in Chemnitz (Karl-Marx-Stadt) wurde zum Jahresende
086  1964 wieder 1964 wieder aufgelöst und durch eine neugebildete
087  " Großhandelsdirektion (GHD) Textilwaren und
088  Kurzwaren " ersetzt. Ihr wurden mit Wirkung vom 1.4.1965
089  zunächst 4 Großhandelsgesellschaften für Textilwaren und 3
090  Großhandelsgesellschaften für Kurzwaren, mit Wirkung vom 1.
091  1.1966 weitere 11 Großhandelsgesellschaften für Textilwaren,
092  4 Großhandelsgesellschaften für Kurzwaren und das Absatzkontor
093  Rauchwaren unterstellt. Sitz der Großhandelsdirektion ist
094  Chemnitz. Sie ist laut Statut " das zentrale ökonomische
095  Führungsorgan des sozialistischen Textilwarengroßhandels
096  und Kurzwarengroßhandels sowie Planungsorgan und
097  Bilanzorgan für den gesamten Warenfonds Textilwaren und
098  Kurzwaren (individuelle Konsumtion) ". Die
099  Großhandelsdirektion ist dem Ministerium für Handel und
100  Versorgung unterstellt; sie ist juristische Person und
101  Rechtsträger von " Volkseigentum ". Sie wird geleitet von
102  einem Hauptdirektor, der den Direktoren der ihm unterstellten
103  Großhandelsgesellschaften gegenüber weisungsberechtigt ist. Sie
104  ist verantwortlich für die Versorgung der Bevölkerung mit Textil
105  waren und Kurzwaren, die nach höchstem
106  volkswirtschaftlichem Nutzen ausgerichtet werden soll. Für den
107  Bereich des Konsumgütergroßhandels soll sie federführend sein
108  für die Entwicklung der " sozialistischen Gemeinschaftsarbeit, "
109  insbesondere mit der VVW " Centrum " und dem zentralen
110  Konsum-Handelsunternehmen und Produktionsunternehmen
111  " Konsument " sowie mit Hochschulen und Fachschulen.
112  Erfahrungen über die Tätigkeit der neugebildeten
113  Großhandelsdirektion sind bisher noch nicht bekannt; zweifellos
114  aber deutet das Experiment mit der Großhandelsdirektionen für
115  Textilwaren und Kurzwaren darauf hin, daß bei
116  Bewährung auch die noch bestehenden übrigen Zentralen
117  Warenkontore in Großhandelsdirektionen umgewandelt werden.
118  Großhandelsgesellschaften (GHG). Die
119  Großhandelsgesellschaften wurden mit Wirkung vom 1.4.
120  1960 gegründet; in ihnen wurden die bis dahin bestehenden
121  " staatlichen " und genossenschaftlichen Großhandelsorgane
122  (Großhandelskontore und konsumgenossenschaftlicher Großhandel)
123  zusammengefaßt. Damit wurde also der kosumgenossenschaftliche
124  Großhandel als " niedere Form des gesellschaftlichen Eigentums "
125  in die " höhere Form allgemeinen gesellschaftlichen Eigentums "
126  übergeführt. Die Liquidation dieser Handelsorgane ging so
127  vor sich, daß die Konsumgenossenschaften Gesellschafter der
128  Großhandelsgesellschaften wurden und als solche die bisher für
129  ihre eigene Großhandelstätigkeit genutzten " Grundmittel
130  und Umlaufmittel " als Gesellschafteranteile einbringen
131  durften. Als Gewinnbeteiligung wurde eine Vergütung festgelegt,
132  die sich nicht nach den Gesellschafteranteilen, sondern nach der
133  Höhe des Umsatzes mit dem konsumgenossenschaftlichen Einzelhandel
134  richtete. Dem privaten Großhandel soll es freistehen, auf der
135  Grundlage der " Freiwilligkeit " enge Beziehungen zu den
136  Großhandelsgesellschaften aufzunehmen, und zwar durch Abschluß
137  von Warenbereitstellungsverträgen oder Aufnahme einer
138  " staatlichen Beteiligung " oder durch Beitritt als Gesellschafter.
139  Die Großhandelsgesellschaften fungieren als Planungsorgane für
140  die Warenfonds und " Organisatioren " der Warenbewegung; sie
141  sollen den Einzelhandel und die Großverbraucher kontinuierlich und
142  bedarfsgerecht beliefern. Allgemein soll mit den GHG eine
143  rationellere Arbeitsweise des Großhandels erreicht werden:
144  " Es war für die Volkswirtschaft von großem Nutzen, als durch
145  die Bildung der GHG die Zersplitterung der Lagerwirtschaft
146  überwunden wurde und eine vernünftige Entwicklung zur
147  Konzentration und Spezialisierung der Großhandelslager einsetzte.
148  Dieser Vorteil darf auf keinen Fall verlorengehen. Die
149  Perspektive liegt in der weiteren Konzentration, Zentralisation
150  und Spezialisierung der Lager, weil nur dadurch die moderne
151  Technik und Betriebsorganisation angewandt werden kann. "
152  Die Großhandelsgesellschaften sind ökonomisch und juristisch
153  selbständig. Die Großhandelsgesellschaften für Industriewaren
154  sind den Räten der Bezirke, die Großhandelsgesellschaften für
155  Lebensmittel den Räten der Kreise unterstellt. Auf Beschluß
156  des Ministerrates vom 23.2.1961 wurden bestimmten
157  Großhandelsgesellschaften in den Bezirken gewisse Leitfunktionen
158  gegenüber den Großhandelsgesellschaften der Kreise übertragen,
159  die nach dem " Neuen ökonomischen System " in Zukunft noch
160  stärker ausgebaut werden sollen. Die Großhandelsgesellschaften
161  sind nach Branchen etwa so gegliedert wie die zentralen
162  Warenkontore; die Großhandelsgesellschaft Lebensmittel ist
163  untergliedert in den Branchen Nahrungsmittel und
164  Genußmittel, Obst und Gemüse, Haushaltchemie. Seit dem 7.
165  Parteitag der SED zeichnet sich bereits wieder eine weitere
166  Umstruktuierung ab, die die weitere Existenz der
167  Großhandelsgesellschaften fraglich erscheinen läßt. Es sollen
168  neue rationelle Betriebssysteme mit höchstmöglichem
169  volkswirtschaftlichem Nutzen entwickelt werden, die entscheidende
170  Stellungen als Kooperationspartner zum Einzelahndel und zur
171  Industrie einnehmen sollen. Diesem " sozialistischen "
172  Großhandelsbetriebe sollen aus leistungsfähigen Niederlassungen
173  entwickelt werden, wobei auch die Großhandelsgesellschaften
174  schrittweise beseitigt werden. Aus diesem Grunde wurde im Bezirk
175  Dresden ein Betriebsmodell gebildet, das die Maßstäbe für die
176  Entwicklung des gesamten Industriewarengroßhandels bis 1975 setzen
177  soll. In Dresden nahm am 1.April 1968 ein " sozialistischer "
178  Textilwaren-Großhandelsbetrieb seine Tätigkeit auf. Den
179  Großhandelsgesellschaften sind die Transportgemeinschaften des
180  Handels (TGH) als " staatliche " Transporteinrichtungen
181  für den Konsumgütergroßhandel angeschlossen; die
182  Transportgemeinschaften sind also nicht selbständige juristische
183  Organe, sondern Bestandteile der Großhandelsgesellschaften.
184  Gegründet wurden sie in den Jahren 1959/60 mit dem Ziel, die
185  vorhandenen Transportkapazitäten besser ausnutzen; die Zahl der
186  betrieblichen Fuhrparks wurde seinerzeit von 730 auf 172 und 31
187  Außenstellen reduziert. Die Transportgemeinschaften sind
188  verantwortlich für die Organisation und Durchführung des
189  Warenverkehrs vom " sozialistischen " Konsumgütergroßhandel zum
190  Einzelhandel. Es ist anzunehmen, daß sie in den kommenden
191  Jahren durch zusätzliche Bereitstellung von Lastkraftwagen,
192  Mechanisierung der Beladung und Etladung usw. ausgebaut und
193  modernisiert werden, da das Transportwesen auf dem 6.Parteitag
194  der SED zu einem der Schwerpunktzweige der Volkswirtschaft
195  erklärt wurde, Ob ihre Angliederung an die
196  Großhandelsgesellschaften bestehenbleibt, ist abzuwarten, da die
197  derzeitige Organisationsform stark diskutiert wird. Die
198  Transportleistung der TGH soll sich bis 1970 um rd. 15 v.H.
199  erhöhen. Der Einzelhandel. Auch der
200  Einzelhandel wird völlig vom " sozialistischen " Handelsnetz
201  beherrscht. Die Bedeutung des privaten Einzelhandels hat ständig
202  abgenommen, wenn sie auch die des privaten Großhandels noch
203  beträchtlich überragt. Die 1957 eingeleitete " kalte
204  Sozialisierung " durch das Kommissionsgeschaft läßt erkennen,
205  wohin der Weg führt. Zum " sozialistischen " Einzelhandel
206  gehören der " volkseigene " Einzelhandel (HO), der
207  konsumgenossenschaftliche Einzelhandel und der sonstige
208  " sozialistische " Handel. Über die Anteile der Eigentumsformen
209  am Handelsnetz und am Einzelhandelsumsatz unterrichtet die
210  nachfolgende Aufstellung. (Abb.) Der " sozialistische
211  Einzelhandel. Handelsorganisation (HO). Auf
212  Beschluß der " Deutschen Wirtschaftskommision " (DWK) vom
213  20.10.1948 wurde ein " volkseigenes " Handelsunternehmen
214  unter der Bezeichnung " Handelsorganisation (HO) Freie
215  Läden " gebildet; seine Satzung wurde von der DWK am 3.
216  11.1948 bestätigt. Aufgabe der HO sollte der geregelte freie
217  Verkauf gewerblicher Verbrauchsgüter und Lebensmittel zu
218  festgesetzten Preisen sein. Die Motive der F In 1 Gründung
219  der HO waren politischer wie auch ökonomischer Art: In den
220  Jahren 1945 bis 1948 war die Entwicklung des Binnenhandels auf dem
221  Gebiet der damaligen sowjetischen Besatzungszone dadurch
222  gekennzeichnet, daß die Eigentumsverhältnisse in der Produktion
223  von denen des Binnenhandels erheblich abwichen. Nach der
224  Schaffung der volkseigenen Betriebe erfolgte in diesen Jahren
225  zunächst ein längerer Prozeß innerer Entwicklung und
226  organisatorischer Festigung. In der Industrie war ein starker
227  volkseigener Sektor, der 1948 schon 8 vH. der Betriebe und 45
228  vH. der Produktion umfaßte, geschaffen worden. Dagegen
229  bestand im Binnenhandel lediglich ein kleiner genossenschaftlicher
230  Sektor (...) Mit dem Wachstum und der Festigung des volkseigenen
231  Sektors in der Produktion wurden die in der Zirkulationssphäre
232  existierenden privaten Eigentumsverhältnisse zu einer ständigen
233  Quelle der Desorganisation und Störung des wirtschaftlichen
234  Aufbaues (...) Der Widerspruch zwischen den Eigentumsverhältnissen
235  in der Produktionssphäre und denen in der Sphäre der
236  Warenzirkulation mußte durch die Schaffung eines volkseigenen
237  Sektors im Binnenhandel beseitigt werden. " Stark betont
238  wurde die politische Bedeutung der HO im Sinne des
239  Klassenkampfes: " Mit der Gründung des volkseigenen
240  Einzelhandels legte die Arbeiterklasse zum ersten Mal in der
241  Geschichte Deutschlands die Rundlagen für die Entwicklung ihres
242  eigenen sozialistischen Handels. Das hatte eine Verschiebung der
243  Klassenkräfte zugunsten der Arbeiterklasse zum unausbleiblichen
244  Ergebnis. Damit wurden wichtige Voraussetzungen für die
245  planmäßige Entwicklung der Zirkulation geschaffen, und die
246  Lösung des Widerspruches zwischen dem Charakter der Produktion
247  und dem der Zirkulation wurde zielstrbig begonnen. " Neben
248  der Lösung dieses angeblichen Widerspruchs waren es aber auch zwei
249  vorangegangene wirtschaftspolitische Grundsatzentscheidungen, die
250  bei dem Entschluß zur Gründung der HO eine wesentliche Rolle
251  spielten. Im Juni 1948 war nach den Befehlen Nr. 111 und 124
252  der SMAD in der SBZ die Wärungsreform durchgeführt worden.
253  Die Übereinstim Übereinstimmung zwischen Warendecke und
254  Kaufkraft blieb jedoch durch den Schwarzmarkt gefährdet, weil die
255  Produktion von Verbrauchsgütern zu gering war, um den Bedarf zu
256  decken. Da die Stabilität der neu geschaffenen " Deutschen
257  Mark " bedroht war, mußte man nach Wegen suchen, um die
258  überschüssige Kaufkraft abzuschöpfen. Als Mittel dazu sollte
259  der Verkauf dringend benötigter Konsumgüter zu weit überhöhten
260  Preisen durch die HO dienen; in der Tat wurde auf diesem Wege
261  der Schwarzmarkt eingedämmt und schließlich ausgeschaltet. Zu
262  den währungspolitischen Überlegungen kam eine planökonomische
263  Notwendigkeit. Mit dem Zweijahrsplan, der am 1.Januar 1949
264  in Kraft trat, begann der Versuch des Regimes, die
265  Volkswirtschaft in allen Zweigen nach planwirtschaftlichen
266  Prinzipien zu lenken. Die zentrale Wirtschaftsplanung aber
267  erforderte ein Organ, das nicht nur Kaufkraft abschöpfte,
268  sondern die abgeschöpften Mittel auch dem Etat der Zone zur
269  Verfügung stellte. Dieses Organ war ebenfalls die HO. Im
270  ersten Jahrzehnt ihres Bestehens hatte die Handelsorganisation
271  sich nach offiziellen Angaben zum zweitgrößten Handelsunternehmen
272  Europas - hinter dem " staatlichen ' Einzelhandel der
273  Sowjetunion - entwickelt: (Abb.) Aus diesen Zahlen muß man
274  schließen, daß die Verkaufsstellen der HO leistungsfähiger
275  waren als die des konsumgenossenschaftlichen und des privaten
276  Einzelhandels, denn der Anteil der HO am Einzelhandelumsatz ist
277  doppelt so hoch wie der Anteil am Handelsnetz. Die größere
278  Leistungsfähigkeit der HO dürfte sich daraus erklären lassen,
279  daß sie im allgemeinen über moderne Geschäfte und günstigere
280  Standorte verfügt und wohl auch in der Warenbelieferung bevorzugt
281  wird. Die Umsatzanteile der HO verteilen sich nahezu
282  gleichmäßig auf die beiden Warenhauptgruppen Nahrungsmittel
283  und Genußmittel und Industriewaren; vom Gesamtumsatz dieser
284  Gruppen in der DDR entfallen in den letzten Jahren ziemlich
285  konstant jeweils etwas mehr als ein Drittel auf die HO.
286  Entsprechend ihren Aufgaben ist die HO ein Instrument des
287  politischen Regimes in der DDR und wohl gerade deshalb nicht
288  verschont geblieben von organisatorischen Experimenten. In den
289  ersten Jahren war die Tendenz zu einer straff zentralisierten
290  Organisation unverkennbar. Die HO hat selbständige, nur dem "
291  Ministerrat " verantwortliche Zentralleitungen mit den Säulen
292  HO-Lebensmittel, HO-Industriewaren und HO-
293  Gaststätten. Später wurden die HO-Betriebe und
294  Beibehaltung der Säulengliederung dem Ministerium für Handel
295  und Versorgung unterstellt.

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