Quelle Nummer 147

Rubrik 28 : TECHNIK   Unterrubrik 28.01 : BUECHER

ROTIERENDE WELLEN
HUBERTUS CHRIST
DAS STABILITAETSVERHALTEN EINER ROTIERENDEN WELLE
MIT SCHEIBE, IN:
FORTSCHRITTSBERICHTE DER VDI-ZEITSCHRIFTEN, REIHE
NR. 25, VDI-VERLAG GMBH DUESSELDORF NOV. 1970,
S.7-16


001  Die Problemstellung. Schnellaufende Rotoren bieten
002  zahlreiche maschinendynamische Probleme, die gleichermaßen
003  technisch wichtig wie theoretisch interessant sind. Man findet
004  nämlich aus sehr verschiedenen Gründen nicht nur eine oder mehrere
005  kirtische Drehzahlen, sondern oft ganze Drehzahlbereiche, in
006  denen kein stabiler Betrieb möglich ist. Einen Einfluß auf die
007  Instabilitäten haben beispielsweise die Exzentrizität des Rotors,
008  die innere und die äußere Dämpfung sowie die Antriebskennlinie.
009  Der Einfluß dieser genannten Parameter soll in dieser Arbeit
010  untersucht werden. Unberücksichtigt bleiben hingegen ungleiche
011  Trägheitsmomente, der Ölfilm in den Gleitlagern, die
012  elastische Lagerung, die Wechselwirkung von Biege
013  steifigkeit und Drehsteifigkeit u. a. m.. Als
014  Modell des wirklichen Läufers wird die starre Scheibe auf einer
015  masselosen, elastischen Welle betrachtet. Die Scheibe sei in
016  Wellenmitte so angeordnet, daß eine Schiefstellung ausgeschlossen
017  ist, und somit eine Schleuderwirkung nicht eintreten kann.
018  Aufgrund der Elastizität der Welle liegt bei rotierender Welle
019  der Wellendurchstoßpunkt W nicht auf der die Lager verbindenden
020  Geraden (Formel), Bild 1.. Wenn die Scheibe eine
021  Restunwucht besitzt, fällt der Schwerpunkt S der Scheibe nicht
022  mit dem Wellendurchstoßpunkt W zusammen, Bild 2. (Abb.)
023  Für die technische Praxis besonders wichtig ist die von G. de
024  laval gefundene Selbstzentrierung der Scheibe. Man bezeichnet so
025  das eigentümliche Hineinwandern des Schwerpunktes S mit
026  wachsender Drehzahl in den Punkt 0 auf der die Lager verbindenden
027  Geraden (Formel). Dabei ist der Schwerpunkt S im unterkritischen
028  Drehzahlbereich weiter von dem Punkt 0 entfernt als der
029  Wellendurchstoßpunkt W, Bild 3; im überkritischen
030  Bereich liegt er zwischen W und 0, Bild 4. Dieses
031  Verhalten einer einfach besetzten, biegsamen Welle ist im Falle
032  fehlender Dämpfung leicht zu berechnen. Weit aufwendiger ist der
033  rechnerische Nachweis, daß der überkritische Laufzustand und
034  insbesondere der Betrieb in der Nähe der kritischen Drehzahl
035  stabil und damit realisierbar ist. Eine solche
036  Stabilitätsuntersuchung wurde von A. Stodola durchgeführt.
037  Er kommt zu dem Schluss, daß mit Berücksichtigung einer
038  geschwindigkeitsproportionalen Dämpfung alle stationären
039  Laufzustände stabil sind und ohne Dämpfung Stabilität des
040  überkritischen Laufzustandes nur durch das Vorhandensein eines
041  Scheibenträgheitsmomentes von gewisser Größe gewährleistet wird,
042  (Abb.) d. h. daß ein verschwindend kleines Trägheitsmoment
043  Instabilität aller überkritischen Laufzustände zur Folge hätte.
044  Im folgenden wird von allgemeineren Bewegungsgleichungen
045  ausgegangen. In ihnen wird neben der Exzentrizität und einer
046  geschwindigkeitsproportionalen äußeren Dämpfung insbesondere die
047  Drehzahlkennlinie des Antriebsmomentes und eine der
048  Verformungsgeschwindigkeit proportionale innere Dämpfung
049  berücksichtigt. Die Einbeziehung der Drehzahlkennlinie in die
050  Betrachtung bewirkt nicht nur eine dem Problem der ebenen Scheibe
051  angemessene Erweiterung um einen dritten (Drehgrad)
052  Freiheitsgrad, sondern macht das System auch autonom; d.d.
053  in den Bewegungsdifferentialgleichungen tritt die Zeit nicht
054  mehr explizit auf. Im Rahmen dieser umfassenderen Betrachtung
055  wird auch der Einfluss der inneren Dämpfung untersucht, die
056  einfach proportional der Verformungsgeschwindigkeit der Welle
057  angesetzt wird. Es ist möglich, eine strenge Lösung für den
058  stationären Betriebszustand anzugeben. Man kann sowohl die
059  Drehzahl, die sich aufgrund der vorgegebenen Systemdaten einstellt,
060  als auch den von dieser stationären Drehzahl abhängenden
061  Abstand des Schwerpunktes S vom Punkt 0 der
062  Lagerverbindungsgeraden (Formel) streng bestimmen. Mit Hilfe des
063  Ljapunowschen Stabilitätsbegriffes lassen sich allgemeine
064  Stabilitätsbedingungen für das aus Welle und Scheibe gebildete
065  System angeben. Für die Stabilitätsuntersuchung hat man
066  allerdings einen wenig bekannten Satz von A. Andronow und A.
067  Witt heranzuziehen. Eine numerische Auswertung der
068  Stabilitätsbedingungen für verschiedene Parameterkombinationen
069  macht eine Aufteilung des Parameterraumes in Gebiete stabiler und
070  instabiler Arbeitspunkte möglich. Es zeigt sich dann, daß
071  anders als bei A. Stodola, selbst bei vorhandener
072  äußerer und fehlender innerer Dämpfung unabhängig von der
073  Größe der Drehmasse oberhalb der Resonanz Instabilität und
074  selbst bei fehlender Drehmasse Stabilität auftreten kann.
075  Auch hier ist die Abhängigkeit der Momentenkennlinie von der
076  Drehzahl entscheidend. Diese Abhängigkeit der
077  Stabilitätsentscheidung von der Antriebscharakteristik wurde auch
078  von V. O. Kononenko erkannt, der dieses Problem jedoch
079  nur näherungsweise behandelte. Da zwei weitgehend von
080  verschiedenen Systemparametern hervorgerufene
081  Instabilitätsbereiche auftreten, können diese auch durch die
082  Betrachtung von Sonderfällen gefunden werden. In der Praxis
083  interessiert aber nicht nur die Stabilität einer Bewegung,
084  sondern auch, und das insbesondere, wenn der Arbeitspunkt in der
085  Nähe der Stabilitätsgrenze liegt, der Bereich der zulässigen
086  Anfangsstörungen. Da nach N. N. Bautin das Verhalten
087  des Systems in der Nähe der Stabilitätsgrenze durch das
088  Verhalten auf der Grenze selbst bestimmt wird, wird der Versuch
089  unternommen, den Charakter diese* Grenze zu untersuchen. Diese
090  Untersuchung führt auf die klassischen kritischen Fälle von
091  Ljapunow, bei denen man die nichtlinearen Glieder der
092  Störungsgleichungen in Betracht ziehen muss. Für den durch die
093  innere Dämpfung hervorgerufenen Instabilitätsbereich gelingt es,
094  auf diese Art die Stabilitätsgrenze als " ungefährlich " zu
095  bestimmen. Für den von der äußeren Dämpfung, der
096  Exzentrizität und der Steigung der Momentenkennlinie
097  herrührenden Instabilitätsbereich erkennt man durch Deutung der
098  (strengen) Lösung der Bewegungsgleichungen als Grenzzykel die
099  Stabilitätsgrenze als " gefährlich ". Die
100  Bewegungsgleichungen. In Bild 5 ist eine allgemeine
101  Lage des Schwerpunktes S und des Wellendurchstoßpunktes W
102  bezüglich eines feststehenden (y, z) - Koordinatensystems
103  dargestellt. Der Ursprung O des Koordinatensystems ist dabei ein
104  Punkt der die Lager verbindenden Geraden (Formel). In Bild 5
105  bedeuten r (t) den Abstand des Wellendurchstoßpunktes W vom
106  Ursprung O, e die konstante Exzentrizität der Scheibe, y, z
107  und (Formel), die koordinaten von Wellendurchstoßpunkt W (Abb.) und
108  Schwerpunkt S und *yy (t), *yf (t) und *yc (math.Op.) *yf (math.Op.) *yy die
109  eingezeichneten Winkel. Die Scheibe hat in der vorliegenden
110  Problemstellung drei Freiheitsgrade, sie kann sich in zwei
111  Richtungen (y und z) translatorisch und außerdem drehend (*yf)
112  um ihren Schwerpunkt bewegen. Demgemäß benötigt man zur
113  Beschreibung des Bewegungsablaufes drei Differentialgleichungen
114  zweiter Ordnung als Bewegungsgleichungen. Diese sollen hier
115  anschaulich mit Hilfe des Prinzips von d'Alembert aufgestellt
116  werden. Mit c als der Federkonstanten der Welle, m als der
117  Masse, (Formel) als der Drehmasse der Scheibe bezüglich ihres
118  Schwerpunktes umd mit (Formel) und (Formel) als den Faktoren der äußeren
119  und der inneren Dämpfung, muß die freigeschnittene Scheibe unter
120  den in Bild 6 eingezeichneten Kräften und Momenten im
121  d'Alembert-Gleichgewicht sein. (Abb.) Das Kräftegleichgewicht
122  für die y und z-Richtung und das Momentengleichgewicht führt
123  auf die drei Gleichungen (Formel), (1) (Formel), (2) (Formel). (3) In den
124  ersten beiden Gleichungen bedeuten die einzelnen Terme der Reihe
125  nach die Trägheitskräfte, die der Geschwindigkeit proportionalen
126  äußeren Dämpfungskräfte, die der Verformungsgeschwindigkeit
127  proportionalen inneren Dämpfungskräfte und die von der elastischen
128  Rückstellung der Welle herrührenden Federrückstellkräfte.
129  Auf der rechten Seite von (3) steht das Antriebsmoment M (*yf),
130  das als nur von der Winkelgeschwindigkeit *yf abhängend
131  angenommen werden soll. Das Eigengewicht bleibt bei den folgenden
132  Untersuchungen unberücksichtigt, was für eine vertikale Welle
133  streng richtig ist. Mit Hilfe der geometrischen Beziehungen nach
134  Bild 5, (Formel), und mit den entsprechenden Ableitungen werden die
135  Gleichungen (1) bis (3) in den Koordinaten y und z des
136  Wellendurchstoßpunktes W geschrieben, (Formel), (4) (Formel), (5) (Formel).
137  (6) Zur Umrechnung (4), (5) und (6) in eine
138  dimensionslose Form werden mit k als dem durch (Formel) definierten
139  Trägheitsradius und mit (Formel) als einer beliebigen Bezugslänge (z.B.
140  dem Lagerabstand) geeignete Maßzahlen festgelegt.
141  Die Einführung von (Formel) an Stelle von k oder e ist nicht allgemein
142  üblich; sie ist jedoch zweckmäßig, um in den Formeln auch die
143  Grenzfälle (Formel) und (Formel) berücksichtigen zu können. Es ist (Formel)
144  die " Biegekritische " der Welle, (Formel) das Lehrsche
145  Dämpfungsmaß für die äußere Dämpfung, (Formel) ein entsprechendes
146  für die innere Dämpfung, (Formel) (7) die bezogene Exzentrizität
147  und der bezogene Trägheitsradius und (Formel) (8) das bezogene
148  Antriebsmoment. Mit einer dimensionslosen Zeitzählung (Formel), (9)
149  gemäß welcher (Formel) wird und der bezogenen Koordinaten des
150  Wellendurchstoßpunktes W (Formel) (10) erhält man die
151  Bewegungsgleichungen in der dimensionslosen Form (Formel), (11) (Formel),
152  (12) (Formel). (13) Dabei wurden in (6) die Ableitungen y und z
153  durch die entsprechenden Werte aus (4) und (5) ersetzt.
154  Akzente bedeuten jetzt und im folgenden Ableitungen nach der
155  Zeitvariablen*yt. *yt. Der stationäre Betrieb.
156  Lösung der Bewegungsgleichungen Für das nichtlineare
157  Differentialgleichungssystem (11), (12) und (13) läßt sich
158  eine strenge Lösung in der Form (Formel), (14) (Formel) (15) berechnen.
159  Führt man zu diesem Zweck die Ansätze (14) und (15) in das
160  System (11), (12) und (13) ein, so erhält man nach einigen
161  Umformungen die drei Gleichungen (Formel), (16) (Formel), (17) (Formel),
162  (18) aus denen man unschwer die unbekannten Konstanten (Formel) und (Formel)
163  bestimmen kann. Für (Formel) erhält man (Formel) (19) und für den
164  Phasenwinkel (Formel) die Beziehungen (Formel) (20) oder (Formel). Hier und
165  im folgenden steht R für den Resonanznenner (Formel) (21). Die
166  Größe (Formel) und der Phasenwinkel (Formel) sind dabei, wie (19) und
167  (20) zeigen, abhängig von der auf die Biegeeigenfrequenz (Formel) der
168  Welle bezogenen dimensionslosen Winkelgeschwindigkeit (Formel), (22)
169  für welche man mit (19) und (20) aus (18) die
170  Bestimmungsgleichung (Formel) (23) erhält. Diskussion der
171  Ergebnisse. Man erkennt als erstes, daß die stationäre
172  Lösung sowohl von der inneren Dämpfung L als auch vom
173  Trägheitsradius *yk unabhängig ist. Beide Ergebnisse sind
174  einleuchtend; das eine, weil im stationären Betrieb die
175  gekrümmte Welle mit Scheibe als Ganzes umläuft und somit keine
176  Verformungsänderungen stattfinden, das andere, weil bei der
177  vorliegenden gleichförmigen Drehbewegung das allein den
178  Trägheitsradius enthaltende d'Alembertsche Trägheitsmoment Null
179  ist. Die Amplitude. (Formel) der Lösung (15) kann man nach
180  Bild 5 deuten als den konstanten Abstand des
181  Wellendurchstoßpunktes W vom Ursprung O. Der
182  Wellendurchstoßpunkt W führt dabei eine Kreisbewegung um den
183  Ursprung O aus, bleibt aber um den Phasenwinkel (Formel) hinter der
184  erregenden Bewegung *yf zurück. Nach (19) ist (Formel) nichts
185  anderes als die mit der Exzentrizität *ye multiplizierte
186  Vergrößerungsfunktion des unwuchterregten gedämpften Schwingers
187  mit der zugehörigen Phase (Formel). In Bild 7 ist der
188  Verlauf von (Formel) und (Formel) für verschiedene Dämpfungswerte D über
189  *yh aufgetragen. Zieht man wieder zur Anschauung Bild 5 heran und
190  beachtet, das (Formel) und *ye die auf ein beliebiges (Formel) bezogenen
191  Werte für den Abstand r und die Exzentrizität e sind, so
192  erkennt man aus Bild 7, daß der Wellendurchstoßpunkt W für *yh
193  (math.Op.) O in den Ursprung O, d. h. in die Verbindungsgerade
194  der beiden Lager fällt. (Abb.) Mit steigender bezogener
195  Winkelgeschwindigkeit *yh entfernt sich W zunächst immer mehr von
196  O um dann für Werte (Formel) beständig abzunehmen und sich für (Formel)
197  asymptotisch dem Wert *ye zu nähern. Man erkennt ferner, daß
198  sich dabei der Phasenwinkel von (Formel) für *yh (math.Op.) O beständig
199  vergrößert, um für (Formel) den Wert (Formel) anzunehmen. Aus diesen
200  Überlegungen folgt, daß der Vorgang der Selbstzentrierung bei
201  vorhandener äußerer Dämpfung nicht durch ein plötzliches
202  "Umklappen " der Scheibe beim Durchgang durch die Resonanz zu
203  erklären ist, sondern stetig von der Größe der
204  Winkelgeschwindigkeit *yh abhängt. Dieser Sachverhalt kann
205  veranschaulicht werden, (Abb.) wenn man die Lage des Schwerpunktes S
206  in einem rechtwinkligen mitdrehenden (u, v)-Achsenkreuz
207  beschreibt, dessen Achse die Punkte O und W enthält. Trägt
208  man auf der Abszisse in Bild 8 für vorgegebene Dämpfung
209  D und Exzentrizität *ye für verschiedene Werte von *yh den
210  Abstand (Formel) gemäß (19) und von dem so erhaltenen Punkt W unter
211  dem Winkel (Formel) nach (20) die Exzentrizität *ye ab, so erhält
212  man die Lage des Schwerpunktes S bezüglich des Ursprungs O in
213  Abhängigkeit von *yh. Die dick ausgezogene Kurve in Bild 8 ist
214  somit die Kurve der geometrischen Orte des Schwerpunktes S, wenn
215  die bezogene Winkelgeschwindigkeit *yh alle Werte von Null bis
216  unendlich durchläuft. Der Schwerpunkt S hat also ebenso wie der
217  Wellendurchstoßpunkt W für (Formel) den größten Abstand von O,
218  läuft dann aber für (Formel) asymptotisch in diesen Punkt ein. Bei
219  den Diskussionen der Lösung (Formel) und der Bewegung des
220  Schwerpunktes wurde stillschweigend und wie üblich vorausgesetzt,
221  daß für *yh beliebige Werte zwischen Null und unendlich
222  angenommen werden können. Die stationäre
223  Winkelgeschwindigkeit *yh kann aber durch die Vorgabe einer
224  Antriebskennlinie nicht mehr willkürlich gewählt werden, sondern
225  stellt sich auf einen durch die vorgegebenen Gleichungsparameter
226  wohlbestimmten Wert ein. Aus der Rechnung ergibt sich ganz formal
227  die Beziehung (23) als Aussage über die durch die vorgegebenen
228  Systemdaten festgelegte stationäre Winkelgeschwindigkeit *yh.
229  Wegen R nach (21) erkennt man, daß die linke Seite von (23)
230  eine algebraische Gleichung fünften Grades ist. Die rechte
231  Seite stellt die stationäre von der Drehzahl abhängige
232  Antriebskennlinie dar. In Bild 9 sind die linke Seite
233  von (23) (Abb.) für vorgegebene Dämpfung D und Exzentrizität *ye
234  und die rechte Seite von (23) für verschiedene Kennlinien (Formel)
235  von (Formel) über der bezogenen Winkelgeschwindigkeit *yh aufgetragen.
236  Die Abszissen der Schnittpunkte dieser Kurven stellen mögliche
237  stationäre Winkelgeschwindigkeiten dar. Weil man sich wegen (Formel)
238  und (Formel) auf eine Darstellung im ersten Quadranten beschränken kann,
239  erkennt man, daß im allgemeinen Fall c drei Schnittpunkte der
240  Kurven möglich sind, d. h. daß es drei mögliche
241  Betriebsdrehzahlen (Formel) und (Formel) gibt. Welche dieser Drehzahlen zu
242  stabilen Betriebszuständen gehören, wird die nachfolgende
243  Stabilitätsuntersuchung zeigen. In dieser Untersuchung muß dann
244  auch der Einfluß der inneren Dämpfung L, von der die
245  stationäre Lösung völlig unabhängig ist, auf das
246  Stabilitätsverhalten untersucht werden. Die Stabilität
247  des stationären Betriebszustandes. Ein Satz von A.A.
248  Andronow und A. A. Witt. Der Begriff der
249  Stabilität sei hier, wie schon angedeutet, im Sinne Ljapunows
250  verstanden. Wenn man der zu prüfenden Lösung (Formel) kleine
251  Störungen (Formel) überlagert, und diese Störungen bei hinreichend
252  kleinen Anfangswerten (Formel) beliebig klein vorgegebene Werte nicht
253  überschreiten, dann ist die Lösung (Formel) stabil im Sinne
254  Ljapunows und asymptotisch stabil dann, wenn die Störungen im
255  Laufe der Zeit wieder vollkommen verschwinden. Bei sämtlichen
256  Methoden, die zu einer Lösung des Stabilitätsproblems führen,
257  benötigt man die Differentialgleichung der gestörten Bewegung,
258  auch Störungsgleichungen genannt, welche i. a.
259  komplizierterer Art sind als die Ursprungsgleichungen.
260  Berücksichtigt man in diesen Störungsgleichungen 1) Die in
261  der Literatur vielfach anzutreffstörungsgleichungen nur die
262  linearen Glieder der kleinen Störung, so erhält man die
263  sogenannten Gleichungen der ersten Näherung. Die Koeffizienten
264  dieser linearen Gleichungen enthalten in irgendeiner Form die zu
265  untersuchende Lösung des Ursprungssystems und können konstante,
266  periodische oder allgemeine Funktionen der Zeit sein. Ljapunow
267  und andere haben notwendige und hinreichende Bedingungen angegeben,
268  nach denen ein Stabilitätsentscheid aufgrund der ausschließlichen
269  Untersuchung der Gleichungen der ersten Näherung getroffen werden
270  kann. Untersucht man die Ljapunowsche Stabilität periodischer
271  Lösungen autonomer Systeme mit Hilfe der Störungsgleichungen
272  der ersten Näherung, so wird man stets auf einen sogenannten
273  kiritschen Fall geführt. Das folgt aus einem schon von Poincare
274  1 angegebenen Ergebnis: " Ist das Ausgangssystem autonom und
275  bedeutet dessen periodische Lösung keine Gleichgewichtslage, so
276  ist eine der Wurzeln der charakteristischen Gleichung der
277  Störungsgleichungen der ersten Näherung gleich Eins. " Ein
278  Satz von A. Andronow und A. Witt, der die spezielle Art
279  der Ausgangsgleichungen und der Lösungen berücksichtigt, zeigt
280  jedoch, daß trotzdem ein Stabilitätsnachweis unter
281  ausschließlicher Betrachtung der Gleichungen der ersten Näherung
282  geleistet werden kann.

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