Quelle Nummer 130
Rubrik 09 : WIRTSCHAFT Unterrubrik 09.24 : HANDWERK
HANDWERKER-FIBEL
DIE HANDWERKER-FIBEL FUER BERUFSBILDUNG, MEISTER-
PRUEFUNG, GESCHAEFTSGRUENDUNG, BETRIEBS-UND UNTER-
NEHMENSFUEHRUNG
11. NEUBEARBEITETE AUFLAGE
VERF.: WERNER GRESS, WILLIBALD JAROSS, GUNTRAM MAHL,
HEINRICH STRASSER
BAD WOERISHOFEN 1971, S.3-9
HEINRICH STRASSER
001 Das Handwerk als Teilbereich der Wirtschaft.
002 Handwerk einst und jetzt. Einst war es die alleinige
003 wirtschaftliche Aufgabe des Handwerks, Güter herzustellen, die
004 der Mensch zur Befriedigung der Lebensbedürfnisse, vorwiegend
005 Nahrung, Wohnung und Bekleidung, im Kampf ums Daseins
006 benötigte. Mit einfachen Hilfsmitteln, aus der Verbindung von
007 Geist und manueller Geschicklichkeit, erfüllte zunächst das
008 Haushandwerk und später das Berufshandwerk seine wirtschaftliche
009 Aufgabe als ausschließlicher Träger der gesamten Produktion von
010 Gebrauchsgütern und Verbrauchsgütern. Es spricht für
011 die wirtschaftliche Leistungskraft des Handwerks, daß es sich im
012 Laufe der Zeit zu Leistungen weiterentwickelt hat, die über die
013 Befriedigung der elementaren Lebensbedürfnisse hinausgingen und in
014 den kulturellen Bauleistungen und im Städtebau des Mittel
015 alters und Spätmittelalters einen Höhepunkt fanden. Die
016 Technisierung und der daraus folgende Wandel in den
017 Wirtschaftsmethoden ließ aus dem Handwerk heraus die industrielle
018 Gütererzeugung entstehen, die heute überwiegt. Die industrielle
019 Fertigung ermöglicht es, eine große Masse gleichförmiger
020 Güter billig herzustellen, die der Befriedigung der Ansprüche
021 des elementaren Lebensbedarfes gerecht werden. Daher wurde das
022 Handwerk aus einigen Bereichen der gewerblichen Produktion
023 verdrängt. Heute kommen dem Handwerk aber durch das Entstehen
024 neuer Rohstoffe, neuer Erfingungen und neuer Industriezweige
025 andere volkswirtschaftliche Aufgaben zu. Viele industrielle
026 Erzeugnisse (z. B. sanitäre Einrichtungsgegenstände,
027 Heizungsanlagen, Erzeugnisse der Elektroindustrie und andere)
028 werden erst durch Leistungen des Handwerks (Montage) zu einem
029 Wirtschaftsgut für den Letztverbraucher. Diese Aufgaben lassen
030 laufend neue Bestätigungsmöglichkeiten für das Handwerk
031 entstehen. Es hat sich also in unserer Volkswirtschaft zwischen
032 Handwerk und Industrie als Träger der gewerblichen Wirtschaft
033 eine weitgehende volks wirtschaftliche wünschenswerte
034 Arbeitsteilung vollzogen. Allerdings bleiben auch noch
035 Arbeitsgebiete, auf denen die industrielle Massenproduktion mit
036 der handwerklichen Erzeugung im Wettbewerb steht (z. B.
037 Bekleidungshandwerk - Bekleidungs-Industrie). Das
038 Hauptgebiet der handwerklichen Bestätigung ist aber heute
039 zweifellos die Befriedigung des individuellen Bedarfs. Die
040 industrielle Wirtschaft und Gesellschaft ermöglicht ein ständiges
041 Ansteigen des Lebensstandards in breiten Bevölkerungsschichten
042 und führt einen tiefgreifenden Bedarfswandel herbei. Mit
043 zunehmendem Wohlstand werden die Wünsche nach individuelller
044 Befriedigung der Bedürfnisse und somit nach Qualität und
045 Maßarbeit größer. In der Deckung des gehobenen Bedarfs liegt
046 die Stärke eines großen Teils der handwerklichen Leistungen.
047 die Entwicklung der Betriebszahlen. Die Zahl der
048 Handwerksbetriebe ist in den letzten Jahren erheblich
049 zurückgegangen. Während im Jahre 1950 im Bundesgebiet noch rund
050 903000 Handwerksbetriebe vorhanden waren, ist die Betriebszahl bis
051 zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf rd. 600000 zurückgegangen.
052 Diese Entwicklung spiegelt den in allen Wirtschaftsbreichen
053 feststellbaren Konzentrationsprozeß auf leistungsfähigere
054 Betriebsgrößen wieder. Die rückläufige Entwicklung der
055 Betriebszahlen ist zunächst einmal darauf zurückzuführen, daß
056 viele Ein-Mann-Betriebe auf Grund der Überalterung des
057 Handwerks aufgegeben wurden. Ein Teil der selbstständigen
058 Meister dürfte auch im Zeichen der Vollbeschäftigung seine
059 Selbständigkeit aufgegeben haben, um als Facharbeiter in
060 unselbständiger Stellung tätig zu werden. Außerdem ist
061 festzustellen, daß die Vergleichszahl des Jahres 1950 dadurch
062 beeinflußt war, daß damals in großen Teilen der Bundesrepublick
063 Gewerbefreiheit herrschte und jeder ohne nähere Sachkenntnisse
064 einen Handwerksbetrieb gründen konnte. Viele dieser
065 handwerklichen Betriebe waren dem Wettbewerb in der
066 Marktwirtschaft nicht gewachsen. Zweifellos sind aber auch neben
067 dem Zug zur größeren Betriebseinheit im Handwerk andere
068 wirtschaftliche Gründe für die Betriebsrückgänge maßgeblich.
069 Struckturelle Umschichtungen und Einengungen des bisherigen
070 Marktes haben vielfach einen Wandel hervorgerufen (z. B.
071 frühere Landhandwerke). Auch auf dem Sektor des
072 Bekleidungshandwerkes, wo die größten Betriebsrückgänge
073 festzustellen sind, dürfte die Konkurrenz der industriellen
074 Fertigung mitbestimmend gewesen sein. Ähnliches gilt für die
075 Nahrungsmittelhandwerke durch die Konkurrenz der Supermärkte.
076 Die Entwicklung der Beschäftigten zahlen. Trotz des
077 Rückganges der Betriebszahlen ist das Leistungsvolumen des
078 Handwerks als Teilbereich der Wirtschaft erheblich angestiegen.
079 Das spiegelt sich u. a. auch in den steigenden
080 Beschäftigtenzahlen wider. So konnte das Handwerk vom Jahre
081 1950 bis zum jetzigen Zeitpunkt die Beschäftigtenzahlen von rd.
082 3,2 Mill. auf rd. 4,1 Mill steigern. Die
083 durchschnittliche Betriebsgröße umfaßt heute rd. 6,8
084 Personen gegenüber nur 3,6 im Jahre 1950. Aus dieser
085 Entwicklung ist der Zug zur größeren Betriebseinheit klar
086 feststellbar. Die Zunahme der Beschäftigtenzahlen je
087 Betriebseinheit ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen,
088 daß in vielen Handwerkszweigen, insbesondere im Baugewerbe eine
089 gewisse Mindestbetriebsgröße für die Leistungsfähigkeit
090 Voraussetzung ist. Gleichwohl sind auch heute 25 % aller
091 Betriebe Ein-Mann-Betriebe, 40 % Betriebe mit 2-
092 4 Beschäftigten, 22 % Betriebe mit 5-9 Bschäftigten und
093 13 % Betriebe mit 10 und mehr Beschäftigten. Die
094 Umsatzentwicklung des Handwerks. Wesentlich stärker als die
095 Beschäftigtenzahlen sind die Umsätze der Handwerkswirtschaft in
096 den letzten Jahren angestiegen. Es konnten die Umsätze vom
097 Jahre 1949 in Höhe von 21 Mrd. DM auf über 180 Mrd.
098 DM im Jahre 1970 gesteigert werden. Der Durchschnittsumsatz je
099 Betrieb beträgt rd. 300 000 - DM und je Beschäftigten rd.
100 44 000 - DM. Der Gesamtumsatz des Handwerks erreicht rd.
101 30 % des Umsatzes der Industrie. Diese Zahlen beweisen,
102 daß das Handwerk auf Grund besserer technischer Ausstattung und
103 Rationalisierung der Betriebe seine Leistungskraft und
104 Leistungsstruktur wesentlich verbessern konnte. Das Handwerk hat
105 sich also den technischen Fortschritt in erheblichem Umfange
106 zunutze gemacht. Die Auffassung, Handwerk mit Handarbeit
107 gleichzusetzen, ist auch falsch. Sie berücksichtigt nicht, daß
108 auch das Handwerk sich der modernen und arbeitserleichternden
109 Maschinen bedient. das Handwerk investiert jähr lich 6 Mrd.
110 DM in seine Betriebe und unterstreicht damit auch die Bedeutung
111 des Kapitaleinsatzes im Handwerk. Die Leistungsstruktur
112 des Handwerks. Die Leistungsstruktur des Handwerks als
113 zweitstärkstem Wirtschaftszweig nach der Industrie in der
114 Bundesrepublik ist vielschichtig. Der Schwerpunkt handwerklicher
115 Leistungen liegt bei der Neuherstellung (einschließlich
116 Bauleistungen, Installation, Montage). Weitere wichtige
117 Arbeitsgebiete der Handwerkswirtschaft sind die Dienstleistungen
118 und die Reperaturen industrieller und handwerklicher Erzeugnisse.
119 Besondere Bedeutung kommt schon heute und mehr noch in der Zukunft
120 der Zulieferung für die Industrie zu. Steigender Wohlstand
121 erschließt immer neue Käuferschichten für Güter des gehobenen
122 Bedarfs und individueller Fertigung. Die kunden nahe Versorgung
123 mit Dienstleistungen tritt immer mehr in den Vordergrund. Die
124 Handelstätigkeit des Handwerks spielt in manchen Zweigen eine
125 bedeutende Rolle. Vom gesamten Umsatz des Handwerks entfallen ca.
126 75 % auf handwerkliche Leistungen und 25 % auf den
127 Handwerkhandel. Die wirtschaftlichen Funktionen im
128 einzelnen. Handwerkliche Tätigkeit ist vielseitig. Geht man
129 den Auftraggebern des Handwerks in unserer heutigen Wirtschaft
130 nach, so stellt man fest, daß sich diese aus allen Teilen unserer
131 Wirtschaft, der öffentlichen Hand und der gesamten Bevölkerung
132 zusammensetzen. Die Ursache hierfür liegt darin, daß das
133 Handwerk für alle Lebensbereiche arbeitet und somit einen Beweis
134 für seine vielfältigen Aufgaben und Leistungen erbringt.
135 Die Bauhandwerks und Baunebenhandwerke Die stärkste
136 Gruppe stellen die Baunebenhandwerke und Bauhandwerke
137 mit einer Vielzahl von Berufen dar und beweisen damit, daß das
138 produzierende Handwerk eine verhältsmäßig große Rolle in
139 unserer Wirtschaft spielt. Ohne die Bauhandwerke sind viele
140 unserer Industriebauten, Wohnungsbauten und Kulturbauten
141 überhaupt nicht denkbar. Besondere Leistungen erbrachte das
142 Bauhandwerk auch beim Wiederaufbau unserer zerstörten Städte und
143 Fabriken nach dem zweiten Weltkrieg. Handwerk im Dienst
144 der Raumgestaltung. Die Innenraumgestaltung und Innenraum
145 ausstattung bietet heute ebenfalls ein weites handwerkliches
146 Betätigungsfeld. Die wachsenden Ansprüche breiter Kreise der
147 Bevölkerung an verbesserte Wohnverhältnisse und Bequemlichkeit
148 lassen den Bedarf ständig steigen. Handwerk im Dienste
149 der Ernährung. Auf dem Gebiete der Nahrungsmittelversorgung
150 deckt das Handwerk trotz zunehmender Zahl an Brotfabriken,
151 Wurstfabriken und Großbrauereien den überwiegenden Teil des
152 Bedarfs. Beispielsweise werden 80 Prozent der Brotwaren
153 und Backwaren vom Bäckerhandwerk gebacken und im persönlichen
154 Verkehr mit dem Verbraucher abgesetzt. Diesen hohen Anteil
155 verdanken die Nahrungsmittelhandwerke auch der Tatsache, daß hier
156 alle individuellen Verzehrswünsche und
157 Geschmackswünsche berücksichtigt werden. Die
158 Bekleidungshandwerke. Für den individuellen Bekleidungsbedarf
159 sorgen die Bekleidungshandwerker. Aus der Verbindung von
160 handwerklicher Verarbeitung des Materials und schöpferischer
161 Phantasie prägt diese Berufsgruppe zu einem erheblichen Teil das
162 modische Bild unserer Zeit und kann daher von der Massenproduktion
163 der Bekleidungsindustrie nie ganz verdrängt werden. Die
164 Dienstleistungshandwerke. Für das reparierende und
165 dienstleistende Handwerk hat sich gerade in neuester Zeit ein
166 weites Betätigungsfeld eröffnet. Die reparierenden
167 Handwerksbetriebe sind gesamtwirtschaftlich von großem Nutzen,
168 weil Reperatur und Instandsetzung der Substanzerhaltung in der
169 Volkswirtschaft dienen und ausserdem die Leistungsfähigkeit
170 mancher anderer Betriebe, insbesondere der Industrie und
171 öffentlicher Einrichtungen, gewährleisten. Der individuelle
172 Charakter der heute verlangten Dienstleistungen bewirkt einen stark
173 differenzierten Auftragsanfall. Das Handwerk steht auf diesem
174 Gebiete unter anderem im Dienste der Körperpflege, des
175 Gesundheitswesens und der Reinigung. Handwerk und
176 Landwirtschaft. Seit Menschengedenken besteht auch eine enge
177 wirtschaftliche Verflechtung zwischen Handwerk und Landwirtschaft.
178 Während einst der Schmied, der Wagner und Sattler die
179 Landwirtschaft mit den notwendigsten Hilfsmitteln versorgten, sind
180 heute verschiedene technisierte Handwerkszweige (z. B.
181 Landmaschinen-Mechaniker - Kraftfahrzeugmechaniker) wegen
182 des tiefgreifenden Strukturwandels der Landwirtschaft für sie
183 tätig. Sie stellen eine elemantare Grundlage für die Versorgung
184 der technisierten Landwirtschaft dar. Handwerk als
185 Zulieferer der Industrie. Die Entstehung neuer
186 Industriezweige und die Zweckmäßigkeit betriebswirtschaftlicher
187 und volkswirtschaftlicher Arbeitssteilung waren Anlaß dafür,
188 daß ein großer Teil des Handwerks als Zulieferer der Industrie
189 für die Wirtschaft besonderes leistet. Zahlreiche
190 Handwerksbetriebe liefern Spezialwerkzeuge, Spezialmaschinen,
191 Präzisionsgeräte, Einzelteile und dergleichen an die Industrie
192 oder führen Lohnarbeiten für sie aus. Das Kunsthandwerk
193 Die Bedeutung des Kunsthandwerks, das mit nahezu allen
194 Werkstoffen arbeitet und in allen Berufsgruppen des Handwerks zu
195 finden ist, wird an anderer Stelle gewürdigt. Die
196 Handels funktion des Handwerks. Schließlich ist noch auf die
197 Handelsfunktion des Handwerks hinzuweisen, die sich fast durch
198 alle Handwerksgruppen hindurchzieht. Die über das ganze Land
199 verstreuten Handwerksbetriebe sorgen somit für die Verteilung
200 vieler Industrieerzeugnisse bis ins entlegenste Dorf und
201 übernehmen ihre Wartung, Pflege und Reparatur.
202 Aussichten und Gefahren für das Handwerk in der technisierten
203 Wirtschaft. Die Aussichten des Handwerks liegen, wie schon
204 erwähnt, insbesondere in der Befriedigung des individuellen
205 Bedarfs und bei den Reparaturleistungen und
206 Dienstleistungen. Daß es das Handwerk in den letzten Jahren
207 verstanden hat, diese Chancen zu nützen, unterstreichen die
208 Umsatzentwicklung der Betriebe und die steigenden
209 Beschäftigungszahlen. Der Handwerker sollte es jedoch unbedingt
210 vermeiden, billige Massenprodukte herzustllen und dadurch mit der
211 Industrie in Wettbewerb zu treten. Die Schwerpunkte des
212 Handwerks sind in einer modernen Wirtschaft die Bauwirtschaft,
213 die Befriedigung des persönlichen Bedarfs, die Herstellung von
214 Kleinserien, die Deckung des individuellen Nahrungsmittelbedarfs
215 und die Erbringung von Dienstleistungen. Die Schwerpunkte der
216 industriellen Tätigkeiten liegen auf der Massenproduktion, den
217 Großserien, der Herstellung von Grundstoffen und Großmaschinen.
218 Die Arbeitsteilung hat eine wechselseitige Verknüpfung von
219 Handwerk und Industrie in vielen Bereichen herbeigeführt. Die
220 Industrie erhält vom Handwerk Bauarbeiten und
221 Reparaturarbeiten Dienstleistungen, Spezialmaschinen und
222 Werkzeuge, Modellgeräte, Maßgeräte und
223 Prüfgeräte, sowie Einzelteiöe. Das Handwerk erhält
224 seinerseits von der Industrie insbesondere Rohstoffe,
225 Halbfrabrikate, Maschinen, Fahrzeuge usw. Die Industrie
226 schließt also das Handwerk nicht aus. Neue Industriezwiege
227 lassen auch neue Handwerkszweige entstehen. Beispiele neuer
228 Handwerksberufe, die um die Jarhhundertwende noch gänzlich
229 unbekannt waren: Kfz.-Elektriker, Vulkaniseure,
230 Landmaschinenmechaniker, Stahlbetonbauer. Die Gefahren des
231 Handwerks liegen heute in einer starken Konzentration der
232 Wirtschaft, in der Zusammenballung wirtschaftlicher Macht und
233 teilweise in der Sozialpolitik, die das lohnintensive Handwerk
234 schwerer belastet als die übrigen Wirtschaftzweige. Der
235 selbstständige Handwerker seine Organisationen müssen ständig
236 darüber wachen, daß diese Gefahren in vertretbaren Grenzen
237 gehalten werden. Das Handwerk in gesellschaftspolitischer
238 Sicht. Die Industriewirtschaft und die technisierte Umwelt
239 führen bekanntlich zu einer Art von Selbstentfremdung des
240 Menschen und lassen gewisse Vermassungstendenzen erkennen. Diesen
241 Tendenzen wirkt das Handwerk in besonderem Maße entgegen. Die
242 handwerkliche Bestätigung bildet die Grundlage vieler
243 selbständiger Existenzen. Für eine Volkswirtschaft ist es immer
244 günstig, wenn es eine große Zahl von selbständigen
245 Gewerbetreibenden gibt. Gesellschaftlich betrachtet ist es von
246 großer Bedeutung, daß eine beachtliche Anzahl der im Handwerk
247 beschäftigten Personen tätige Inhaber und Familienangehörige
248 sind und daß mehr als die Hälfte aller Handwerker auf eigenem
249 Grund und Boden arbeitet. Jährlich legen Tausende von Gesellen
250 die Meisterprüfung ab und machen sich selbständig. Sie zeigen
251 damit ein erhebliches Maß an Eigemverantwortung und
252 Risikofreudigkeit. Die breite Streuung der Betriebe auf Stadt
253 und Land im ganzen Bundesgebiet ist für das gesellschaftliche
254 Gefüge von Vorteil. Das Handwerk wirkt somit in der heutigen
255 Zeit der Vermassung entgegen. Freiheitsstreben,
256 Unabhängigkeitsstreben und Selbständigkeitsstreben sind
257 unabdingbare Leitgrundsätze des Handwerdes. Damit leistet dieser
258 Wirtschaftszweig über seine ökonomischen Aufgaben hinaus einen
259 wichtigen Beitrag zur demokratischen Staatsordnung und
260 Gesellschaftsordnung. Das Handwerk als sozialer Faktor
261 Wenn wir die Bedeutung des Handwerks in einer industrialisierten
262 Wirtschaft herausstellen, dürfen wir nicht daran vorbeigehen,
263 welche sozialen Aufgaben vom Handwerk erfüllt werden. Soziale
264 Spannungen und Auseinandersetzungen, wie wir sie auf dem
265 industriellen Sektor kennen, gibt es im Handwerk so gut wie gar
266 nicht. Das hat für die Beständigkeit der gesamten
267 wirtschaftlichen Produktion eines Landes eine Bedeutung, die man
268 nicht hoch genug einschätzen kann. Betriebsform und Eigenart der
269 Handwerkbetriebe haben von jeher das Betriebsklima und den sozialen
270 Arbeitsfrieden positiv beeinflußt. Das ständige Zusammenwirken
271 von Meister, Geselle und Lehrling und das Miteinanderarbeiten
272 bei der Ausführung von Aufträgen fördern naturgemäß die
273 gegenseitigen menschlichen Beziehungen. Die individuellen
274 Arbeitsvorgänge und die Selbständigkeit in der Arbeitsweise
275 lassen im Gegensatz zur industriellen Produktion weiten Raum für
276 die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Freude und innere
277 Befriedigung im Beruf kennzeichnen deshalb auch das
278 Arbietsergebnis. Die Aussicht auf eine selbständige
279 wirtschaftliche Existenz, die Krisenfestigkeit des Arbeitsplatzes
280 für gute Facharbeiter und die enge familiäre Betriebsgemeinschaft
281 wirken sozialen Spannungen, entgegen, Die Pflege des guten
282 Verhältnisses zwischen Meistern, Gesellen und Lehrlingen wird
283 auch durch die Handwerksinnungen unterstützt. Zur Herbeiführung
284 eines guten Verhältnisses zwischen den Innungsmitgliedern und den
285 bei ihnen beschäftigten Gesellen sieht das Gesetz zur Ordnung des
286 Handwerks die Errichtung von Gesellenausschüssen bei allen
287 Innungen vor. Sie werden von der den Gesellen der
288 Innungsbetriebe gewählt und haben es als Partner der Innung in
289 allen berugsständischen Angelegenheiten ein weitgehendes
290 Mitwirkungsrecht. Im sozialen Bereich bezieht sich dieses
291 Mitwirkungsrecht auf alle Maßnahmen, die der Ausbildung der
292 Lehrlinge, der Errichtung von Innungskrankenkassen und der
293 Gründung von sonstigen Einrichtungen, die zur Unterstützung der
294 Gesellen bestimmt sind, dienen. Die Lohnbedingungen
295 und Arbeitsbedingungen sind im Handwerk gesetzlich, tariflich oder
296 einzelvertraglich geregelt. Die Versorgung für das Alter ist
297 für die Meister und Gesellen gegeben. Beider Handwerker
298 versicherung für die Selbständigen ist die Verantwortung für die
299 Altersversorgung und Hinterbliebenenversorgung trotz
300 einer Mindestpflichtversicherungszeit in die Hand des einzelnen
301 Handwerkers gelegt.
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