Quelle Nummer 126
Rubrik 33 : BELLETRISTIK Unterrubrik 33.04 : BIOGRAPHISCHES
MEIN ACHTER BOCK, EIN ACHTERBOCK
PRINZ ERNST HEINRICH VON SACHSEN
MEIN JAGDBUCH
MUENCHEN 1970, S.65-75
001 Mein achter Bock, ein Achterbock. In den
002 Pringstferien 1914 gingen wir nach Schloß Sibyllenort bei
003 Breslau. Von der weitverzweigten Herrschaft befand sich dort ein
004 geschlossenes Jagdgebiet, bestehend aus sechs eigenen großen
005 Gütern, 1200 Hektar großem Wald und mehreren angepachteten
006 Gemeindejagden. Mein Vater hatte es sich mehr oder weniger für
007 die Rehböcke allein vorbehalten. Deshalb wurde ich nach dem
008 Revier Süßwinkel geschickt, das von Sibyllenort im Auto in 20
009 bis 25 Minuten zu erreichen war. Dort waren zwei Güter und 800
010 Hektar Land, meist Laubwald, Eschen, Eichen und Erlen. Es
011 unterstand dem alten Förster Mende, und ich hatte dort freie
012 Büchse d. h. es bestanden keine Beschränkungen für mich.
013 Am gefährlichsten war die Westgrenze des Reviers, wo eine
014 Gemeindejagd angrenzte, in der praktisch alles geschossen wurde,
015 was sich sehen ließ. Ich beriet mich mit dem Förster Mende
016 über die Lage und stellte fest, daß nur ein einziger wirklich
017 sehr guter Bock vorhanden war, der zu den sogenannten
018 " Königsböcken " gehörte, d. h. für meinen Vater
019 vorbehalten war. Seit 14 Tagen wurde er nicht mehr gesehen, und
020 da er an der bewußten gefährlichen Grenze stand, so wußte man
021 nicht, ob er noch lebte. Er war im Einvernehmen mit meinem Vater
022 von der Liste der Königsböcke gestrichen worden, und wenn ich
023 ihm begegne, so könne ich ihn ruhig schießen. Wir fuhren nun das
024 fragliche Gebiet viermal bis zur Grenze ab, ohne auch nur das
025 geringste von dem Bock zu bemerken. Es befand sich dort auch ein
026 Gebiet, das höchst unübersichtlich war und aus Wiesen,
027 Büschen und Erlen bestand. Mit dem Wagen konnte man dort weder
028 näher heranfahren noch durchfahren, weil der Boden teilweise sehr
029 naß war. Ich hatte irgendwie das Gefühl, daß der starke Bock
030 dort stecken könne, aber Förster Mende meinte, die Aussichten
031 seien gering, die Wiesen zu hoch und alles zu unübersichtlich.
032 Als wir am Morgen dort wieder vorbeifuhren, sagte ich ihm:
033 " Ich möchte jetzt gern ganz allein in das bewußte Gebiet pirschen
034 gehen. Wie lange es dauern wird, weiß ich nicht. Können Sie
035 warten? " - " Ja. " Gesagt, getan, ich pirschte in das
036 Gebiet hinein und gelangte an eine Wiese, die ziemlich hoch war.
037 Ich sah mir sie sehr genau eine Weile an und sah dann plötzlich
038 auf etwa 200 Meter ein Gehörn aus dem Gras herausragen, und zwar
039 war es ein hohes und starkes. Das mußte der Bock sein. Jetzt
040 kam auch noch der Kopf und ein Teil des Halses zum Vorschein.
041 Was tun? Ich entschloß mich, den Bock anzukriechen. Das tat
042 ich auch, und von Zeit zu Zeit tauchte ich etwas auf, um zu
043 beobachten. Jetzt hatte ich den Bock auf etwa 100 Meter, er zog
044 langsam in niedrigeres Gras. Ich kroch weiter, und beim nächsten
045 Auftauchen war der Bock nur noch 60 Meter von mir entfernt. Er
046 hatte den Kopf unten, aber ich sah Hals und Blatt durchs Gras
047 schimmern. Nun machte ich mich fertig, entsicherte, nahm die
048 Büchse hoch und stach. Ein kurzer Pfiff, der Bock tauchte auf
049 - heraus war die Kugel. In rasender Flucht ging der Bock tief
050 ab und brach nach 30 Metern zusammen. Ich eilte hin, es war der
051 Königsbock., hoch mit sehr guten Stangen und ein Achterbock.
052 Und so ergab sich der so eigenartige Zufall, daß mein achter
053 Bock ein Achterbock war. Auf den Schuß kam Förster Mende an.
054 " Nun, haben Sie einen Bock? " " Ja, " sagte ich,
055 " den Königsbock, und er ist ein sehr guter Achter. " " Das ist
056 doch nicht möglich. " " Doch ", sagte ich, " es ist vieles
057 möglich. " Mein Vater war erstaunt, als ich mit dem Gehörn
058 kam, was für einen so jungen Jäger wie mich fast zu gut war.
059 Aber er freute sich herzlichst mit mir. Der Perückenbock.
060 Perückengehörne sind unnatürlich starkwulstig und mit Bast
061 bedeckt. Sie entstehen durch Ausfall des Sexualhormons infolge
062 des Fehlens oder der Verkümmerung des Kurzwildbrets (Hoden).
063 Das Gehörn dehnt sich immer mehr an der Perlung bzw. der
064 Außenfläche aus, der Bock kann nicht abwerfen und geht
065 schließlich ein. Perückenböcke sind äußerst heimlich, da sie
066 trieblos und wehrlos selbst gegenüber jungen Böcken sind.
067 Äußerst selten erlegt ein Jäger einen Perückenbock, und sehr
068 wenige haben einen in ihrem Jägerleben gesehen. Im Juli 1935
069 meldete mir der Revierförster des Forstreviers Kreyern
070 (Forstamt Moritzburg bei Dresden), daß der zuständige
071 Forstwart an der Grenze von Weinboehla, und zwar an der
072 Staatsstraße Auer-Weinboehla, einen Perückenbock gesehen
073 hätte. Ich setzte mich sofort mit dem Forstwart in Verbindung
074 und erfuhr folgendes. Er war gegen elf Uhr in Richtung Winboehla
075 geradelt. Als er im letzten Teil des Reviers, südlich der
076 Straße, einen älteren Kiefernbestand erreicht hatte, sprang ein
077 Bock über die Straße und ging flüchtig im gegenüberliegenden
078 Altholzbestand ab, wo er verschwand. Der Beamte konnte jedoch
079 deutlich durch das Glas feststellen, daß es sich dabei um einen
080 Perückenbock handelte, denn er sah das dicke wulstige Gehörn im
081 Bast. Mich packte die Leidenschaft, diese seltene Trophäe zu
082 erbeuten, und ging am selben Tag daran, die Lage zu erforschen.
083 Dabei stellte sich mir vor allem die Frage: Wo hat dieser Bock
084 seinen Einstand? Der Bestand, aus dem er herausgesprungen war,
085 war ein etwas lichter 80 jähriger Kiefernbestand mit viel dichtem
086 Unterwuchs, Hollunder und Himbeeren. Er grenzte nach Süden
087 und Westen an Spargelkulturen und Erdbeerkulturen, die
088 hoch abgegittert waren. Infolgedessen konnte der Bock nur nach
089 Osten und Norden auswechseln und einwechseln, wo
090 Altholzbestände angrenzten. Etwa 500 Meter in nordöstlicher
091 Richtung befand sich ein kleiner Teich mit einer kleinen Wiese,
092 und unweit des Teiches war die Jagdgrenze. Hatte der
093 Perückenbock in dem zur Hälfte eingegatterten Altholzbestand
094 seinen Einstand, oder war er irgendwo anders im Revier beheimatet
095 und nur zufällig dort eingewechselt? Das war die große Frage,
096 die mich beschäftigte. Ich neigte eher zu der Meinung, daß er
097 seinen Einstand nicht in dem bewußten Altbestand hatte, da das
098 Gebiet sehr unruhig war. Da abends in dieser Abteilung besonders
099 viel Verkehr war, beschloß ich, gleich am folgenden Morgen eine
100 Pirschfahrt dorthin zu unternehmen. Gleichzeitig beauftragte ich
101 auch den Forstwart, nach dem Bock zu sehen. Die übrigen
102 Beamten des Reviers wurden angewiesen, auf ihn zu achten, da eine
103 große Wahrscheinlichkeit dafür sprach, daß er irgendwo locker
104 gemacht wurde. Ich fuhr nun am folgen den Morgen an die
105 Weinboehlaer Grenze, umfuhr nochmals den zweiseitig eingezäunten
106 Altholzbestand und untersuchte die ganze nähere Umgebung. Nichts
107 war zu sehen außer einer führenden Ricke und einem Schmalreh.
108 Dies setzte sich an zwei weiteren Morgen fort, aber der
109 Perückenbock war nicht zu sehen. Auch in den nächsten 14 Tagen
110 wurde nichts bemerkt, der Bock schien endgültig verschollen. Da,
111 nach 20 Tagen, meldete der Forstwart: " Ich habe ihn heute
112 morgen im Altholzbestand von der Straße aus ganz kurz beobachtet.
113 Nach wenigen Sekunden verschwand er im dichten Unterwuchs, und
114 ich konnte ihn dann nicht mehr sehen. " Nun verstärkte ich meine
115 Aktivität, denn jetzt war es sicher, daß der Perückenbock doch
116 in dem Altholz an den Spargelkulturen seinen Einstand hatte. Er
117 würde ihn auch nicht verlassen, gerade jetzt nicht, wo die
118 Blattzeit kurz bevorstand und er die anderen Böcke fürchtete.
119 Ich konzentrierte mich auf diese Fläche von etwa drei bis vier
120 Hektar, umlief und umfuhr sie frühnachmittags und abends, ohne
121 auch nur das geringste zu sehen. Dabei beobachtete ich besonders
122 die Verdrahtung an der Südseite. Das ging mehrere Tage so.
123 Inzwischen hatte die Blattzeit begonnen, und ich stand nun vor der
124 Frage, entweder den Perückenbock weiter zu belagern oder andere
125 gute Böcke aufzugeben, vor allem die in meinem sehr guten Revier
126 Jahnishausen, wo die Jagd in den ausgedehnten Feldern viel Zeit
127 beanbeanspruchte. In dieser Lage entschloß ich mich zu einem
128 Gewaltstreich, nämlich den Bock in dem Altholzbestand nach der
129 Straße zu drücken. Lange beriet ich mich mit meinem sehr
130 erfahrenen langjährigen Jäger Felix Wolf, Lix genannt, der
131 auch dem Plan zustimmte. Er sollte langsam, wie ein Pilzsucher,
132 durch den Bestand gehen, und es war anzunehmen, daß in diesem
133 Falle der Bock an der Straße erscheinen würde. Das führten
134 wir morgens um acht Uhr aus. Ich hörte Lix knackend durch den
135 Bestand gehen und ab und zu leicht husten. Aufs höchste war ich
136 gespannt und erwartete jeden Moment, daß der Perückenbock kommen
137 würde. Lix erschien an der Straße, und weder er noch ich hatten
138 etwas gesehen. Wir beschlossen nun, drei Tage die Abteilung in
139 Ruhe zu lassen. Dann wollte ich zusammen mit Lix den Bestand
140 durchstreifen, in der Hoffnung, den Bock durch einen
141 Schnappschuß zu erlegen. Das wurde durchgeführt, aber mit
142 völlig negativem Ergebnis. Der Perückenbock war nicht zu sehen.
143 Die Blattzeit ging vorbei,. ich hatte intensiv in Jahnishausen
144 gejagt und drei gute Böcke gestreckt. Zu Lix sagte ich nun:
145 " Den Perückenbock müssen wir kriegen. " Meine Hoffnung wurde
146 dadurch verstärkt, daß der Revierbeamte meldete, er habe in dem
147 fraglichen Bestand in einer Lücke des Unterholzes ein starkes
148 Stück Rehwild ziehen sehen. Da aber niemals dort ein anderes
149 Stück stand, mußte das wohl der Bock gewesen sein. Ich fuhr
150 nun jeden Tag früh bei Morgengrauen nach dem Altholz und
151 umkreiste es mehrmals zu verschiedenen Stunden. So vergingen vier
152 Tage. Am fünften Morgen gegen habl acht Uhr fuhr ich an den
153 Spargelplantagen entlang, die durch einen starken Maschendraht vom
154 Hochholz abgesperrt waren. Plötzlich bemerkte ich unmittelbar
155 hinter dem Draht ein Stück Rehwild. Durch das Glas sah ich
156 alles grau zwischen und über den Gehören. Es war der
157 langgesuchte Perückenbock. Ich stach ein und setzte den Punkt
158 des Abkommens meines Mannlicher-Stutzens in die Mitte des
159 Bocks hinter das Blatt. Jetzt kam alles darauf an, daß die
160 Kugel den richtigen Weg nahm. Hilf, heiliger Hubertus, daß
161 sie durch eine Masche geht! Ich berührte den Abzug, und im
162 Knall brach der Perückenbock zusammen. Eine ganz große Freude
163 bemächtigte sich meiner. Die lange Ausdauer hatte sich gelohnt:
164 dieser Bock freute mich viel mehr als mancher gute Bock, den ich
165 leicht erlegen konnte. Ich ließ das Haupt mit dem
166 unwahrscheinlich starken Bastgehörn präparieren. Es erinnerte
167 mich noch lange Jahre an dieses besondere jagdliche Erlebnis.
168 Der Schaufelbock. Auf der von mir angepachteten Gemeindejagd
169 von Prausitz bei Jahnishausen wurde das Gebiet durch einen kleinen
170 Grund von 50 bis 60 Meter Breite in zwei Teile geteilt. Aber
171 dieser Grund gehörte zum Nachbarrevier, so daß ich ihn auch
172 nicht mit der Waffe durchschreiten durfte, das neue Jagdgesetz
173 beseitigte diesen unnatürlichen und lästigen Zustand. Als ich
174 eines Morgens an dem Grund vorbeifuhr, sah ich auf der anderen
175 Seite in einem kleinen Kleeschlag auf etwa 120 Meter Entfernung
176 ein einzelnes Stück Rehwild stehen. Es war ein Bock mit
177 auffallend hellem Gehörn. sehr weit ausgelegt und mit guter
178 Vereckung. Als er sich herumdrehte, sah ich etwas, was mich
179 äußerst verblüffte. Obwohl die linke Stange gut war, erschien
180 die rechte doppelt so stark, wenn nicht noch mehr. Ich hatte so
181 etwas noch nicht gesehen, und da der Bock sowieso gut war,
182 entschloß ich mich zum Schuß. Aber er sprang ab und verschwand
183 im Getreide. Am nächsten Tag war ich schon bei Morgengrauen im
184 Revier, aber es war nichts zu sehen. Als die Sonne ganz
185 aufgegangen war, traf ihn auf etwa 100 Meter Entfernung in einem
186 kleinen Luzerne-Feld an. Ich hatte ihn breit, und die
187 Erlegung wäre kein Kunststück gewesen. Als der Schuß sich
188 brach, ging der Bock gleich hochflüchtig ab, zeichnete nicht,
189 und ich konnte auf mehrere hundert Meter feststellen, daß ihm
190 nichts fehlte. Elend vorbeigeschossen! Ich hatte keine
191 Erklärung dafür, denn ich hatte ganz ruhig geschossen und war
192 tadellos abgekommen. Welch ein Pech, und das gerade bei diesem so
193 ungewöhnlichen Bock mit der Monster-Stange auf der rechten
194 Seite. Zu Hause in Moritzburg angekommen, stellte ich fest,
195 daß sich das Fernrohr verschoben hatte und die Büchse 40
196 Zentimeter zu hoch schoß. Mit der frisch eingeschossenen Büchse
197 war ich am folgenden Morgen wieder in Prausitz. Ich fuhr und lief
198 überall hin und war bis um 7. 30 Uhr im Revier. Nichts war zu
199 sehen, das Wetter war wohl zu warm, und die Rehe waren
200 wahrscheinlich schon im Dunkeln ins Getreide gezogen. In der
201 Nacht bekamen wir Gewitter, am Morgen war es trüb, es nieselte
202 ganz leicht. Natürlich war ich wieder draussen. An den beiden
203 Stellen, wo ich den Bock gesehen hatte, war nichts zu finden.
204 Dann fuhr ich noch in einen anderen Revierteil und um sechs Uhr an
205 dem kleinen Grund vorbei, der die unnatürliche Jagdgrenze bildete.
206 Da, in dem kleinen Kleestück, in dem ich den Bock das
207 erstemal gesehen hatte, ein Stück Rehwild! Ob er es ist? Es
208 war der Bock, denn im Fernrohr sah ich kurz die weite Auslage mit
209 der rechten überstarken Stange. Der Schuß brach sich, der
210 Bock machte eine gewaltige Flucht und brach kurz vor dem
211 Getreidefeld zusammen. Nebenbei meine Kugel hatte auf meinem
212 Jagdbereich den Lauf verlassen, war dann 60 Meter über das
213 Nachbarrevier geflogen, um dann nach erneutem Flug uber meinem
214 Jagdbereich das Ziel zu erreichen, ein Vorgang, der nicht oft
215 vorgekommen sein dürfte. Eine ungeheure Spannung erfaßte mich
216 nun, zu sehen, was mit der gewaltigen rechten Stange los war.
217 Und beim Bock angekommen, sah ich etwas, das ich nicht erwartet
218 und noch nie gesehen hatte. Die Stangen des Bocks waren 19 und 20
219 Zentimeter hoch, und die Auslage betrug 20, die Vordersprosse
220 acht und neun Zentimeter. Beide Stangen waren gut und normal.
221 Aber an der rechten Stange befand sich nach außen eine Schaufel
222 von drei Zentimeter Breite, die vom Rosenstock bis zur Spitze
223 der Stange verlief. Diese Schaufel vermittelte auf Entfernung
224 den Eindruck einer ungewöhnlich starken Stange. Ich glaube,
225 daß diese Schaufelbildung eine ganz seltene Abnormität darstellt,
226 jedenfalls habe ich nie mehr etwas ähnliches weder in der Natur
227 noch auf Abbildungen gesehen. Für die Entstehung dieser
228 Schaufel gibt is nur eine Erklärung. Im Bast muß der Bock an
229 einen Stacheldraht gelangt sein, der die Außenseite der Stange
230 von oben bis unten aufgeritzt hat. Er war drei Jahre alt und wäre
231 sicher noch stärker geworden. Aber es war sehr gut, daß ich ihn
232 geschossen hatte, denn die Schaufel hatte er ja nur in diesem Jahr.
233 Der " Schaufelbock " ist die einzige Trophäe, die ich von
234 Moritzburg mitgenommen habe. Ein Franzose eignete sich das
235 Gehörn in Sigmaringen an, aber es wurde dann liegengelassen, und
236 ein anderer überkorrekter Franzose (vielleicht selber ein Jäger)
237 gab es im Gouvernement Militaire ab, worauf der Gouverneur
238 meinen Neffen, den Herzog von Mecklenburg, fragte, wem das
239 Gehörn wohl gehören können. So bekam ich die seltene Trophäe
240 wieder, und der Schaufelbock hängt heute an der Spitze der zehn
241 besten Böcke, die ich nach dem Krieg in den herrlichen Rvieren
242 meiner Hohenzollerschen Verwandten erlegen durfte. Mein
243 stärkster Bock seit 1927. Mein Gut Jahnishausen bei Riesa
244 wurde von einem Bach durchflossen, die " Jahna " genannt. An
245 diesem lagen, eingebettet in Wiesen und Feldern, drei Gehölze
246 mit Laubholz und Fichtendickungen. Sie hatten einfache Namen:
247 Oberholz, Mittelholz und Unterholz. Alle drei Gehölze
248 spielten bei der Herbstjagd auf Fasanen und Kaninchen eine große
249 Rolle. Es kam noch ein viertes Gehölz dazu, die Heidebirken,
250 das mitten in den Gutsfeldern lag. Alle vier waren nicht größer
251 als 20 Hektar. Wir schossen darin vor 1914 ohne künstliche
252 Aufzucht etwa 400 Hähne, 60 Kaninchen, 20 Hasen sowie einzelne
253 Enten, Schnepfen und Füchse. In den drei an der Jahna
254 gelegenen Gehölzen belief sich der Rehbestand auf 20 Stück
255 Standwild, und in den übrigen Feldjagdbezirk, 400 Hektar
256 Eigenjagd und 1600 Hektar Gemeindepachtjagden, gab es etwa 40
257 Stück Rehwild, also auf der Gesamtfläche drei Stück auf 100
258 Hektar. Im Jahre 1927 hatte ich im Oberholz einen sehr guten
259 dreijährigen Bock, etwa 22 Zentimeter hoch, mit guten Stangen
260 und mit recht guter Vereckung. Ersollte jedenfalls für 1929
261 stehen bleiben, und er war sicher, weil er auf eine sehr große
262 Wiesenfläche zog, die ganz zu meinem Jagdbezirk gehörte. Ich
263 war Ende Juli an einem herrlichen Morgen in Jahnishausen. Früh
264 war es neblig gewesen, dann war die Sonne durchgebrochen, und es
265 wurde recht warm. Deshalb fuhr ich etwas spät in den Feldern
266 herum, begegnete aber keinem abschußwürdigen Bock, obwohl die
267 Brunft in vollem Gange war. Da auf den Feldern die Unruhe
268 zunahm, fuhr ich nach Jahnishausen und nahm dort mein Früstück.
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