Quelle Nummer 109

Rubrik 27 : MATHEMATIK   Unterrubrik 27.01 : POPULAERWISSENSCHAFTLICH

MENGEN UND ZAHLEN
WALTER ROBERT FUCHS
ELTERN ENTDECKEN DIE NEUE MATHEMATIK. MENGEN UND
ZAHLEN.
MUENCHEN-ZUERICH 1970, S.188-197


001  Präzise " Verwandschaften " - mengentheoretisch
002  geknüpft. Die mengentheoretische Einführung der natürlichen
003  Zahlen Eins, Zwei, Drei usw. hat uns wieder eine ganze
004  Reihe neuer Begriffe beschert, mit deren die Mathematiker und nun
005  auch die Mathematiklehrer Tag für Tag umgehen müssen:
006  " umkehrbar eindeutige Zuordnung " oder ein-eindeutige Zuordnung
007  ", " Mächtigkeit " oder Kardinalzahl ", " gleichmächtig "
008  oder " äquivalent ", " Äquivalenzklasse " usw. Die
009  Bekanntschaft mit diesen Begriffen hilft Ihnen jedoch weiter,
010  Ihre Scheu vor Mathematikbüchern aller möglichen Art zu
011  verlieren. Wenn Sie nun z. B. in einem Mathematik-
012  Lehrbuch blättern und dabei auf die Definition stoßen, daß
013  " die Menge der zu einer Menge A äquivalenten Mengen eine "
014  Äquivalenzklasse " heißt ", dann brauchen Sie nicht mehr zu
015  resignieren. Zumindest ist die ursprüngliche
016  Verständnislosigkeit stark gemildert: Sie wissen, daß der
017  Buchstabe A eine Variable ist, die als Platzhalter für Mengen
018  fungiert. " Äquivalente " Mengen sind nichts anderes als
019  gleichmächtige Mengen mit der gleichen Zahleigenschaft, z.B.
020  Fünfermengen oder Siebenermengen. Auch die
021  " Äquivalenzklasse " jagt Ihnen keinen Schrecken mehr ein oder
022  erweckt keine Ehrfurchtsgefühle mehr: Sie ist ebenfalls eine
023  Menge, eine Menge von endlichen Mengen nämlich, die die gleiche
024  Zahleigenschaft besitzt. Man kann sie als eine Art von
025  " Mengentopf " ansehen (...) Immer und immer wieder ist also von
026  " Mengen " die Rede, die wir als endliche Mengen eingeführt haben:
027  Sie besitzen bestimmte Eigenschaften, stehen in gewissen
028  Beziehungen zueinander und lassen sich in bedeutsamen Operationen
029  verknüpfen. Mengen sind gleichsam die " Vitamine " des modernen
030  Mathematikunterrichts: Sie können recht heilsam sein, wenn sie
031  in der richtigen Dosis eingesetzt werden. Aber ähnlich wie bei
032  den e " auch Schäden auftreten, wenn eine " Mengenschwemme
033  " den Mathematikunterricht überrollt. Dann kann die Mengenlehre
034  leicVitaminen können durch ständige Überdosen und "
035  Vitaminstößht zu einem bösen Alptraum für Schüler und Eltern
036  werden. UnsereAufklärungsschrift soll mithelfen, daß dieser
037  unerfreuliche Zustand nicht eintritt. Es gibt natürlich
038  zahlreiche bedeutsame Begriffe der Mathematik, die sich
039  mengentheoretisch glänzend präzizieren lassen und dabei auch für
040  die Unterrichtspraxis von Belang sind. Dazu gehören vor allem
041  die " Relation ", ein Begriff, von dem schon mehrfach
042  die Rede war: So sind z. B. die Beziehungen der
043  Mengengleichheit (Formel) und die Teilmengenbezeichnung (Formel) " Relation "
044  im strengen mathematischen Sinn. Um das zu verstehen, müssen
045  wir die Relation erst einmal möglichst allgemein und scharf
046  definieren. Wie sieht das aus? " Relation " heißt soviel wie
047  Beziehung oder Verwandtschaft, aber mit bloßen
048  Worterklärungen ist bekanntlich in der Mathematik nicht viel
049  gewonnen. Man muß sich da schon etwas Besseres einfallen lassen:
050  Eine präzise, umfassende Definition, mit der man vernünftig
051  arbeiten kann, muß klar und unmißverständlich in den bisher
052  benützten Grundbegriffen formulierbar sein.
053  Selbstverständlich ist die vielzitierte " Menge " ein
054  solcher Grundbegriff, den wir zur Definition heranziehen können.
055  Unmittelbar damit verbunden ist der Begriff " Element ":
056  Für eine zweistellige Relation ist es zudem klar,
057  daß zwei Elemente im Spiel sein müssen, zwei Elemente
058  aus der betrachteten Menge, ein " Elemente-Paar ".
059  Um einen möglichst weiten Spielraum festzulegen, wollen wir so
060  verschiedene " Relationen " wie die Mutter-Tochter
061  -Beziehung, die Beziehung " (...) ist Nachfolger der
062  natürlichen Zahl (...) " und die " Kleiner-als "-
063  Beziehung Beziehung ins Auge fassen und versuchen, sie allesamt " unter
064  einen Hut " zu kommen. Wie schon gesagt: " Menge ",
065  " Element " und " zwei " sind Wörter, die wir bereits benützen
066  dürfen, um die Relation allgemein zu charakterisieren. Greifen
067  wir also die " Kleiner-als "-Beziehung heraus und wenden
068  sie auf die Menge (Formel) an: Für diese drei europäischen Staaten
069  gelten, nach der geografischen Fläche betrachtet, ganz
070  klar die Sätze " Die Schweiz ist kleiner als Frankreich "
071  " Andorra ist kleiner als die Schweiz " " Andorra ist kleiner als
072  Frankreich ". Dagegen sind die Sätze " Frankreich ist kleiner
073  als Andorra ", " Frankreich ist kleiner als die Schweiz " und
074  " Die Schweiz ist kleiner als Andorra " natürlich falsch; sie
075  gelten also nicht. Wie können wir diesen Sachverhalt
076  mengentheoretisch ausdrücken? Unsere aufzählende
077  Mengenbeschreibweise (Formel) reicht dafür bekanntlich nicht aus:
078  Genausogut können wir die Dreiermenge M ja in Schreibweisen wie
079  (Formel), (Formel), (Formel) usw. angeben - die Reihenfolge der Elemente
080  innerhalb der Mengenklammern spielt ja verabredungsgemäß
081  überhaupt keine Rolle. Wir müssen also " etwas mehr Ordnung "
082  schaffen; denn Reihenfolge der Elemente ist in diesem
083  Fall nicht unwesentlich. Greifen wir dazu aus der Menge M die
084  Teilmenge (Formel) gleich (Formel) heraus. Wir können sie in Hinblick auf
085  die " Kleiner-als "-Beziehung in dieser Schreibweise mit
086  Mengenklammern natürlich nicht unterscheiden. Das ist erst dann
087  möglich, wenn definitionsgemäß verabredet wird, daß man etwa
088  " (Frankreich, Schweiz) " schreiben kann und dieses
089  " geordnete Paar " von dem durch die Schreibweise signalisierten
090  Sachverhalt " (Schweiz, Frankreich) " deutlich unterscheidet.
091  Doch damit ist es noch nicht getan: Wir müssen ja erst das
092  " geordnete Paar " (Frankreich, Schweiz) mit Hilfe der
093  vorhandenen Grundbegriffe unmißverständlich festlegen.
094  Das geschieht mit Hilfe folgender Definition: Das geordnete
095  Paar (Frankreich, Schweiz) ist die Menge (Formel), (Formel).
096  Das geordnete Paar ist also wiederum eine Menge, eine
097  Zweiermenge: Sie enthält zwei Mengen als Elemente, die eine
098  mit nur einem Element, das in der Paarschreibweise die
099  " Platznummer eins " besitzt, die andere mit den beiden Elementen
100  des Paares. Eine allgemeine Definition des geordneten Paares
101  müssen wir natürlich von so willkürlichen Elementen wie
102  Frankreich und Schweiz befreien und die bereits vertraute
103  Variablenschreibweise benützen. Das sieht dann so aus: Das
104  geordnete Paar (Formel) ist die Menge (Formel). Damit ist
105  unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß (Formel) klar von (Formel) zu
106  unterscheiden ist: Zwischen den Mengen (Formel) und (Formel) kann, wie
107  leicht zu sehen ist, niemals Mengengleichheit hergestellt werden,
108  ganz gleich wie die Reihenfolge der Elemente innerhalb der
109  Mengenklammern variiert wird. x heißt übrigens " die erste
110  Koordinate " des geordneten Paars (Formel) " die zweite
111  Koordinate " von (Formel). Diese Definition geht auf den
112  Mathematiker Kuratowski zurück, der sie im Jahre 1921
113  zurechtbastelte. Mit Hilfe dieses Begriffs " geordnetes Paar
114  (Formel) " kann man nun den eigentlichen für die Relation bedeutsamen
115  Begriff definieren, die " Produktmenge " (auch:
116  " kartesisches " oder " direktes " Rodukt): Die
117  Produktmenge zweier mengen A und B wird (Formel) notiert und als
118  Menge aller geordneten Paare erklärt, deren erste
119  Koordinate ein Element aus A und deren zweite Koordinate ein
120  Element aus B ist. Selbstverständlich ist damit auch das
121  kartesische Produkt, die Produktmenge (Formel), festgelegt, die wir
122  nun am Fall der Menge (Formel) unseres Beispiels entwickeln wollen:
123  (Formel) Mit den Elementen x, y und z können wir die Produktmenge
124  (Formel) also etwas knapper und übersichtlicher als das Beispiel
125  anschreiben: (Formel) Mit Hilfe der Produktmenge läßt sich nun eine
126  (zweistellige) Relation recht einfach und bestechend
127  allgemein definieren: Man erklärt die Relation schlicht zur
128  Teilmenge der entsprechenden Produktmenge (Formel) und spricht von
129  der (...)-Relation " auf " der Menge A. Wie sieht das in
130  unserem Beispiel der Menge (Formel) aus? Wir kennen bereits die
131  Produktmenge (Formel), deren Elemente geordnete Paare - und damit
132  definitionsgemäß wiederum Mengen - sind. Aus naheliegenden
133  Gründen sprechen die Mathematiker in diesem Fall auch von einer
134  " Paarmenge ". Natürlich ist dann auch die
135  Relation als Teilmenge dieser " Paarmenge " Produktmenge
136  (kartesisches Produkt, direktes Produkt) selbst eine
137  Paarmenge. In unserem Beispiel ist die " Kleiner-als "
138  -Relation eine Paarmenge " auf der Menge M ". Die
139  Relation läßt sich direkt auffassen als Menge (Formel). Warum das so
140  gemacht werden kann, leuchtet eigentlich auf Anhieb ein, wenn wir
141  uns die Paarmenge (Formel) nochmals vor Augen führen: Da gibt es
142  eben nur diese drei geordneten Paare unter den Elementen, auf
143  die unsere Relation " (...) ist kleiner als (...) "
144  zutrifft. Die anderen Paare aus (Formel) sind für die
145  Teilmengenbildung in Hinblick auf die " Kleiner-als "-
146  Relation Relation nicht von Bedeutung: So ist z. B. Frankreich
147  nicht kleiner als Andorra, womit das Paar (Frankreich, Andorra)
148  ausscheidet; oder die Schweiz ist nicht kleiner als die Schweiz,
149  womit (Schweiz, Schweiz) entfällt usw. Die " Kleiner
150  -als "-Relation trifft in unserem Beispiel nur auf drei
151  geordnete Paare zu: Sie sind die Elemente jener Teilmenge von
152  (Formel), die wir der " Kleiner-als "-Relation gleichsetzen.
153  Nun wollen wir aber auch das familiäre Band der Mutter-
154  Tochter-Relation mit diesem allgemeinen Relationsbegriff
155  fassen. Wie sieht für diesen Fall die Auffassung der Relation
156  als Paarmenge bzw. als Teilmenge der Produktmenge aus? Damit
157  dieses Vorgehen einen Sinn bekommt, müssen wir natürlich wieder
158  eine Menge bereitstellen, auf der die Relation sinnvoll besteht.
159  Dazu legen wir willkürlich folgende Menge fest: (Formel) Dabei soll
160  in der Familie M. (" Müller ", " Maier " o. ä.)
161  Helga die Mutter von Christa sein, Inge M. dagegen die
162  Tante von Christa. In der Familie s. (" Schulze ",
163  " Seidl " o. ä.) sei Lotte die Mutter von Petra und
164  Martin. Ohne erst die Bildung der entsprechenden Produktmenge
165  dieser Menge vorzunehmen, können wir nun gleich die Paarmenge
166  bilden, die auf der Menge der Mutter-Tochter-Relation
167  entspricht: (Formel) Alle anderen geordneten Paare aus der
168  Produktmenge entfallen für die Kennzeichnung der Mutter-
169  Tochter-Beziehung aus naheliegenden Gründen. Auch die
170  wichtige Nachfolger-Relation läßt sich
171  unmißverständlich mengentheoretisch formulieren, wenn wir diese
172  Relation z. B. auf die Menge (Formel) betrachten. Die
173  entsprechende Paarmenge sieht nun so aus: (Formel) Diese
174  mengentheoretische Kennzeichnung einer Relation ist klar und
175  unmißverständlich. Kann man diese Nachfolger-Beziehung z.B.
176  mit der " Größer-als "-Beziehung
177  verwechseln? Natürlich nicht: Die entsprechende Paarmenge als
178  Teilmenge der Produktmenge von (Formel) sieht ja anders aus, so
179  nämlich: (Formel) Bezüglich der Definition des in der Mathematik so
180  bedeutsamen Relationsbegriffs garantiert also das mengentheoretische
181  " Handwerkszeug " eine recht gute Arbeit. Wie wir behauptet
182  haben, kann man auf diese Weise tatsächlich inhaltlich so
183  verschiedene Beziehungen wie " (...) kleiner als (...) ", Mutter-
184  Tochter oder Nachfolger " unter einen Hut bringen ". Das
185  jeweilige Rezept ist verhältnismäßig einfach: Bilde die
186  Produktmenge (Formel) der im Spiel befindlichen Menge A und setze die
187  entsprechende Relation einer Teilmenge dieser Produktmenge gleich!
188  Die Produktmenge (Formel) zweier Mengen A und B wird uns übrigens
189  noch einmal begegnen, wenn wir den mathematisch nicht weniger
190  bedeutsamen Funktionsbegriff unter die Lupe nehmen. Doch
191  davon später (...) " Start ": Mengenoperation -
192  " Ziel ": arithmetische Operation. Von der
193  Vereinigung zur Addition Mathematisches Tun und Denken ist
194  im Zeitalter der neuen Mathematik zu einer menschlichen Aktivität
195  geworden, deren Einüben bereits im Kindergarten beginnen kann:
196  Schon Fünfjährige haben in künstlich geschaffenen
197  Spielsituationen ihren Spaß an vorbereitenden Überlegungen zur
198  " höheren Mathematik ", die ihre Eltern im
199  Mathematikunterricht des Gymnasiums niemals angestellt haben. Bei
200  dieser neuen, noch ungewohnten Situation spielen vor allem zwei
201  Gesichtspunkte eine Rolle: Aufgeschlossene Mathematikpädagogen
202  haben die in ihrer Disziplin oft sträflich mißachtete
203  " Fachdidaktik ", die speziell an dem zu vermittelnden Lehrstoff
204  orientierte Lehrkunst, weiterentwickelt und ihr zu einer neuen
205  Blüte verholfen. Unausgesprochener Leitsatz dieser Lehrer ist
206  der Satz von Jerome S. Brunner, daß " jedem Kind auf jeder
207  Entwicklungsstufe jeder Lehrstoff mit gutem Erfolg und in
208  altersgemäßer Form nahegebracht werden kann, ohne ihn zu
209  verfälschen ". Übertriebene Präzisionsakte des Lehrenden sind
210  dabei nicht nur überflüssig, sondern sogar schädlich für den
211  Lernenden: Wenn eine gewisse Ungenauigkeit als Verfälschung
212  verdammt wird, dann gibt es weder eine Pädagogik noch einen
213  Journalismus. Den " Präzisionsgardienten ", d. h. den
214  jeweiligen Grad der Präzision oder Schwierigkeit, richtet ein
215  guter Lehrer stets an den Reaktionen seines Schülers aus.
216  Schlichte Arbeitsregel: Niemals mehr präzisieren, als es in
217  einer bestimmten Lehr-Lern-Situation erforderlich scheint.
218  Der andere Punkt ist die Einsicht, daß mathematische
219  " Wahrheiten " nicht absolut unwandelbaren Charakter haben: Sie
220  müssen immer wieder neu durchdacht und neu geformt werden. Unter
221  den spezifischen Bedürfnissen einer gewandelten Gesellschaft
222  können altbekannte Tatsachen oft in einem völlig neuen Licht
223  erscheinen. Anhand eines typischen Beispiels werden wir diesen
224  Sachverhalt noch illustrieren. Das Bild von der Mathematik als
225  dem hohen Tempel zeitloser Ideen ist schon längst ziemlich
226  unbrauchbar geworden: Die Mathematik ist durchaus " nicht
227  in ihrer steinernen Vollkommenheit erstarrt ", wie der
228  Logiker Alfred Tarski zu Recht " ein völlig irriges Bild der
229  Situation " entlarvt. " Die Beschäftigung mit der Mathematik
230  ist eine menschliche Aktivität, eine wichtige und notwendige -
231  aber eine menschliche und kein Dialog mit übernatürlichen Wesen ",
232  so hat es ein anderer Vertreter der exakten Zunft im
233  Zeitalter der Demokratesierung " seiner Wissenschaft ausgedrückt:
234  Die neue Mathematik, " mehr ein Tun als eine Lehre " nach
235  den Worten Brouwers, wandelt sich in Methoden und Gegenständen
236  wie das Antlitz unseres Planeten (...) Diese beiden Gesichtspunkte
237  sollten Sie sich immer vor Augen halten, wenn Sie sich darüber
238  wundern, daß Ihre Kinder in der Schule von heute eine ganz
239  andereMathematik lernen als Sie selbst in der Schule von gestern.
240  Andeutungsweise haben Sie vielleicht mit manchem Problembereich
241  der modernen Mathematik schon in Denksportaufgaben und Puzzles zu
242  tun gehabt. Der eigentliche " Sprung " ins Terrain der reinen
243  Mathematik wird hier jedoch höchst selten vollzogen. Nehmen wir
244  folgendes kleine Beispiel: Man soll die Frage " Sind mehr
245  Kaffeetassen als Untertassen im Küchenschrank? " beantworten,
246  ohne daß diese Gegenstände abgezählt werden. Wie kann man dabei
247  vorgehen? Nun, nach unseren Betrachtungen über ein-
248  eindeutige Zuordnungen kann man die Kaffeetassen und
249  Untertassen als Elemente zweier Mengen ansehen, deren
250  Zahleigenschaften sich ja leicht vergleichen lassen: Jeweils wird
251  Tasse zu Untertasse bzw. auf Untertasse gestellt, und bleibt
252  dann keine Tasse ohne Untertasse und keine Untertasse ohne Tasse,
253  dann liegen gleichmächtige Mengen vor. Beide Mengen haben
254  gleiche Zahleigenschaft. Ob vier, sechs, neun, zwölf oder noch
255  mehr Tassen mit Untertassen im Schrank stehen, ist dabei
256  gleichgültig. Auch ein Kind, daß überhaupt noch nicht zählen
257  gelernt hat, kann diesen Vergleich vornehmen. Aber Geschirr geht
258  bekanntlich von Zeit zu Zeit beim Abwasch zu Bruch: So kann es
259  passieren, daß z. B. einige Untertassen bei diesem
260  Zuordnungsvorgang übrigbleiben. Dann sind eben " mehr
261  " Untertassen als Tassen vorhanden. Natürlich können auch mehr
262  Kaffeetassen als Untertassen da sein. Eine weitere
263  Möglichkeit gibt es nicht: Mit dieser Unmöglichkeit der
264  umkehrbar eindeutigen Zuordnung stellt man die Ungleichheit der
265  Zahleigenschaften fest, ohne die Elemente der beiden Mengen
266  zu zählen.

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