Quelle Nummer 080

Rubrik 07 : POLITIK   Unterrubrik 07.13 : HAUSMITTEILUNGEN

FRANKFURTER RUNDSCHAU
DR. HANS H. SCHEIB: BLUT, ABGASE, CHAOS UND HOHE
KOSTEN IM STADTVERKEHR
HANS W. PAETZEL: THEATER VERMITTELT KEINE ERFAHRUNG
DR. EBERHARD SCHMIDT: DER LEHRLINGSKONGRESS WURDE
NICHT GESPRENGT
INGEBORG PFLUG: SCHMUTZLITERATUR
DR. WALTER SCHUERENBERG: HOCHHUTHS MILITANTER VOR-
STOSS
DR. FRANZ HERRE: DER KAISERBRIEF
FAZ, 3.12.1970, NR.280, S.9
JUERGEN ALLERS: GAENGELUNG DER LEHRER/ KLASSE 12B DES
DES GYMNASIUMS UHLENHORST BARMBEK HAMBURG: PROFESSO-
REN-BUND
GERTRAUD HARTH: MIT VERNUNFT UND UEBERLEGUNG GE-
WAEHLT/
RUDOLF HERRMANN: PREISSTABILITAET DURCH REZESSION?
S.2, FRANKFURTER RUNDSCHAU, 2.12.1970, NR.279


001  Blut, Abgase, Chaos und hohe Kosten im Stadtverkehr.
002  Gerold Lingnau rät in seinem Artikel " Abschied von der
003  Pferdebahn " (F. A. Z. vom 16.November) den
004  Stadtvätern, die große Investitionen im öffentlichen
005  Nahverkehr vornehmen, sich wie Unternehmer zu verhalten und ihre
006  Leistungen durch " agressives Marketing " - wenn es sein muß,
007  durch Hausieren von Tür zu Tür - an den Käufer zu bringen.
008  Ist dies der Rat, dessen die Stadtväter bedürfen? Sollten
009  sie sich tatsächlich vorrangig die Köpfe darüber zerbrechen, wie
010  widerspenstige Autofahrer einzeln als Kunden des öffentlichen
011  Nahverkehrs zu gewinnen sind? Mittlerweile beginnt es überall zu
012  dämmern, daß der private Pkw eine zweifelhafte Lösung für
013  innerstädtische Verkehrsaufgaben ist. Müssen die Gründe
014  aufgezählt werden? Wie viele Menschen sterben tagtäglich im
015  innerstädtischen Verkehr? Wie steht es um die Gefährdung der
016  Gesundheit aller der Menschen, die ihren achtstündigen
017  Arbeitstag und möglicherweise sogar 24 Stunden täglich in der von
018  Autoabgasen verpesteten Luft zubringen müssen? Was ist das
019  überhaupt für eine städtische Umwelt, deren Funktion im
020  wesentlichen darin besteht, Kloakensystem für kriechendes und
021  Abstellplatz für ruhendes Blech zu sein? Was ist dies für ein
022  Lebensraum für die Minderheiten ohne Auto: die Kinder und die
023  alten Leute? Welche Unsummen Geldes sind in Straßen,
024  Parkplätze, Bürgersteigbeseitigungen, Ampelsysteme,
025  Verkehrspolizei und Unfallstationen hineingesteckt worden und
026  welche Ergebnisse hat man damit erzielt? Welche
027  Transportgeschwindigkeiten kommen bei alledem heraus, und wie soll
028  es eigentlich weitergehen, wenn der Autobestand in diesem
029  Jahrzehnt nochmals um 20, 30 oder 40 Prozent steigt? Kurzum:
030  Die Geldkosten, die Gefährdungen, die Beeinträchtigungen,
031  der Blutzoll, die Ineffizienz innerstädtischer Verkehrssysteme,
032  die im wesentlichen auf dem privaten Pkw beruhen, sind so
033  phantastisch, daß mittlerweile kaum jemand wagen würde,
034  Investitionen im öffentlichen Verkehr vom Programm zu streichen,
035  weil deren Produktion schlecht absetzbar wäre. Insoweit ist es
036  also nichts mit dem Rat, Stadtväter sollten sich wie Unternehmer
037  verhalten. Aber was sollen sie tun? Müßte man sie nicht
038  vielmehr ermuntern, sich als Politiker zu verhalten? Und
039  Politiker sollten doch eher Verkehrskonzeptionen als
040  Verkehrseinzelhandelssortiment anzubieten haben, also
041  beispielsweise die Konzeption einer Stadt ohne Hunderte von
042  Verkehrstoten pro Jahr, ohne permanente Gesundheitsgefährdung in
043  der Abgasglocke, ohne Verkehrschaos, also ohne privaten Pkw-
044  Verkehr, also mit einem leistungsfähigen, bequemen, modernen
045  öffentlichen Verkehrssystem. Natürlich muß auch ein solches
046  Konzept verkauft werden. Aber wo ist denn der Kommunalpolitiker,
047  der einmal vor den Bürgern die Bilanz von Blut, Abgas, Chaos
048  und Millionen und aber Millionen ohne Erfolg investierter
049  Steuermittel auf der einen Seite und einem solchen modernen
050  Nahverkehrssystem ohne private Pkw auf der anderen Seite
051  aufgemacht und für die unblutige, abgasfreie, menschenwürdige,
052  moderne Lösung geworben hätte? Sollten Stadtväter nicht zu
053  diesem Versuch ermuntert werden? Schließlich haben sie doch mehr
054  Informationen als der " normale " Bürger, und schließlich sind
055  sie doch umgeben von Experten, denen sie als Politiker Ziele zu
056  setzen haben. Sollte man ihnen nicht eher raten, dieses Mehr an
057  Information und diese Sammlung von Sachverstand für wirklich
058  moderne Lösungen einzusetzen, als sie unter die Einzelhändler
059  und Hausierer zu verweisen? Schließlich sind sie sowieso geneigt,
060  ihr Mehr an Informationen und Expertenwissen beim ersten
061  Unmutszeichen des Einzelhandelsverbandes und beim ersten
062  Leserbrief eines mißmutigen Autofans in die Schublade zu packen
063  und wiederum zum x-ten Male ein Dutzend Bürgersteige zu
064  beschneiden, ein paar übrig gebliebene Bäume fällen zu lassen,
065  den nächsten und übernächsten Unfallrettungswagen anzuschaffen
066  und fünf weitere Garnituren Ampeln in Auftrag zu geben. Aber
067  man soll ihnen nicht unrecht tun; sie leben in einem Lande, wo
068  selbst der Verkehrsminister es für die werbewirksamste Idee hält,
069  jedem Verkehrsteilnehmer eine Autobahn vors Haus und, wo das
070  nicht möglich ist, in maximal 10 Kilometer Entfernung zu bauen.
071  Theater vermittelt keine Erfahrung. Ludwig Marcuse,
072  gewiß kein Reaktionär, berichtet (Club Voltaire 4) von
073  Schauspielern, die, nachdem sie die politische Aufklärung
074  mittels Theaters aufgegeben hatten, sich so äußerten:
075  " Bewußtsein verändert sich nur durch konkrete Erfahrung. Diese
076  vermittelt das Theater nicht. " Diese Worte seien allen ins
077  Stammbuch geschrieben, die meinen, daß ein Theaterspielplan nach
078  dem Motto " ‚patez le bourgeois! " gestaltet werden soll.
079  Das Publikum, für das man spielt (und nicht für Kritiker und
080  arrogante Doktrinäre), ist der ständigen Bevormundung und
081  aufdringlichen Schulmeisterei überdrüssig und verlangt, daß dem
082  Theater gegeben wird, was des Theaters ist (vergleiche F.A.
083  Z. vom 30.November). Geschieht dies nicht mehr, so
084  haben wir neben den leeren Kirchen bald auch leere Theater.
085  Der Lehrlingskongreß wurde nicht gesprengt. Mit Befremden
086  haben wir Ihre Berichterstattung über den Lehrlingskongreß der
087  Jungsozialisten (F. A. Z. vom 30.November) zur
088  Kenntnis genommen. Er enthält sowohl in der generellen
089  Beurteilung eine höchst einseitige Wertung als auch eine Fülle
090  unrichtiger Details. Ihr Berichterstatter kommt generell zu dem
091  Ergebnis, der Kongreß sei gescheitert, weil sich dort
092  Kommunisten eine Mehrheit verschafft hätten. Diese Behauptung
093  ist schlicht falsch. Zwar hat eine lautstarke Minderheit
094  trotzkistischer und maoistischer Sektierergruppen versucht, diesen
095  Kongreß zu sprengen, aber das ist ihnen keinesfalls gelungen.
096  Alle Versuche von dieser Seite, das nur aus Jungsozialisten
097  bestehende Präsidium des Kongresses abzuwählen, mißlangen.
098  Der Kongreß wurde, wie vorher angekündigt, am Sonntagmittag
099  mit dem Schlußwort des Jungsozialisten-Vorsitzenden Karsten
100  Voigt wie vorgesehen abgeschlossen. Es ist auch nicht richtig,
101  daß es zu keiner sachlichen Beratung über die Reform der
102  Lehrlingsausbildung gekommen wäre. Vor allem in den fünf
103  Arbeitskreisen des Kongresses, die etwa die Hälfte der Dauer
104  der Veranstaltung einnahmen, ist es zu einer regen und sachlichen
105  Beratung der von den Jungsozialisten vorgelegten ausführlichen
106  Materialien zur Demokratisierung des beruflichen Bildungswesens
107  gekommen. Ihr Korrespondent hat offensichtlich die
108  Berichterstattung aus den Arbeitskreisen, die das Plenum des
109  Kongresses am Sonntagvormittag beschäftigte, überhaupt nicht zur
110  Kenntnis genommen, ebensowenig, wie er die konkreten Vorschläge
111  der Jungsozialisten zur Verbesserung der Situation der arbeitenden
112  Jugend erwähnt hat. Die Schlußfolgerung ihres Korrespondenten,
113  die Jungsozialisten könnten nun den Beschluß ihres
114  Bundesausschusses, auch mit anderen als in der SPD organisierten
115  fortschrittlichen Gruppen zusammenzuarbeiten, nicht mehr
116  aufrechterhalten, entspringt wohl eher einem Wunschdenken als der
117  Realität. Die Jungsozialisten sehen keinen Grund, von ihrer
118  Praxis, mit anderen politischen Gruppen zusammenzuarbeiten, wenn
119  diese zu einer sachlichen Zusammenarbeit bereit sind und wenn diese
120  Arbeit die Verwirklichung der Beschlüsse des Bundeskongresses
121  der Jungsozialisten fördert, abzugehen. Schmutzliteratur.
122  Ich begreife nicht, weshalb man sich mit der Frage beschäftigt:
123  Pornographie ja oder nein (F. A. Z. vom 25.
124  November). Wer sind eigentlich diejenigen, die die Freigabe der
125  Pornographie fordern? Wie groß ist die Gruppe der
126  Interessenten? Wie viele sind dagegen? Wer fragt dabei wen?
127  Pornographie heißt Schmutzliteratur. Ich dachte, ein
128  Kulturvolk bekämpft Schmutz in jeder Form, so gut es kann. Ich
129  als Mutter und Frau wünsche jedenfalls nicht, daß meinen
130  Kindern und mir solche widerlichen Darstellungen vor Augen kommen,
131  wie wir sie schon zweimal aus Dänemark mit der Post zugestellt
132  bekamen. Wo, bitte, wenn ich fragen darf, würde denn die
133  Schmutzliteratur an den Mann gebracht - wo zur Ansicht, wo zur
134  Anregung, wo zur Reklame ausgelegt, aufgestellt, aufgehängt,
135  ohne daß es Kinder oder Jugendliche zu sehen bekämen? Wer
136  Schmutz liebt, soll ihn weiter unterm Ladentisch kaufen.
137  Hochhuths militanter Vorstoß. Wer miterlebt hat, wie vor
138  einigen Jahren die damalige " Bundesvereinigung der deutschen
139  Schriftstellerverbände " bei einem Empfang zu Ehren
140  lateinamerikanischer Autoren in Berlin dieser ersten
141  Schriftstellergarnitur eines Kontinents (mit Borges, Asturias,
142  Mallea) wegen ihres eigenen überalterten und gänzlich
143  unrepräsentativen Mitgliederstandes keinen einzigen annähernd
144  ebenbürtigen Autor als Gesprächspartner anzubieten hatte, der
145  mußte geradezu aufatmen, als es dem neuen VS mit Dieter
146  Lattmann gelang, die notorische Verbandsscheu der namhaften
147  deutschen Autoren zu überwinden und sie für die aktive Mitarbeit
148  zu gewinnen. Erste Erfolge beginnen sich abzuzeichnen, und deren
149  Früchte werden nicht einer arrivierten Clique, sondern allen
150  Schriftstellern ohne Ausnahme, also auch den älteren und alten,
151  ja gerade ihnen, zugute kommen. Nachdem dies also glücklich
152  erreicht ist, kommt Rolf Hochhuth (" Die abgeschriebenen
153  Schriftsteller ", F. A. Z. vom 25.November)
154  und gibt kund, daß ihn diese unbestreitbar günstige und von ihm
155  auch lobend gewürdigte Entwicklung denn doch nicht ganz befriedigt
156  und daß er - nach dem Motto " 'rin in die Kartoffeln, 'raus
157  aus den Kartoffeln " das Rad wieder in die andere Richtung
158  gedreht sehen möchte. Die Alten, zu Unrecht Vergessenen
159  müssen aus ihrer - taktvollerweise von Hochhuth zweimal als
160  " Getto " bezeichneten - Verschollenheit geholt werden; sie
161  müssen wieder an die Rampe oder in den Vorstand des VS (in den
162  sie als Mitglieder ohnehin nach demokratischen Prinzipien wählbar
163  sind); ihre Bücher von vor 1945 müssen wieder aufgelegt, ihre
164  neuen Manuskripte müssen ohne Rücksicht auf Verluste gedruckt,
165  gesendet werden - kurzum, diese Autoren müssen " in ihre
166  Rechte wieder eingesetzt " werden. Mit diesen von ihm
167  postulierten " Rechten " steht es, nach Meinung des in der
168  Schweiz lebenden Rolf Hochhuth, hierzulande besonders schlecht,
169  falls es einem etwa " einfallen sollte, unter Deutschen sechzig
170  Jahre alt zu werden ", außerdem sei es " kein Zufall, daß '
171  von gestern ' in Deutschland ein Schimpfwort ist ". Diese kleine
172  Nestbeschmutzung widerlegt Hochhuth dann unfreiwillig selbst durch
173  zwei Briefzitate von T. E. Lawrence an die Witwe von
174  Thomas Hardy und an E. M. Forster, aus denen hervorgeht,
175  daß es sich hier doch wohl um eine übernationale biologische
176  Gesetzmäßigkeit handelt und nicht um eine der zahlreichen
177  deutschen Untugenden. Doch Scherz beiseite. Die
178  Verhandlungsbereitschaft der Verleger, mit denen der VS sich
179  soeben anschickt, über einen besseren Normalvertrag, höhere
180  Autorenprozente, Nebenrechte, Schulbuchhonorare und ähnliches
181  zu reden, wird gewaltig zunehmen, wenn Rolf Hochhuth in diesem
182  diplomatisch ungeheuer geschickt gewählten Moment an den VS
183  öffentlich die Forderung stellt, er müsse sich " zur Wahrung
184  der Kontinuität " (was immer das sein mag) " ein
185  Mitspracherecht in Redaktionen und Verlagen erkämpfen " (sic!).
186  Der militante Vorstoß Hochhuths läßt einen an einen
187  Romantitel des von ihm erwähnten, jedoch keineswegs " total
188  vergessenen " E. M. Forster denken: " Where angels fear
189  to tread (...) " Das ist die erste Hälfte eines englischen
190  geflügelten Wortes. Vollständig lautet es: " Where angels
191  fear to tread, fools rush in. " Der Kaiserbrief. Zu
192  Ihrer Rezension meines bei Kiepenheuer *und Witsch erschienenen
193  Buches " Anno 70/71 " in der F. A. Z. vom 11.
194  November: Natürlich freut es den Autor, wenn der
195  Rezensent von sich bekennt, daß er " das Buch in einem Zug
196  gelesen hat, so fesselnd ist es geschrieben ". Weniger erfreulich
197  ist es freilich, wenn der Rezensent eigene Unkenntnis dem Autor
198  anzulasten versucht. Der Rezensent schreibt, dem Autor sei es
199  " nicht entgangen, daß der Brief, in welchem Wilhelm die
200  Kaiserkrone angeboten wurde, das Datum des 21.Januar 1871
201  trug ". Nun bedarf es keiner historischen Detailkenntnis,
202  sondern lediglich logischen Denkvermögens, um festzustellen, daß
203  das Angebot der Kaiserkrone vor - und nicht nach - der am 18.
204  Januar 1871 stattgefundenen Kaiserproklamation erfolgt sein
205  mußte. In der Tat trägt der " Kaiserbrief " Ludwigs 2.
206  das Datum des 30.November 1870 - und so und nicht anders
207  steht es in meinem Buch. Gängelung der Lehrer. Als
208  Gemeinschaftskundelehrer habe ich mit großem Befremden von der
209  Ankündigung neuer Ostkundeempfehlungen durch die Kultusminister
210  gelesen. Zumindest wird dadurch indirekt zugegeben, daß die
211  früheren Richtlinien zeitgebunden waren und den revisionistischen
212  Charakter der CDU-Ostpolitik unterstützen sollten. Warum
213  ziehen die Kultusminister oder ihre anmaßenden Politideologen
214  nicht endlich den Schluß, auf jede Gängelung der Lehrer in
215  Hinblick auf die Tagespolitik zu verzichten? Die politische
216  Bildung kann sich nur frei von bürokratischer Lenkung entfalten,
217  indem man der wissenschaftlichen und politischen Verantwortung der
218  Lehrer die jeweilige Stoffauswahl und Unterrichtsmethode
219  überläßt. Professoren-Bund. " Wissenschaft kann
220  nur existieren, solange kein Dogma im voraus festlegt, was das
221  Gute und was das Böse ist. " Wer diese Auffassung vertritt,
222  sollte auch politische und gesellschaftliche Erscheinungen
223  vorurteilsfrei und objektiv analysieren sowie seine Thesen
224  folgerichtig und wissenschaftlich abgesichert entwickeln. Der
225  Gründungsaufruf des " Bundes Freiheit der Wissenschaft "
226  ersetzt jedoch eine Analyse seiner Gegner in der Studentenschaft
227  durch eine verzerrte und polemisch wertende Darstellung, wie aus
228  einer Untersuchung der Begriffswahl hervorgeht. So enthalten
229  Begriffe, die offenbar einer Charakteristik dienen sollen,
230  zugleich eine Wertung; denn " Anpassung an Modeströmungen "
231  bedeutet einen passiven Anschluß an kurzlebige Zeiterscheinungen,
232  bedeutet zu selbständiger Kritik unfähiges Mitläufertum. Auch
233  die Anschauungen und Methoden dieser Richtung werden mit
234  polemischen Bezeichnungen - wie " ideologische Heilslehren ",
235  " utopische Ziele " oder " militanter Aktionismus " -
236  beschrieben. Wie die Darstellung der Methoden durch die
237  Einfügung des vagen Allgemeinbegriffs " Terror " in eine Reihe
238  juristischer Termini (Verleumdungen, Gewaltanwendung,
239  Rechtsverletzung) emotional eingefärbt wird, so ist die
240  Charakteristik der gegnerischen Anschauungen durchsetzt mit
241  psychologischen Mutmaßungen im Sinne einer " argumentatio ad
242  personam ": eine Gruppe, in der " Undurchsichtigkeiten ",
243  " unreflektierter Machtwille " und " Wunsch nach Selbstdarstellung "
244  vorherrschen, kann natürlich nicht mehr als Partner geachtet
245  und behandelt werden. Schließlich wird mit den so beschriebenen
246  Tendenzen einer Minderheit die Forderung der Studentenschaft nach
247  " Mitbestimmung " identifiziert, wobei das hyperbolische
248  Adjektiv " unbegrenzt " nicht nur die Maßlosigkeit studentischer
249  Bestrebungen suggeriert, sondern auch im Widerspruch zum Begriff
250  der " Mit-bestimmung " steht. Die Hoffnung, daß trotz der
251  verfälschten Darstellung der Kontrahenten der eigene Standpunkt
252  logisch begründet wird, erfüllt sich nicht.

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