Quelle Nummer 040
Rubrik 12 : BILDENDE Unterrubrik 12.02 : BUECHER
WDR-HOERFUNKPROGRAMM
MAERZ 1970: SINFONIEKONZERT/FORUM DER MUSIK/DIE
TROJANER/LUDWIG VAN BEETHOVEN//DIE SINFONIEN VON
CHARLES IVES (I)
WOLFGANG HUFSCHMIDT: MEISSNER TEDEUM, S.5-6, 16, 40,
52, 55, 56
DRITTES PROGRAMM HOERFUNK, MAERZ/JULI/JANUAR 1970,
WDR KOELN
JULI 1970: MUSSIK IM UMSCHWUNG/GEORG FRIEDRICH
HAENDEL/SCHUBERT IN SEINEN SPAETWERKEN/FORUM DER
MUSIK/IN JAPAN KLINGT'S GANZ ANDERS, S.9, 10-11, 16,
21, 48-49
JANUAR 1970: DER ITALIENISCHE MOZART/SEMINARIS/DIE
KLAVIERSONATEN LUDWIG VAN BEETHOVENS/FORUM DER MUSIK/
DER UNBEKANNTE BERLIOZ/DER MUSIKALISCHE NATIONALSTIL/
S.9, 11, 15, 22, 23, 36
001 Jan Meyerowitz wirde 1913 in Breslau geboren und
002 studierte nach dem Abitur an der Berliner Musikhochschule bei
003 Walter Gmeindl und Alexander von Zemlinsky. 1933 mußte er
004 Deutschland verlassen und setzte seine Studien in Rom bei Alfredo
005 Casella, Ottorino Respighi und Bernardino Molinari fort. Seit
006 1946 lebt Meyerowitz in den USA, verbringt jedoch die
007 Sommermonate meist in Europa auf seinem Landsitz bei Colmar im
008 Elsaß. Von der Vielseitigkeit der künstlerischen Neigung und
009 Aktivität des Komponisten zeugt ein umfangreiches Werkverzeichnis.
010 " Die Rabbiner ", eine Kantate nach Texten des babylonischen
011 Talmud, wurde als Auftragskomposition für den Italienischen
012 Rundfunk geschrieben und am 8.Juli 1965 in Turin uraufgeführt.
013 Zur Textvorlage teilt der Komponist folgendes mit: " Der
014 Talmud, das große Re Aan sum‚ der jüdischen Orthodoxie,
015 das vom 2.bis zum 5.Jahrhundert n. Chr.
016 niedergeschrieben wurde, hat die äußere Form eines geordneten
017 Gesetzbuches. In seinen Haupttexten, der Mischna, wahrt es
018 auch inhaltlich diesen Rahmen. Ihnen folgen nach jedem Abschnitt
019 lange, ziemlich ungeordnete Kommentare aus verschiedenen Zeiten,
020 die Gemara. Die Gemara enthält nun zwei verschiedene Materien:
021 detaillierte Erläuterungen der Gesetze, die Halacha, und
022 anekdotische Abschweifungen, Legenden und Poetisches, die
023 Haggada. Diese Rabbinischen Kommentare, die zeitlich und in
024 ihrer theologischen Art den Kirchenvätern entsprechen, sind
025 eigentlich ein monumentales Protokoll. Die Texte der Kantate
026 sind der Haggada entnommen, mit Ausnahme der seltsamsten, der
027 Diskussion über weiße und schwarze Katzen, die zur Halacha
028 gehört. Es ist ein Geheimnis, wie ernst sie gemeint war. Der
029 Originaltext ist aramäisch; die italienische Version, nach der
030 das Werk komponiert wurde, stammt von Fedele D'Amico, die
031 deutsche Übersetzung von Rudolf Arneim. " (Sigle) Forum
032 der Musik. Kommentare zu ausgewählten Schallplatten
033 Ulrich Schreiber spricht über neue Aufnahmen mit
034 sinfonischer Musik Zwischen Weihnachten und Ostern
035 beschränkt sich die Schallplattenindustrie darauf, mit
036 Wiederveröffentlichungen in billigeren Preisklassen und
037 Neuaufnahmen von Repertoirewerken schlechte Verkaufszeiten zu
038 überbrücken. Interessant an den Veröffentlichungen dieses
039 Frühjahrs, daß Schuberts Sinfonien (auch die frühen), daß
040 Berlioz und Mahler inzwischen dem einschlägigen Repertoire
041 zugeordnet werden - vor wenigen Jahren war das durchaus nicht
042 selbstverständlich. Mit Rafael Kubelik, Eugen Ormandy und
043 Otto Klemperer werden in dieser Sendung drei nicht nur aufgrund
044 ihres Generationsunterschieds divergente Mahler-Interpreten
045 vorgestellt, dazu Peter Maag - um dessen Schallplattenkarriere
046 es in letzter Zeit still geworden war - als Schubert-
047 Dirigent und Jean Martinon als Berlioz-Interpret.
048 Schließlich kommt eine Neuaufnahme zu Gehör, in der Sir John
049 Barbirolli ein Lieblingsstück Sir Thomas Beechams dirigiert,
050 einen ausgesprochenen " Lollipop ": Edvard Griegs Musik zu
051 " Peer Gynt ". Die unbekannte Oper. Die Trojaner
052 Oper in zwei Teilen nach Vergil. von Hector
053 Berlioz Erster Teil: " Die Eroberung von Troja " S
054 chon als Junge konnte sich Hector Berlioz für Vergil
055 begeistern. Auch später blieb die Aeneis sein liebstes Buch.
056 Kein Wunder, daß die Oper " Die Trojaner ", eines seiner
057 letzten Werke und zwischen 1856 und 1859 komponiert, Vergil
058 gewidmet ist. Das gigantische Musikdrama wird allgemein als
059 Berlioz' Meisterwerk angesehen. Dennoch war es ihm nie vergönnt,
060 die Oper auf der Bühne zu sehen. Die vorliegende Aufnahme ist
061 eine gegenüber dem Original gekürzte Fassung des italienischen
062 Rundfunks. (Sigle) Ludwig van Beethoven. Christus
063 am Ölberge. Oratorium für Soli, Chor und Orchester op.
064 85. Ähnlich wie Beethovens Ballettmusik " Die
065 Geschöpfe des Prometheus " gehört auch sein Oratorium
066 " Christus am Ölberge " zu jenen heute fast vergessenen Werken,
067 die zur Zeit ihrer Entstehung glänzende Erfolge verbuchten und
068 entscheidend zur Verbreitung seines Rufs als Komponist beitrugen.
069 Das Werk entstand innerhalb weniger Wochen im März 1803. Am 5.
070 April fand die Uraufführung im Theater an der Wien statt.
071 Vier weitere Aufführungen folgten innerhalb eines Jahres, und
072 noch 1825 notierte Beethovens Adlatus Karl Holz in ein
073 Konversationsheft, daß der " Christus bis dahin immer volle
074 Häuser gemacht " habe. Die Sinfonien von Charles Ives
075 (1). Erste Sinfonie d-moll. Das
076 Philadelphia Orchester, Leitung: Eugene Ormandy.
077 Einführung: Hans G. Helms. Seine 3.Symphonie hat
078 Charles Ives 1947 den Pulitzer-Preis eingetragen und damit
079 seine Musik überhaupt erst salon fähig oder besser
080 podiumsfähig gemacht. Die späte Anerkennung läßt leicht
081 vergessen, daß Ives einer Ära entstammt, in der die
082 symphonische Form noch Bedeutung gehabt hat. Die Symphonien
083 stehen tatsächlich im Zentrum seines Oeuvres. Genauer, als etwa
084 die Lieder es vermöchten, zeigen sie die Entwicklung seiner
085 Konzeption. (Sigle) Wolfgang Hufschmidt: Meissner Tedeum
086 Nach dem " Tedeum Laudamus " und einen
087 antiphonischen Text von Günter Grass, komponiert im Auftrage
088 der " Internationalen Heinrich-Schütz-Gesellschaft "
089 aus Anlaß des 100jährigen Bestehens des Meissner Domes für
090 Sopran, großen Chor und Orchester; Bariton, Vokalquartett,
091 Bläserquintett, Klavier, Schlagzeug und Tonband. Zur
092 100Jahrfeier des Domes zu Meissen schrieb Wolfgang Hufschmidt
093 (geboren 1934 in Mülheim an der Ruhr) sein " Meissner Tedeum ".
094 In seiner Komposition wird der liturgische Text einem Gegentext
095 gegenübergestellt, den Günter Grass schrieb. Dieser Text
096 bezieht sich als Frage, Widerspruch (Abb.), Zweifel und zuweilen
097 hönische Paraphrase auf den Lobgesang der Liturgie.
098 Entsprechend verbindet Wolfgang Hufschmidt heterogene musikalische
099 Elemente. Auch in der Besetzung spiegelt sich die antiphonische
100 Form; dem großen Chor mit Solosopran und Orchester steht ein
101 kleines Ensemble mit solistisch besetzten Stimmen gegenüber.
102 Musik im Umschwung. Eine Betrachtung zur Kunst
103 der Avantgarde von Peter Faltin. mit Beispielen aus
104 Werken von John Cage und Karlheinz Stockhausen, u. a.
105 Redakteur am Mikrophon: Otto Tomek. Der
106 aus Rpeßburg stammende Musikwissenschaftler Peter Faltin stellt
107 in dieser Sendung die Frage nach der Umwandlung, zu der es in der
108 Entwicklung der Kunst in den letzten Jahren gekommen ist. Dabei
109 geht es nicht um eine Betrachtung von Wandlungen in materieller,
110 technologischer oder ästhetischer Hinsicht, vielmehr um den
111 Umschwung in der eigentlichen Wahrnehmung des Kunstwerkes, um die
112 Umwandlung seines Sinns. Der traditionelle Musikbegriff hat sich
113 seit den 50er Jahren grundlegend verändert, nicht nur durch einen
114 veränderten Inhalt, veränderte Formen, andere Techniken und
115 anderes Material; es änderte sich vielmehr die eigentliche
116 Konzeption und Bedeutung der Musik. Beispiele aus Kompositionen
117 von John Cage und Karlheinz Stockhausen ergänzen die
118 Ausführungen Faltins. (Sigle) Georg Friedrich Händel
119 Caecilien-Ode. Die Caecilien-Ode,
120 nach einer Dichtung John Drydens drei Jahre später als das
121 " Alexander-Fest " komponiert und am Cäcilientag, dem 22.
122 November 1739, in London aufgeführt, ist als lyrischer Anhang
123 und Ausklang des vorigen Werkes zu verstehen. Der christlichen
124 Patronin der Musik, die in der Alexander-Kantate nur am
125 Schluß zitiert worden war, wird nun ausschließlich in einem
126 kurzen, aber von hohem und frommen Enthusiasmus erfüllten
127 Tongedicht gehuldigt. Die Ode Drydens umspannt den gesamten
128 Weltlauf von der Schöpfung bis zum Ende der Zeit und Anbruch
129 der Ewigkeit; sie zeichnet sich nicht nur durch poetischen
130 Schwung, sondern auch durch Gedankenfülle und
131 Bilderfülle aus, die der Musik Gelegenheit zu lyrischer
132 Vertiefung und zu farbiger Tonmalerei gibt. Schubert in
133 seinen Spätwerken. eine Betrachtung von Hans
134 Hollander. Spätwerke eines Künstlers müssen
135 notwendigerweise nicht auch Alterswerke sein. Diese, die
136 Alterswerke, zeichnet gewöhlnlich der hohe Grad ihrer technischen
137 und stilistischen Meisterschaft aus, und das Handwerkliche
138 erscheint oft vergeistigt und vertieft durch die Erfahrung eines
139 langen Lebens. Viel schwieriger, so scheint es uns, ist das
140 Späte, das Endgültige im Schaffen der jung verstorbenen
141 Künstler zu definieren. Vor allem drängt sich hier die Frage
142 auf, worin sich dieses Späte zu erkennen gibt. Ist es eine
143 letzte, kaum mehr zu überbietende handwerkliche Meisterschaft,
144 wie sie etwa Mozarts Werk der letzten fünf bis sechs Lebensjahre
145 kennzeichnet? Eine profunde Weisheit und menschliche Reife, die
146 zusammen mit der künstlerischen Aussage offenbar nicht mehr zu
147 überbieten waren? - Im Gegensatz zu Mozart könnte man bei
148 Schubert sehr wohl eine weitere künstlerische Entwicklung ahnen.
149 Die Lieder und die Kammermusik seiner letzten Lebensjahre, die
150 Unvollendete und die große C-dur-Sinfonie, die späten
151 Klavierwerke eröffnen Ausblicke in ein musikalisches Neuland,
152 das auf verschiedenen Wegen erst wieder von Musikern des späten 19.
153 Jahrhunderts erschlossen worden war. (Sigle) Forum der
154 Musik. Kommentare zu ausgewählten Schallplatten.
155 Gerhard Troeger spricht über Neuerscheinungen aus der
156 Tschechoslowakei., Solisten wie der Geiger Josef Suk,
157 Kammermusik * tk Ensembles wie das Smetana-Quartett
158 oder Janacek-Quartett, Orchester wie die Tschechische
159 Philharmonie Prag unter Karel Ancerl oder Vaclav Neumann sind
160 weltberühmt. Ihre Schallplatten-Einspielungen aber, von
161 heimischen Staatskonzern aufgenommen, sind bei uns fast unbekannt
162 und kaum ohne Schwierigkeiten zu beziehen. Das hat sich vor
163 einiger Zeit positiv geändert, als ein großes westdeutsches
164 Schallplattenhaus und Verlagshaus - das bereits sehr
165 erfolgreich original-sowjetische Aufnahmen in der
166 Bundesrepublik vertreibt - sich des tschechischen Labels annahm.
167 Eine erste Auslese von Schallplatten aus der Tschechoslowakei mit
168 Kompositionen von Beethoven, Mendelssohn Bartholdy, Smetana,
169 Dvorak, Jan cek und anderen wird in dieser Sendung kritisch
170 besprochen. In Japan klingt's ganz anders.
171 Beiträge von Johannes G. Fritsch, Klaus Geitel, Heinz
172 Schröter, Karlheinz Stockhausen, Dieter Thoma und Hidekazu
173 Yoshida. Dazu Reportagen, eine Diskussion und viel Musik
174 Redakteur am Mikrofon: Wolfgang Seifert. E
175 ine Überschau über die verschiedenartigen Musik
176 veranstaltungen und Theaterveranstaltungen - einheimische
177 Aufführungen; Gastspiele auswärtiger Ensembles und die beinahe
178 täglich wechselnden Vorführungen in den einzelnen Expo-
179 Pavillons -, wie sie in verwirrender Fülle rund um die
180 Weltausstellung stattfinden (aber auch im Musikzentrum Tokio, wo
181 die meisten überseeischen Tournee-Gruppen vor oder nach Osaka
182 Station machen), ergibt ein kaleidoskopartig buntes Bild. Seine
183 einzelnen Komponenten sind so gegensätzlich, wie es buddhistisch
184 -liturgische Musik, elektronische Kompositionen von
185 Stockhausen und Takemitsu, eine melodramatische japanische
186 Version von Schillers " Kabale und Liebe " (im Geisha-
187 Kostüm und Samurai-Kostüm von den Girls der 450
188 Mitglieder umfassenden Takarazuka-Show dargeboten), das
189 kanadische Musical " Anne of Green Gables ", indonesische
190 Gamelanmusik, Schönbergs " Moses und Aaron ", algerische
191 Volksmusik, indische Tempeltänze oder Ballettchoreographien auf
192 Werke von Hindemith, Dutillieux und Prokofiew nun einmal sind.
193 Zusammen mit anderen Augenzeugen und Ohrenzeugen
194 versucht der Redakteur am Mikrofon, der an Ort und Stelle
195 akustische Beispiele dieser asiatischen Gelassenheit oder zumindest
196 starke Nerven erfordernden künstlerischen Vielfalt festgehalten
197 hat, so etwas wie einen gemeinsamen Nenner zu finden Und der
198 heißt keineswegs - wie zu vermuten wäre - " Expo " 70 ",
199 sondern eher " Japan heute ". Das will sagen, daß - ganz im
200 Gegensatz etwa zur Weltausstellung von Montreal 1967 - auch die
201 ausgefallensten musikalischen Erscheinungen der Expo nur
202 Spezialfälle des alltäglichen, " normalen " Musiklebens dieses
203 erstaunlichen Landes zu sein scheinen. Nicht die europäisch-
204 amerikanischen Gastspiele - Karajan, Szell oder die Deutsche
205 Oper - setzen die künstlerischen Hauptakzente, sondern das
206 permanente Nebeneinander von uralter Tradition und denkbar
207 größter Progressivität, diese bemerkenswerte Balance von
208 statischen und dynamischen Elementen in der zeitgenössischen Kunst.
209 So ergibt sich das faszinierende Gesamtbild einer überaus
210 dynamischen künstlerischen Gegenwart, in der die elektronisch-
211 futuristische Welt von übermorgen auf friedliche, wenn auch für
212 den ausländischen Beobachter manchmal kuriose Weise mit der
213 ältesten Vergangenheit koexistiert, die - wenigstens heute noch
214 - im Lande der Kirschblüten und der Transistoren, der Geishas
215 und der Super-Expresszüge lebendig ist wie eh und je.
216 Der italienische Mozart. Manuskript: Helmut
217 Reinhold. Redakteur am Mikrofon: Hermann Lang.
218 In diesen Wochen jährte sich zum 200.male, daß
219 Leopold Mozart mit dem knapp vierzehnjährigen Wolfgang Amadeus
220 zur ersten der drei Italienreisen aufbrach, die künstlerisch in
221 mancher Hinsicht den Weg Mozarts entscheiden sollten. Über kaum
222 einen Abschnitt in Mozarts Leben sind wir im Detail so genau
223 unterrichtet wie über diese italienische Zeit. Daß sich Vater
224 Leopolds erklärter Wunsch, Wolfgang an einem der italienischen
225 Höfe fest installiert zu sehen, nicht erfüllte, war wohl für
226 Mozart selbst wie für die Nachwelt ein Glück. (Sigle) Die
227 unbekannte Oper Semiramis. Oper in zwei Akten.
228 Text von Gaetano Rossi. Musik von Gioacchino Rossini
229 Rossinis " Semiramis ", seine 1823 im
230 venezianischen Teatro la Fenice uraufgeführte Opera seria über
231 die sagenhafte babylonische Königin der hängenden Gärten, ist
232 die dreiunddreißigste Oper des damals gerade dreißigjärigen
233 Komponisten - und seine letzte, die er vor seiner Übersiedelung
234 nach Paris für Italien schuf. In ihr summieren sich die
235 italienischen Belcanto-Erfahrungen der Opera seria-
236 Tradition (der eigentliche Held ist eine Hosenrolle für eine
237 Koloraturaltistin - das Nachfolgefach der früheren Kastraten),
238 zugleich aber mutet die wesentlich reichere Orchester
239 schreibweise und Chorschreibweise und der tragische Grundgestus
240 wie ein Vorecho von Rossinis französischem Grand Op‚ra-
241 Spätstil an. Die Klaviersonaten Ludwig van Beethovens
242 Eine Interpretationsreihe von Joachim Kaiser.
243 Geburtstage, Jubiläen, Jahrhundertfeiern sind stets auch
244 Belastungsproben. Je größer die gute Absicht, je wahlloser die
245 Bereitwilligkeit ist, einen großen Mann, sein Werk, seine
246 Gegenwärtigkeit zu feiern, desto mehr drängt sich beim verwirrten
247 und durch unausweichliche Überfülle gegängelten Zuhörer
248 Überdruß auf. Vielleicht gelingt es, so hoffen die für die
249 heute beginnende Sendereihe Verantwortlichen, diese Reaktion im
250 Falle von Beethovens Klaviersonaten einigermaßen zu vermeiden.
251 Konzentriert und systematisch wird hier der Versuch gemacht, die
252 - so Kaiser - " wahrscheinlich doch interessanteste,
253 persönlichste, vielfältigste, intimste und zugänglichste Gruppe
254 der Beethovenschen Kompositionen, nämlich seine 32
255 Klaviersonaten und ihre bedeutenden Interpretationen ernstzunehmen.
256 " In seiner über das ganze Beethoven-Jahr (200.
257 Wiederkehr des Geburtstages) im 14-Tage-Abstand sich
258 erstreckenden Interpretationsreihe wird der Münchener
259 Musikkritiker und Klaviermusik-Spezialist die Sonaten
260 chronologisch von der ersten bis zur letzten präsentieren, über
261 ihre Entstehung, ihre Struktur, ihre stilistische Verflechtung
262 mit dem übrigen Oeuvre sprechen und zugleich Möglicgkeiten zu
263 ihrer musikalischen Realisierung aufzeigen.
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