Quelle Nummer 009
Rubrik 06 : RECHT Unterrubrik 06.13 : INLAENDISCHES
ZUR DREISTUFIGKEIT DER ORDENTLICHEN GERICHTSBARKEIT
DR. HEINRICH MORITZ
CARL HEYMANNS VERLAG KOELN HEFT 10, 48.JAHRGANG,
OKTOBER 1970,S. 309-311
ORGAN DES DEUTSCHEN RICHTERBUNDES
001 Zur Dreistufigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
002 Dr. Rogge vom Geschäftsführenden Vorstand (GfV)
003 des Deutschen Richterbundes (DRB) hat hier kürzlich (DRiZ
004 1970, 149) das Problem der Dreistufigkeit mit begrüßenswerter
005 Ausführlichkeit dargestellt, die Beschlüsse des GfV vom 20.
006 3.1970 mitgeteilt und hierzu eine Begründung gegeben. Die
007 Richterschaft ist aufgefordert, darüber nachzudenken, zu
008 diskutieren und eine Willensbildung herbeizuführen. Dem soll der
009 folgende Beitrag dienen, der sich auf die Zivilgerichtsbarkeit
010 beschränkt. Jede Reform setzt voraus, daß Bestehendes
011 verbesserungsbedürftig ist. Für die geplante Justizreform und
012 hier speziell für die Frage einer Änderung des Aufbaus der
013 ordentlichen Gerichtsbarkeit unter Einführung einer dreistufigen
014 Gliederung kann das im Hinblick auf die Funktion der Rechtspflege
015 im Kern nur bedeuten, ob hierdurch der Schutz des sein Recht
016 suchenden Bürgers wirksamer und besser ausgestaltet wird, ob er
017 also schneller eine bessere Gerichtsentscheidung erhält.
018 Gesichtspunkte der Anpassung an den Aufbau anderer (ungleich
019 kleinerer) Gerichtsbarkeiten, der Durchsichtigkeit der
020 Gerichtsstruktur und der Einheitlichkeit der Verfahrensordnungen
021 müssen demgegenüber zurücktreten. Bejaht man diesen
022 Ausgangspunkt, daß die Güte der Rechtsprechung oberstes
023 Postulat aller Reformbestrebungen zu sein hat, so können die
024 Vorschläge des GfV keine Zustimmung finden. Hauptpunkt der
025 geplanten Reform ist die grundsätzliche Einführung des
026 Einzelrichtersystems am Eingangsgericht, das als Zusammenfassung
027 des bisherigen Amtsgerichts und Landgerichts gedacht ist.
028 Zur Begründung wird im wesentlichen angeführt, daß die
029 gegenwärtige Abgrenzung der Zuständigkeit nach dem Streitwert
030 unsozial sei, daß die beabsichtigte Zuständigkeitsverlagerung vom
031 Landgericht auf das Amtsgericht den Geschäftsanfall bei den
032 Landgerichten ohnehin beträchtlich vermindern würde und daß die
033 Zweigleisigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit die Rechtspflege
034 - insbesondere im Hinblick auf die 4 anderen Gerichtszweige -
035 unübersichtlich mache, was zur Rechtsfremdheit des Volkes und zu
036 seiner Abneigung gegen das Gerichtswesen beitrage. Die nicht zu
037 leugnende Rechtsfremdheit unseres Volkes, auf deren Ursachen hier
038 nicht eingegangen werden kann, hat sicherlich andere Gründe als
039 die Geschäftsverteilung zwischen Amtsgericht und
040 Landgericht. Diese ist seit nahezu 100 Jahren in Geltung und im
041 Bewußtsein der Rechtsuchenden verankert. Der Hinweis auf die
042 Verwaltunggerichtsbarkeit, Arbeitsgerichtsbarkeit,
043 Sozialgerichtsbarkeit und Finanzgerichtsbarkeit
044 überzeugt nicht, weil deren Geschäftsanfall vergleichsweise
045 gering ist und es jedem einleuchtet, daß die Fülle der den
046 ordentlichen Gerichten zugewiesenen Verfahren eine spezieller
047 ausgestaltete Regelung notwendig macht. In allen diesen
048 Gerichtszweigen entscheidet zudem in erster Instanz wie bei den
049 Landgerichten ein aus 3 Richtern bestehendes Kollegium. Ob und
050 in welchem Umfang eine Zuständigkeitsverlagerung vom Landgericht
051 auf das Amtsgericht wünschenswert ist, bedarf doch wohl noch
052 eingehender Überlegungen. Eine Erweiterung der Zuständigkeit
053 des Amtsgerichts für vermögensrechtliche Streitigkeiten bis 5000
054 DM und für sämtliche Ehesachen erscheint zu weitgehend und
055 würde die Bedeutung des Landgerichts zum Nachteil des Bürgers
056 aushöhlen. Das Argument, die bestehende
057 Zuständigkeitsabgrenzung nach dem Streitwert sei unsozial, hält
058 einer Nachprüfung nicht stand. Die Tatbestände, aus denen sich
059 Rechtsstreitigkeiten entwickeln, entstehen in der Regel ganz
060 zufällig und ohne Bezug auf die wirtschaftliche und soziale
061 Stellung der Beteiligten. Denn die Geschäfte des täglichen
062 Lebens, die sich heute in den Prozessen vor dem Amtsgericht
063 widerspiegeln, werden von dem begüterten ebenso wie von dem
064 vermögenslosen und einkommensschwachen Teil der Bevölkerung
065 getätigt. Soweit 23 GVG die Amtsgerichte ohne Rücksicht
066 auf den Streitwert für zuständig erklärt, ist der Gesetzgeber
067 ersichtlich bemüht gewesen, dem Amtsgericht solche Streitigkeiten
068 zuzuweisen, deren präsumtiver Schwierigkeitsgrad die
069 erstinstanzliche Entscheidung durch ein Kollegialgericht nicht
070 erfordert. Dem berechtigten Anliegen, in Einzelfällen von
071 grundsätzlicher Bedeutung auch die Zivilsachen am Amtsgericht
072 einer höchstrichterlichen Entscheidung zugänglich zu machen,
073 könnte durch eine einfache Gesetzesänderung entsprochen werden,
074 indem man gegen die Endurteile der Berufungskammern am Landgericht
075 die Zulassungsrevision einführt, gegebenenfalls mit der
076 Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde. Damit wäre zugleich
077 der Rechtseinheit gedient. Nach den Vorstellungen des GfV
078 soll am Eingangsgericht während einer Übergangszeit ein
079 " Mischsystem " (Einzelrichter neben Kollegium) und danach im
080 Grundsatz das Einzelrichtersystem eingeführt, für gewisse
081 Sachbereiche (gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht,
082 Handelsrecht und Baulandsachen) jedoch das Kollegialsystem
083 beibehalten werden. Ob die Handelssachen eine solche Bevorzugung
084 verdienen, erscheint im Hinblick auf die begrenzte faktische
085 Mitwirkung der Handelsrichter bei der Rechtsfindung zweifelhaft.
086 Immerhin wird deutlich, daß auch die Anhänger der
087 Dreistufigkeit davon ausgehen, daß das Kollegium die abgewogenere
088 und damit bessere Rechtsprechung gewährleistet. Hier noch ein
089 paar Worte zum " Mischsystem ". Danach soll der Einzelrichter
090 die Möglichkeit haben, eine Sache an die Kammer abzugeben,
091 andererseits der bestehenbleibenden Kammer (gewerblicher
092 Rechtsschutz, Urheberrecht usw.) vorbehalten bleiben, eine
093 Sache an den Einzelrichter zu verweisen. Also einmal vom
094 Einzelrichter zur Kammer, das andere Mal von der Kammer zum
095 Einzelrichter. Wenn aber schon die Möglichkeit eröffnet werden
096 soll, Einzelrichter oder Kammer entscheiden zu lassen, dann
097 sollte diese Wahl doch denen zugestanden werden, die unmittelbar
098 betroffen und interessiert sind, nämlich den Parteien. Würde
099 man so verfahren, dann kann kein Zweifel daran bestehen, daß die
100 Parteien nahezu ausschließlich die Kammer anrufen würden. Jede
101 Meinungsumfrage wird das bestätigen. Denn von der schon nach
102 geltendem Recht gegebenen Möglichkeit nach 349 Abs. 3
103 ZPO: " Im Einverständnis beider Parteien kann der
104 Einzelrichter bei Streitigkeiten über vermögensrechtliche
105 Ansprüche an Stelle des Prozeßgerichts entscheiden ", wird so
106 gut wie überhaupt nicht Gebrauch gemacht. Im einzelnen bestehen
107 gegen das Einzelrichtersystem folgende Bedenken: Jeder
108 Richter, gleich welcher Befähigung, Rechtskenntnisse,
109 Tüchtigkeit und Pflichtauffassung, gleich welchen Alters und
110 welcher Erfahrung, wird für das ihm zugeteilte Sachgebiet
111 (regelmäßig also für den betreffenden Buchstaben) für sämtliche
112 Rechtsstreitigkeiten gleich welcher Bedeutung und bis zu
113 unbegrenztem Streitwert zuständig. Das wird der eine besser, der
114 andere weniger gut, ein Teil nur schlecht leisten können. Dabei
115 ist auch die unterschiedliche Veranlagung zu eigenverantwortlicher
116 Arbeit zu berücksichtigen. Es würden sich - wie das bei den
117 Amtsgerichten schon immer festzustellen war - in dem Wert der
118 Rechtsprechung der Einzelrichter zu Lasten des Rechtsuchenden
119 merkliche Unterschiede ergeben. Demgegenüber hat das
120 Kammersystem den Vorzug, die Verschiedenartigkeit der dem
121 Spruchkörper angehörenden Richter in Begabung und Leistung, in
122 Alter und Erfahrung, Entscheidungsfreudigkeit und Rechtsgefühl
123 weitgehend auszugleichen. Im Schmelztiegel des dreiköpfigen
124 Kollegiums, zu dem jeder beiträgt, wird der Streitfall unter
125 vielseitigeren Aspekten beleuchtet und daher ausgewogener
126 entschieden, als es einem der Beteiligten allein möglich wäre.
127 Wer lange als Amtsrichter tätig war, kennt die Bedeutung der
128 fehlenden Diskussionsmöglichkeit. Dem allgemein anerkannten
129 Bestreben, die Rechtsprechung im Interesse der Rechtssicherheit
130 möglichst einheitlich zu gestalten, wirkt das Einzelrichtersystem
131 entgegen. Es leuchtet ein, daß die Entscheidungsdivergenzen bei
132 einer Vielzahl von Einzelrichtern größer sind als bei der etwa um
133 zwei Drittel kleineren Zahl von Spruchkörpern (Besetzung mit 3
134 Beisitzern unterstellt), die aus einer größeren Breite des
135 Rechtsstoffs sammeln und dauerhaft in eine größere Breite
136 hineinwirken. Die fortschreitende Spezialisierung, die auch bei
137 den Landgerichten in steigendem Maße zur Zuweisung von
138 Spezialmaterien an einzelne Kammern geführt hat, würde ihrer
139 Vorzüge beraubt, wenn statt dieses einen Kollegiums nunmehr 3
140 Einzelrichter zur Entscheidung in diesem Spezialgebiet berufen
141 wären. Auch wird es sich nicht vermeiden lassen, daß in der
142 Besetzung der Einzelrichterdezernate durch Änderung der
143 Geschäftsverteilung, Abordnung des Richters an das
144 Oberlandesgericht oder ein Ministerium häufiger ein Wechsel
145 eintritt. Die Folge ist die mit Recht unbeliebte Einarbeitung
146 des Nachfolgers, die erfahrungsgemäß die Erledigung der
147 Verfahren verzögert und ihnen auch sonst nicht förderlich ist.
148 Demgegenüber kann man sicherlich von einer kontinuierlichen
149 Rechtsprechung der Kammer reden. Sie hat sich in vielen Jahren
150 entwickelt und wird, weil der Spruchkörper auch bei personellen
151 Veränderungen im Kern unberührt bleibt, fortgeführt. Der
152 Vorsitzende wechselt nur selten. Ihm und den verbleibenden
153 Kollegen ist diese Rechtsprechung vertraut, sie wird an den neu
154 hinzutretenden Richter weitergegeben. Das Ausscheiden eines
155 Beisitzers wird daher leichter verkraftet. Daß auf diese Weise
156 vor allem eine Spezialmaterie mit größerem Nutzen für den
157 Rechtsuchenden bearbeitet wird als von mehreren Einzelrichtern,
158 liegt auf der Hand. Die Ausbildung des Richternachwuchses
159 ist bei Einführung des Einzelrichtersystems nicht mehr in
160 zureichendem Maße gewährleistet. Daß der junge Assessor nicht
161 alsbald als Einzelrichter verwendet werden kann, bezweifelt niemand.
162 Gegenwärtig wird er für 6 Monate mit halbem Dezernat in der
163 Kammer eingesetzt und allmählich in die Rechtsfindung
164 eingearbeitet, wobei ihm die älteren Kollegen mit ihrem Rat zur
165 Seite stehen. Nach Umstellung auf das volle Dezernat und
166 weiterer Bewährung wird der Assessor als Einzelrichter am
167 Amtsgericht erprobt und nach insgesamt mindestens dreijähriger,
168 zufriedenstellender Tätigkeit in eine Planstelle eingewiesen.
169 Dieses Verfahren hat sich seit langem bewährt und wird auch von
170 den jungen Richtern als nahezu optimale Lösung des Problems der
171 beruflichen Einarbeitung anerkannt. Die Reformvorschläge bieten
172 als Ersatz für diesen erprobten Ausbildungsweg einen Lehrgang an
173 der Richterakademie und/oder die Tätigkeit als Richtergehilfe an.
174 Der Besuch einer (in seßhafter Form noch einzurichtenden)
175 Richterakademie, mag er auch für mehrere Monate veranschlagt
176 werden, kann den Ausbildungswert einer mehrjährigen praktischen
177 Arbeit in einem richterlichen Spruchkörper nicht erreichen. Das
178 Klima der mündlichen Verhandlung, der persönliche Umgang mit
179 Anwälten und Parteien, die Vernehmungstechnik in der
180 Beweisaufnahme, der Meinungsaustausch in der Beratung und nicht
181 zuletzt die tägliche Aktenarbeit im Dezernat lassen sich nicht mit
182 gleichem Nutzen lehren wie in der praktischen Übung erfahren.
183 Diese Praxisnähe wird dem Richterassessor als Gehilfen des
184 Einzelrichters nur mittelbar und daher nur in eingeschränktem
185 Umfang zuteil. Daneben bestehen andere Nachteile. Zum einen
186 muß eine solche Gehilfentätigkeit Stückwerk bleiben, wenn sie
187 zugleich zur Entlastung des Richters beitragen soll. Es werden
188 sich immer nur Teilfragen delegieren lassen, die in der
189 Zusammensetzung noch nicht die volle Breite richterlicher Arbeit
190 ergeben. Vor allem aber wird auf diese Weise der Nachwuchs nicht
191 in die Verantwortung eingeführt, die einen wesentlichen Teil des
192 Richtens ausmacht. Die Zahl der Richter wird sich bei
193 Einführung des Einzelrichtersystems nicht vermindern lassen.
194 Rogge macht es sich doch wohl zu einfach, wenn er eine Zahl
195 von Richterkräften für entbehrlich hält, die etwa der der
196 heutigen 1200 Landgerichtsdirektoren entspricht, und davon
197 lediglich 200 bis 400 verbleibende Vorsitzendenstellen in Abzug
198 bringt. Die von den Kammervorsitzenden geleistete Arbeit,
199 insbesondere das umfangreiche Dezernat, muß von den
200 Einzelrichtern zusätzlich übernommen werden. Ob sie dann noch
201 die gleiche Zahl von Prozessen bearbeiten können wie innerhalb der
202 Kammer, erscheint fraglich. Das Maß an freiwerdender
203 Arbeitskraft der stellvertretenden Vorsitzenden dürfte kaum ins
204 Gewicht fallen, weil sich die Vorsitzenden nur noch während ihres
205 Urlaubs und in Krankheitsfällen vertreten lassen. Am
206 Landgericht Düsseldorf, das als repräsentativ gelten kann, sind
207 von 34 Direktoren (ohne Entschädigungskammer) 13 in einer
208 erstinstanzlichen Zivilkammer tätig. Zwei dieser Kammern sind
209 mit gewerblichem Rechtsschutz und Urheberrecht befaßt, also mit
210 Rechtsgebieten, für die am Kollegialsystem festgehalten werden
211 soll. Es verbleiben 11 Vorsitzende von Kammern, die aufgelöst
212 werden sollen. Das entspricht 32 %. Umgerechnet auf 1200
213 Direktoren im Bundesgebiet würden mithin 384 Richter eingespart
214 werden können. Berücksichtigt man angemessen, daß ihre
215 Funktionen von den Einzelrichtern zu übernehmen sind, so würden
216 höchstens 300 Richterkräfte frei, das sind 3 bis 4 % aller
217 Richter auf Lebenszeit. Eine Einsparung bei den Landgerichten
218 in diesem geringen Umfang würde jedoch nicht einmal wirksam. Denn
219 die Zahl der Oberlandgerichte muß vergrößert werden. Rogge
220 spricht in diesem Zusammenhang von einem Mehrbedarf an
221 Oberlandesrichtern von 100 bis 150 %. Das sind nach den
222 vorliegenden Zahlen 1000 bis 1500 zusätzliche Planstellen.
223 Richtig ist, daß ein großer Teil dieser Stellen dadurch
224 ausgeglichen wird, daß die Berufungskammern und
225 Beschwerdekammern der Landgerichte - stellenmäßig gesehen -
226 an die Oberlandesgerichte verlegt werden. Damit wird aber der
227 Mehrbedarf an Planstellen dort nicht voll gedeckt, weil neue
228 Stellen für die Chefpräsidenten, Vizepräsidenten und
229 Präsidialrichter erforderlich sind, Auch muß - wie unter HI.1.
230 aufgezeigt wird - mit einer vermehrten Zahl von
231 Rechtsmitteln gegen die Entscheidungen der Einzelrichter gerechnet
232 werden. Im Ergebnis gehen die Einsparungen an den Landgerichten
233 durch zusätzliche Planstellen an den Oberlandesgerichten wieder
234 verloren. Kann somit die Zahl der Richter bei der Einführung
235 der Dreistufigkeit nicht oder nur allenfalls unwesentlich verringert
236 werden, so entfällt ein entscheidender Gesichtspunkt, der die
237 Reformgedanken des Richterbundes veranlaßt hat. Für die
238 Einführung des Einzelrichters scheint die Möglichkeit zu
239 sprechen, das Verfahren zu straffen und zu beschleunigen. In der
240 Tat führt die in der Kammer (wie übrigens auch in den Senaten
241 der Oberlandesgerichte) übliche Verweisung des Rechtsstreits an
242 den Berichterstatter zum Zwecke der Zeugenvernehmung zu
243 Verzögerungen, weil der Beweistermin nicht zur Weiterverhandlung
244 verwendet werden kann, die Sache vielmehr an die Kammer
245 zurückzuverweisen und neuer Kammertermin zu bestimmen ist. Wenn
246 zudem bemängelt wird, daß auf diese Weise die
247 Tatsachenaufklärung überwiegend von einem einzigen Richter des
248 Kollegiums vorgenommen wird, so ist dazu zu sagen, daß beides
249 nicht am System liegt, sondern an seiner Praktizierung. Die
250 ZPO sieht im Grundsatz die Beweisaufnahme vor der Kammer vor.
251 Der gerügte Zustand beruht darauf, daß die Zivilkammern seit
252 Jahren in einer Weise belastet sind, die die Beweisaufnahme in
253 sämtlichen Sachen vor dem Kollegium zeitlich einfach ausschließt.
254 Das Gesetz geht von der Besetzung der Kammer mit einem
255 Vorsitzenden und 2 Mitgliedern aus. Seit langem aber hat die
256 Justizverwaltung, um der zunehmenden Zahl der Prozesse Herr zu
257 gestellt.
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