Kant: Briefwechsel, Brief 895, Von Friedrich Theodor Rink.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Friedrich Theodor Rink.      
           
  13. Iuli 1802.      
           
  Verehrungswürdigster Herr Professor!      
           
  Ew: Wohlgebohrnen verlangen die mir vor 8 Tagen zugesendete      
  Erklärung in Betreff des Buchhändler Vollmer zurük, weil Sie die      
  Tage Ihres ehrwürdigen Alters nicht durch persönliche Streitigkeiten      
  beunruhigt wißen wollen. Ihr Verlangen, und Ihre Ruhe sind mir      
  zu heilig, als daß ich nicht eilen sollte, Ihrem Befehle gemäß, das      
  Original Ihrer Erklärung, Ihnen wieder zuzustellen. Aber nun erlauben      
  Sie mir auch dies zu bemerken:      
           
  Haben Sie mir nicht die Herausgabe Ihrer physischen Geographie      
  würklich übertragen, und die Erscheinung derselben zu dieser Iubilatemesse      
  gewißermaßen zur Pflicht gemacht? Haben Sie dagegen je den Buchhändler      
  Vollmer bevollmächtiget, eine physische Geographie unter Ihrem      
  Nahmen herauszugeben? Ia, haben Sie es vor einem Iahre nicht      
  offentlich erklärt, daß Sie nur mir, und nicht Vollmer'n den Auftrag      
  zur Herausgabe Ihrer physischen Geographie ertheilt hätten? Das      
  haben Ew: Wohlgebohrnen und mit Recht gethan! Vollmer will dem      
  Publicum glauben machen, Sie hätten es nicht gethan, und nun wollen      
  Sie Ihre Bescheinigung einer Wahrheit von mir zurüknehmen? Aber      
  mein Brief an Vollmern? der ist wol so beschaffen daß er die Mühe      
  nicht verdient, für mich die Wahrheit zu behaupten? Ew: Wohlgebohrnen      
  erhielten den Antrag eines ungeheuern Honorars von dem      
  Buchhändler Vollmer, wenn Sie ihm Ihre Schriften in Verlag geben      
  wollten. Sie erzehlten uns das bey dem Mittagsessen, und wir Alle      
  waren gleicher Meynung darin, daß er bey einem solchen Honorar kein      
  ehrlicher Mann bleiben könne. "Ich mögte wißen, sagten Ew: Wohlgebohrnen,      
  ob es dem Menschen nur ein Ernst gewesen ist, mit solchen      
  Anerbietungen, oder was er dadurch hat erreichen wollen." -["]Das      
  kann man ja erfahren, sagte ich dagegen, wenn ich wegen der physischen      
  Geographie, (die Sie mir damals gerade übergeben hatten) an ihn      
  schreibe." Dieses Tischgespräch ward Veranlaßung jenes Briefes, den      
  ich, gerade zur Zeit meiner höchsten Kränklichkeit schrieb, und in dem      
  ich mir leider! die Mühe gab, Vollmern auszuforschen. Ob es dabey      
  meine Absiecht seyn konnte, Ew. Wohlgebohrnen zu hintergehen? Dabey      
  hätte ich doch einen Zwek haben müßen. Und Gewinnsucht sollte      
           
  dieser Zwek gewesen seyn? Ie nun, warum nahm ich denn die einträglichen      
  Anerbietungen Vollmers damahls nicht an? warum unterhandelte      
  ich weiter nicht mit ihm? zu einer Zeit, da mir ein Paar      
  hundert Thaler weit mehr werth waren als izt. Uebrigens könnte ich      
  gegen manche Stelle des mir von Vollmer zugeschriebenen Briefes noch      
  manches einwenden Aber womit diesen oder jenen kleinen Umstand      
  belegen da ich mein Schreiben an Vollmer gar nicht in Abschrift behalten,      
  und Vollmer's Antwort, von der ich nicht gewiß weiß, ob ich      
  Ihnen etwas darüber gesagt habe, sogleich nach ihrem Empfange, als      
  unnütz cassirte. Ia, hätte ich Vollmern die phys: Geographie in Verlag      
  geben wollen: so durfte ich das ja nicht hinter Ihrem Rükken thun,      
  da Iähsche und ich, uns ausdrüklich die Erlaubniß erbaten und von      
  Ihnen erhielten, ganz ungehindert deshalb unterhandeln zu können.      
           
  Ist demnach nur noch einige Ursache, ich will nicht sagen vorhanden,      
  sondern nur denkbar, die mich zu einer Unlauterkeit hätte bewegen      
  können? Ia, ich darf dreust die Frage an jeden thun, ob er      
  mir je eine Unlauterkeit vorwerfen konnte, und je etwas andres, als      
  einen leidenschaftlichen Freund der Wahrheit in mir sah?      
           
  Mag also auch jemand in Ihrer Nähe ein Interesse haben, mich      
  Ihnen zweifelhaft zu machen, wie es mir scheint: so rechne ich doch      
  darauf, daß Sie, Verehrungswürdigster, und mancher Andre mich genauer      
  kennen, und daß Sie, wenn Sie für Ihre Ruhe auch, die Ausdrükke      
  Ihrer lezten Erklärung zu stark finden, Sie doch die Güte haben      
  werden, mir wenigstens Ihre eigenhändige Erklärung zuzustellen, da      
  Ihre erste Erklärung gegen den Buchhändler Vollmer, würklich      
  von Ihnen herrühre Da diese Bitte ganz der Wahrheit gemäß      
  ist: so zweifle ich nicht, daß Sie mir dieselbe gewähren werden.      
           
  Ihre neuliche Erklärung ist zwar zum Abdruk abgegangen, aber      
  ich habe sogleich nachgeschrieben, daß sie nicht soll abgedrukkt werden. In      
  persönliche Streitigkeiten können Ew. Wohlgebohrnen dadurch aber, meiner      
  ganzen Einsicht nach nicht kommen. Doch, Ihr Befehl, Ihr bloßer Wunsch      
  ist mir zu theuer, als daß ich nicht Alles für ihn thun sollte. Ihrer gütigen      
  Auskunft sehe ich mit Verlangen entgegen, und nichts wird die innige      
  Verehrung abändern, mit der ich auch izt die Ehre habe zu verharren,      
           
    Ew: Wohlgebohrnen      
  Danzig ganz gehorsamster Diener      
  d. 13ten Iuly 1802. Rink.      
           
           
           
           
     

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