Kant: Briefwechsel, Brief 894, Von Ionas Ludwig von Heß.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Ionas Ludwig von Heß.      
           
  Hamburg am 15ten May 1802.      
           
  Immer hofte ich lieber Herr Profeßor durch ein Paar Zeilen von      
  Ihrer güttigen Freundschaft erfreut zu werden, und zu hören, da      
  Ihre so schätzbare Gesundheit sich gebessert habe Aber fast muß ich      
  fürchten, daß Ihr Befinden schlimmer geworden ist, da Sie mir das      
  innige Vergnügen, von Ihnen mit ein paar Worten beehrt zu werden      
  so lange versagt haben. Wenn meine Wünsche für Ihr Wohlsein hätten      
  wirken können, gewiß, Sie genössen die vollkomenste Gesundheit, und      
  ich, die größte Freude, der ich in dieser Welt theilhaftig werden kann.      
           
  Sie haben auch nicht lieber Herr Profeßor mir sonst um etwas von      
  hier aus, in die mindeste Thätigkeit ferner gesetzt. Da doch wohl manches      
  bey uns zu finden wäre, was Ihnen angenehm sein konnte und nicht      
  bey Ihnen zu haben ist.      
           
  Solte es für Sie lieber Herr Prf. zu beschwerlich sein, Selbst      
  darüber zu schreiben, so wird Herr Barkley sich gerne der Mühe      
  unterziehen, und das was Sie ihm darüber sagen werden, mit seiner      
  gewohnlichen Genauigkeit überschreiben, alsdann ich solches eben so      
  exakt zu erfüllen suchen werde.      
           
  Sollte unter den übersandten Weinen eine Gattung sich finden,      
  die nach Ihrem Geschmack und Ihrer Gesundheit besonders zuträglich      
  wäre, so bitte ich mir nur die Benennung, welche sich auf dem Siegel      
  befindet zu sagen, nebst der Quantität, welche Sie davon zu haben      
  wünschen, und sie werden solche so bald als es nur immer möglich bey      
  Sich anlangen sehen.      
           
  Was werden Sie jetzt über den gäntzlichen Rückfall der Dinge in      
  Frankreich sagen lieber H. P.? Wir stehen nach 12 Iahren wieder da,      
           
  von wo wir ausgingen, und haben sogar die plumpesten Formen in      
  der Religion wieder hervorgesucht, nachdem man die unbedingteste Gewalt      
  nicht auf dem Thron, aber doch in den Ghalleeren eingesetzt hat      
  Von dieser Seite ist demnach wohl kein hoher Grad von Weltfreiheit,      
  noch von Aufklärung zu erwarten, und wir thun wohl, je ehr je lieber,      
  alle unsere darüber gehegte und gepflegte Hoffnungen mit einem mahle      
  zu Grabe zu tragen.      
           
  Meine Gesundheit hat diesen Winter gelitten. Ich habe zu anhaltend      
  und anstrengend arbeiten müssen. Um mich zu erholen, denke      
  ich eine kurtze Reise nach Sachsen, Bohmen und Wien zu machen.      
           
  Wenn Sie mir lieber HE Pr wollen wissen lassen, ob der gesandte      
  Ungar Wein nach Ihrem Geschmack und gut gewesen ist, so bin ich      
  in Wien an der Quelle um mehreren zu verschaffen.      
           
  Ich habe zu meinem Leidwesen gehört daß der Lampe sich doch      
  so übel betragen daß Sie genöthigt gewesen sind, ihn zu entlassen.      
  Möchten Sie doch einen bessern, und sittlichern Menschen zu Ihrer      
  Aufwartung wieder erhalten haben. Der Lampe muß doch unzubessernd      
  gewesen sein, da alle Nachsicht und alle Ermahnung nichts gefruchtet      
  haben.      
           
  Leben Sie so wohl und gesund als nur moglich; und wenn es      
  Ihnen nicht zu viele Beschwerden macht, so sagen Sie durch ein Paar      
  Worte, daß Sie nicht ganz vergessen haben Ihren Sie verehrenden      
  und liebenden      
           
  I. L. v. Heß.      
           
           
           
     

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