Kant: Briefwechsel, Brief 779, Von Christoph Wilhelm Hufeland.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Christoph Wilhelm Hufeland.      
           
  Iena d. 30. Sept. 1797.      
           
           
  Ew. Wohlgeboren      
  kann ich nicht beschreiben, wie sehr mich die zwey Briefe, womit      
  Sie mich beehrt haben, erfreut haben, und ich würde dieß Gefühl      
  nicht so lange haben zurückhalten können, wenn ichs nicht gethan hätte,      
  um Ihnen zugleich etwas über den jungen Motherby, den Sie mir      
  empfahlen, schreiben zu können. - Um so mehr freut es mich, daß ich      
  Ihnen in Betreff seiner das Beste melden kann. Ich habe nicht leicht      
  einen jungen Menschen gesehen, der mit so viel Lebhaftigkeit des Geistes      
  solche Festigkeit, Wahrheit und Sittlichkeit des Karakters verbindet, und      
  der mir in so kurzer Zeit so herzlich lieb und werth geworden wäre.      
  Seine Aufführung ist untadelhaft, sein Fleiß unermüdet, und er gehört      
  zu denen meiner Zuhörer, die mir wahre Aufmunterung und Belehrung      
  in meinem Geschäfte sind. Ich habe nichts an ihm auszusetzen,      
  als daß er zu selten zu mir kommt, und ich werde, um die      
  mehr zu bewirken, ihn in mein Konversatorium und Disputatorium      
  diesen Winter ziehen. Ueberhaupt verspreche ich Ihnen alles zu thun,      
  so viel an mir liegt, um ihn zu einem brauchbaren und nüzlichen      
  Bürger zu bilden.      
           
  Ew. Wohlgeboren haben mich mit der angenehmen Hofnung sehr erfreut,      
  daß Sie geneigt wären, einen medizinischen Gegenstand zu bearbeiten,      
  und zwar den so intereßanten von der Macht des Gemüths      
  über seine krankhaften körperlichen Empfindungen. Wäre es Ihnen      
  doch bald gefällig und wegen andrer Geschäfte möglich! Denn eben      
  in diesen psychologisch=medizinischen Gegenständen hat es noch so sehr      
           
  an philosophischer Behandlung gefehlt, und wie viel würde sich nicht      
  unsre Kunst noch nebenbey fruchtbare Bemerkungen und Aufschlüße      
  versprechen können! Ich widerhole also nochmals im Nahmen des ganzen      
  medizinischen Publikums, das Sie sich dadurch verpflichten würden, die      
  Bitte, dieser schönen Idee bald einige Stunden zu widmen, und füge      
  noch den Wunsch bey, daß Sie dann die Güte haben, und den Aufsatz      
  mir für das Iournal der pract. Heilkunde überlaßen möchten, wo      
  er am schnellsten im mediz. Publikum bekannt werden, und zugleich      
  diesem Iournal zur großen Zierde gereichen würde.      
           
  Uebrigens wünsche ich von Herzen, daß Gott, so wie er Ihre      
  Kräfte und Verdienste verdoppelt hat, auch Ihre Tage verdoppeln,      
  und Ihnen ferner ein dauerhaftes Wohlseyn schenken möge. Laßen      
  Sie mich ferner Ihrem Andenken empfohlen seyn.      
           
  Mit größter Verehrung bin ich      
           
    der Ihrige      
    D Hufeland.      
           
           
           
     

[ abgedruckt in : AA XII, Seite 203 ] [ Brief 778 ] [ Brief 780 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ]