Kant: Briefwechsel, Brief 735, Von Iohann Benjamin Erhard.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Iohann Benjamin Erhard.      
           
  Nürnberg d. 16. Ien. 797.      
           
  P. P.      
           
  Hoffentlich werden Sie mein letztes Schreiben daß in einen Brief      
  von Hofrath Arndt an den selig. Hippel eingeschlossen war, erhalten      
           
  haben. Wenn Sie es nicht erhalten haben, verliehren Sie Nichts dabey,      
  ich gab Ihnen bloß Nachricht, daß ich lebe und daß ich mich beschäftige,      
  und dieß werden Sie aus diesen auch ersehen.      
           
  Durch mein Bruchstück aus dem Arkesilas habe ich bei den Aertzten      
  in ein Wespennest gestochen, und nun muß ich zu meinen Schutz und      
  Schirm sorgen, daß das Ganze bald erscheint. Ehe aber mein Arkesilas      
  erscheint, wird ein Fragment aus meiner Theorie der Gesetzgebung      
  erscheinen. Ich wurde nehmlich durch den Minister von Hardenberg      
  veranlaßt, diesen Theil der Gesetzgebung, der sich auf das körperliche      
  Wohlseyn der Bürger bezieht ausser der Ordnung zu bearbeiten, weil      
  er bey der Einrichtung der Medicinalanstalten in Anspach u. Bayreuth      
  Gebrauch davon machen möchte. Dadurch hoffe ich nun auch, die      
  Aertzte, zwar gar nicht mit mir auszusöhnen, denn dieß will ich nicht,      
  weil sie im Durchschnitt ein unaufgeklärteres u. eigennützigeres Gesindel      
  sind, als Iuristen und Theologen, sondern, ihnen den Mund zu stopfen.      
           
  Ihr Naturrecht habe ich noch nicht erhalten, ich freue mich ausserordentlich      
  darauf, weil es mir dienen kann, zu sehen ob ich Sie gefaßt      
  habe, denn wenn dieß ist, so muß das, was ich über das Naturrecht      
  schrieb mit Ihren Gedanken übereinstimmen. Fichtes Naturrecht      
  hat von der Helfte aus, viel gutes, aber der Anfang ist gänzlich Radotage.      
  Überhaupt ist es Schade daß Fichte sich so sehr in Unsinn      
  verliehrt, um der tiefsinnigste aller Weisen zu scheinen. Ich soll leider      
  seine philosophischen Schriften recensiren, und bin noch nicht über den      
  Ton einig, den ich dabey nehmen soll. Auch HE. Beck hat sich in      
  den 3ten Theil seines Auszugs ziemlich verstiegen, ich konnte nicht      
  unterlassen, in der Rec. seine Arroganz zu rügen, so wie ich Schellings      
  Unsinn nicht schonte.      
           
  Ihr Streit mit Reimarius in der Berl. Monatsschrift hat mich      
  amüsirt. Der liebe Reimarius wollte sich als Mathematiker zeigen,      
  und glaubte nicht, eine so bekannte Sache zu Markte zu bringen. Die      
  schönste Formel 2 Vyx wo x die à Differenz zwischen 2 von den Zahlen      
  bedeutet y = das arithmetische Mittel, und die Formel die 3te giebt,      
  hat er nicht gefunden Durch diese Formel kann man Zahlen von beliebiger      
  Differenz finden.      
           
  Leben Sie wohl und erhalten Sie mir ihre Freundschaft      
           
  Ihr      
  I. B. Erhard.      
           
           
  N. S. Hofrath Arndt ist Ihr Schüler geworden, und läßt Sie      
  herzlich grüßen. Er hat einen Briefwechsel nach Petersburg über Ihre      
  Philosophie.      
           
           
           
     

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