Kant: Briefwechsel, Brief 727, Von Ludwig Heinrich Iakob. |
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| Von Ludwig Heinrich Iakob. | |||||||
| Halle den 7 Dec. 1796 | |||||||
| Ich habe schon längst, mein Hochgeschätzter und Verehrter Lehrer, | |||||||
| mit Sehnsucht Ihre Metaphysik des Rechts erwartet, die als fertig | |||||||
| angekündiget ist, wovon aber wahrscheinlich der Druck noch nicht | |||||||
| vollendet ist. Hr. Kiesewetter schreibt mir auch, daß Sie an Ihrer | |||||||
| Tugendlehre arbeiten, und so werden Sie bald im Beispiele die Anwendbarkeit | |||||||
| der allgemeinen Grundsätze zeigen, welche zu verdrehen | |||||||
| sich so viele angelegen seyn lassen. Ich habe Ihre feine u. humane | |||||||
| Ironie gegen Schlosser mit großem Vergnügen gelesen. Aber nichts | |||||||
| übertrift die Plumpheit, mit welcher er hierauf geantwortet hat. Ich | |||||||
| habe mir es in dem bald erscheinenden 4ten Stück der Annalen angelegen | |||||||
| seyn lassen, das Publikum insonderheit auf die Verschiedenheit | |||||||
| der Manier aufmerksam zu machen, mit welcher auf beiden Seiten | |||||||
| der Streit geführt ist. Hr. Schlosser zeigt sich als ächter Zelot u. | |||||||
| gibt der kritischen Philosophie alles Unheil Schuld, das in unsern | |||||||
| Tagen entstanden ist. Auch Hn. Schwab ist, wie ich glaube in den | |||||||
| Annalen gut begegnet, der in seiner Preisschrift die Sätze der Kritik | |||||||
| nach seiner dogmatischen Weise ganz verkehrt u. so seine Einbildungen | |||||||
| statt Ihrer Sätze kritisirt. In der That glaube ich, daß die Annalen | |||||||
| von der Seite, daß sie über die philosophische Litteratur eine kritische | |||||||
| kaltblütige Aufsicht führen, nicht ohne Verdienst sind. Ich wünschte | |||||||
| daher nur, daß das Publicum den Verleger etwas mehr aufmunterte. | |||||||
| Aber dies scheint nicht so, und ich zweifle daher, ob ich sie fortsetzen | |||||||
| werde, welches mir um der Sache selbst willen recht leid thut. | |||||||
| Ich schrieb Ihnen das letzte Mahl, daß man mir von Göttingen | |||||||
| aus Hofnung gemacht habe, daß ich dahin vocirt werden würde. | |||||||
| Wirklich ist dieses auch noch immer Heynens u. einiger andern | |||||||
| Männer von Einfluß Wunsch u. Wille. Allein es scheint, als ob | |||||||
| Hr. Feder für seinen Schwiegersohn den Verf. des Aenesidemus arbeitet. | |||||||
| So viel ist gewiß, daß Hr. Feder Ostern Göttingen verläßt. | |||||||
| Es sind aber viele der älteren Professoren bittere Feinde der kritischen | |||||||
| Philosophie, u. man hat sie in Hannover bey den Großen verdächtig | |||||||
| gemacht, so daß man dort Bedenken trägt, auf die Vorschläge, einen | |||||||
| Mann, der als ein Verbreiter u. Anhänger der krit. Philosophie bekannt | |||||||
| ist, nach G. zu rufen, Rücksicht zu nehmen? So herrscht die | |||||||
| Kabale in unsern Tagen nicht minder, als zu Duns u. Langens | |||||||
| Zeiten. Ich kann unter diesen Umständen nichts thun, als die | |||||||
| Sache gehen lassen, wie sie geht. Indessen muß ich gestehen, daß ich | |||||||
| in mehr als einer Rücksicht wünsche, es möchte ein Antrag von G. | |||||||
| aus an mich kommen. Und wenn es mir möglich wäre, würdiger | |||||||
| Mann, Sie mit in mein Interesse zu ziehen, welches mir gewiß gelingt, | |||||||
| wenn Sie es für das Interesse der Philosophie zugleich halten; | |||||||
| so würde ich Sie ersuchen, jener Kabale doch von Ihrer Seite irgend | |||||||
| etwas entgegenzusetzen u. mir durch Ihr Ansehen das wieder zu geben, | |||||||
| was mir jene schaden. In Ansehung des Wie? wage ich es nicht | |||||||
| Ihrer Klugheit Vorschläge zu thun, da Sie selbst allein mit den Verbindungen | |||||||
| in Göttingen u. Hannover bekannt und, durch welche Sie | |||||||
| mir nützlich seyn könnten. Nur so viel erlauben Sie mir aus meiner | |||||||
| eignen Localkenntniß hinzuzufügen. In Hannover gibt es zwey | |||||||
| Männer, welche vorzüglich auf die Besetzung der Stelle Einfluß haben. | |||||||
| Diese sind der Geh. Sekr. Brandes und Rehberg. Ersterer ist | |||||||
| Departementssecretär, letzterer steht in vielen Verbindungen mit | |||||||
| jenem. Ich habe Ursache zu glauben, daß ich die Achtung beyder | |||||||
| genieße, u. ich glaube, daß wenn Sie Gelegenheit nähmen, mich | |||||||
| ihnen zu empfehlen u. Sie zu bitten, ihren Einfluß dahin zu verwenden, | |||||||
| daß auf mich reflektirt würde, dieses mir von großen Nutzen | |||||||
| seyn könnte. In Göttingen ist Heyne, ein Mann von sehr liberaler | |||||||
| Denkart, der zwar die Kritik nicht studirt hat, aber in ihren Resultaten | |||||||
| die Freyheit ihres Geistes erkennt. Er wünscht daher sehr, daß der | |||||||
| kritische Geist in der Philosophie daselbst in Aufnahme käme, u. ich | |||||||
| weiß , daß er wünscht, ich möchte nach G. gerufen werden. Wenn | |||||||
| nun Sie eine Gelegenheit finden könnten, mich ihm noch insbesondre | |||||||
| zu empfehlen; so würde gewiß seine Thätigkeit für mich verdoppelt | |||||||
| werden. Hr. Ammon, Stäudlin, Girtanner etc. sind für mich. Denn | |||||||
| sie haben die Sache ohne mein geringstes Zuthun an mich gebracht. | |||||||
| Ich bitte Sie aber recht sehr mich nicht miszuverstehen. Ich thue | |||||||
| keine bestimmte Bitte in Ansehung aller dieser Vorschläge, sondern | |||||||
| überlasse es ganz Ihrer Güte u. Klugheit, was Sie darauf beschließen | |||||||
| wollen. Ich bin überzeugt daß, was Sie auch in dieser Sache thun | |||||||
| mögen, gewiß mit Ihrer Gewogenheit gegen mich u. mit dem Heile | |||||||
| der Wissenschaften zusammenstimmt. | |||||||
| Hr. Prof. Beck empfiehlt sich Ihnen aufs Beste. Er hat mir | |||||||
| Ihren Dank für die Annalen gebracht. Ich bin sehr belohnt, wenn | |||||||
| Sie nur hie u. da einen Gedanken darin finden, von dem Sie urtheilen, | |||||||
| daß es gut ist, ihn ins Publicum zu bringen u. wenn Sie | |||||||
| das Institut im Ganzen zweckmäßig u. den Ton anständig finden. | |||||||
| Hn. Klopstocks Ausfall auf die Kritik konnte nicht anders abgefertiget | |||||||
| werden, als es im 4ten St. zu Anfange geschehen ist. | |||||||
| Wir treten nun bald ein neues Iahr an. Nehmen Sie vortreflicher | |||||||
| Mann, Ihre ganze Kraft u. Stärke mit hinüber, damit Sie | |||||||
| alle Ihre Vorsätze noch ausführen u. das Wohl der Philosophie für | |||||||
| die Zukunft begründen können. Meine besten Wünsche folgen Ihnen | |||||||
| allenthalben. Ich schätze u. liebe Ihren Geist so wie ich Ihr Herz | |||||||
| hochachte. Ich kann mich nicht satt hören, wenn mich Ihre persönlichen | |||||||
| Bekannten u. Freunde von Ihrer Person u. von Ihrem täglichen | |||||||
| Leben unterhalten. Es könnte mir kein größeres Glück wiederfahren, | |||||||
| als wenn es mir gelänge, Sie auch noch von Angesicht zu Angesicht | |||||||
| zu sehen. Einen Mann, mit dessen vortreflichen Gedanken ich so vertraut | |||||||
| geworden bin, der auf meine wissenschaftliche Bildung u. auf | |||||||
| meine moralischen Entschlüsse so großen Einfluß gehabt hat, einem | |||||||
| solchen Manne nicht blos in der großen Distanz von 100 Meilen | |||||||
| durch kalte Worte, sondern durch redende Blicke meine Verehrung zu | |||||||
| bezeugen, würde das reinste Vergnügen für mich seyn. | |||||||
| L. H. Iakob. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XII, Seite 134 ] [ Brief 726a ] [ Brief 727a ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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