Kant: Briefwechsel, Brief 667, Von Ludwig Heinrich Iakob.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Ludwig Heinrich Iakob.      
           
  Halle den 22 Iun 1795      
           
  Ich kann die Gelegenheit, welche sich mir anbietet, an Sie zu      
  schreiben und Ihnen Verehrungswürdiger Mann, meine innigste Verehrung      
  zu bezeugen, unmöglich vorbey gehen lassen. Zugleich habe      
  ich die Ehre, Ihnen hierbey die Stücke der Annalen, so weit sie      
  vollendet sind zu überschicken, und es wird lediglich auf Sie ankommen      
  zu bestimmen, ob Sie die Fortsetzung davon wünschen. In den Recensionen      
  speculativen Inhalts über Reinhold, Fichte, Abicht etc. werden      
  Sie den Hn. M. Beck nicht verkennen. Ich halte mit ihm die Art      
  zu philosophieren, welche diese Männer einführen wollen, für eine      
  völlige Abweichung von der critischen Methode, wovon Sie ein so      
  vollkommenes Beyspiel gegeben haben. Es ist unbegreiflich, wie man      
  nach Erscheinung der Critik noch nach einem Einzigen obersten Grundsatze      
  suchen kann, der nicht bloß die Grenzen der menschlichen Erkenntniß      
  bestimmen, sondern auch so gar über jeden Inhalt kategorisch      
  entscheiden soll. Herr Beck ist sehr begierig zu erfahren, ob Sie mit      
  seinen Bemerkungen zufrieden sind und ob Sie glauben, daß er auf      
  diesem Wege das wahre Verständniß der Philosophie befördern werde,      
  und es würde, uns beiden eine ungemeine Freude machen, wenn Sie      
  uns Ihre Gedanken hierüber in einigen Zeilen wollten wissen lassen.      
  Hr. B. ist jetzt hauptsächlich mit Ausarbeitung des dritten Theils      
  seiner Schrift beschäftiget, worin er darauf ausgehet, nicht etwa der      
  Critik eine Stütze durch einen neuen noch höheren Grundsatz zu verschaffen,      
  sondern nur das wahre Verständniß derselben durch eine ganz      
           
  simple aber veränderte Darstellung ihres Inhalts zu befördern. Der      
  Anzeiger vom Iunius enthält einige Auszüge aus seinem Mspte.      
           
  Wenn ich nicht fürchten darf lästig zu werden; so widerhole ich      
  nochmals meine Bitte, die Annalen mit einigen Beyträgen zu beehren,      
  wenn sich eine Gelegenheit dazu findet, die Ihnen keine Zeit raubt.      
  Der Wunsch diesem Iournale diejenige Vollkommenheit zu verschaffen,      
  die es allein bey der Menge der Zeitschriften erhalten kann, mag mein      
  Anmuthen entschuldigen, der ich die Ehre habe mit der innigsten Hochachtung      
  zu seyn      
           
    Ihr      
    aufrichtiger Verehrer      
    L H Iakob      
           
           
           
     

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