Kant: Briefwechsel, Brief 583, An Georg Heinrich Ludwig Nicolovius. |
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| An Georg Heinrich Ludwig Nicolovius. | |||||||
| 16. Aug. 1793. | |||||||
| Ew: Hochedelgeb. Vorsatz, von Ihren erworbenen Kentnissen in | |||||||
| Ihrem Vaterlande Gebrauch zu machen, vorher aber meine Meynung | |||||||
| von der Art, wie dieses auf eine sichere Ihnen selbst vortheilhafte Art | |||||||
| geschehen könne, zu erfahren, ist mir ein Beweis von Ihrer gründlichen, | |||||||
| durch Reisebelustigung nicht - wie es wohl sonst geschieht - für | |||||||
| Amtsgeschäfte verdorbenen Denkungsart. - Ihr Vorsatz die letztere, | |||||||
| aus und für unsere Universität, zu suchen, hat auch meinen ganzen | |||||||
| Beyfall. Erlauben Sie mir aber die Ihnen wohlbekannte jetzt herrschende | |||||||
| Grundsätze des Studirens der Iugend auf unserer Academie | |||||||
| in Erinnerung zu bringen; die darinn bestehen, sie gleichsam couriermäßig | |||||||
| zu durchlaufen, um sich, so früh als möglich, um ein Amt bewerben | |||||||
| zu können; da es dann von denjenigen, welche an der eleganten | |||||||
| Litteratur und Cultur Interesse nehmen möchten, nicht eine zu Eröfnung | |||||||
| eines sich hinreichend belohnenden Collegiums nöthige Zahl der Zuhörer, | |||||||
| wenigstens gleich anfangs geben dürfte; wiewohl ich, wenn die | |||||||
| Sache einmal in Gang gebracht worden desfalls am meisten auf den | |||||||
| Adel und, im Winterhalbenjahr, auf die Officiere rechne. - Indessen | |||||||
| ist dieser Anschlag nicht bey Seite zu setzen, weil er, was noch nicht | |||||||
| Mode ist, wohl dazu machen kann. | |||||||
| Was ich, nach der von Ihnen erklärten Abneigung gegen ein | |||||||
| theologisches Amt, zur Basis eines sicheren, obgleich anfänglich kleinen | |||||||
| Einkommens, vorschlage ist ein Schulamt. - Erschrecken Sie darüber | |||||||
| nicht; das Bedürfnis des Publikums, die Schulen dem Fortrücken in | |||||||
| der Cultur des Geschmackvollen angemessener zu machen, wird immer | |||||||
| stärker gefühlt und ein Mann, wie Sie, würde hierinn bald Epoche | |||||||
| machen und überdem haben Sie den Mann, welcher in Besetzung der | |||||||
| Lehrstellen auf unseren Stadtschulen den größten Einflus hat, zu | |||||||
| Ihrem Freunde; da Ihnen eine Rektorstelle nicht so leicht entgehen | |||||||
| dürfte, bey der noch Zeit gnug für Sie übrig bleiben würde, um jene | |||||||
| schöne Kenntnisse und Wissenschaften als Universitätsglied zu betreiben. | |||||||
| Wenn Sie in diesen Vorschlag einwilligen, so würde ich rathen, | |||||||
| so bald als möglich sich nach Berlin zu verfügen und sich an den | |||||||
| Hrn. Oberschulrath Meierotto, mit welchem ich hier (bey seiner ihm | |||||||
| aufgetragenen allgemeinen Schulvisitation) Bekanntschaft gemacht habe, | |||||||
| zu schlagen, wozu ich Ihnen meine beste Empfehlung mitgeben würde. | |||||||
| Er würde Sie gewiß in die dortige Schulanstalten als Auscultator | |||||||
| einführen, vielleicht Sie selbst einige Versuche in der Methode machen | |||||||
| lassen und so durch seinen vielvermögenden Einflus, vielleicht gar nach | |||||||
| einem neuen, von ihm zu entwerfenden Plan, hier ansetzen. | |||||||
| Vor Allem scheint mir zu Ihrer Absicht rathsam zu seyn, um die | |||||||
| hiesige Formalitäten des Eintritts in die Universität als Lehrer zu | |||||||
| umgehen, den Magistergrad, es sey in Frankfurt a. d. O., oder Erlang, | |||||||
| oder Halle, zu erwerben. Mitlerweile würde die Bekanntschaft | |||||||
| mit dem Staatsminister, Hrn v. Wöllner, Ihnen auch vortheilhaft | |||||||
| seyn; weil es sich wohl zutragen könnte, daß irgend eine Professur, | |||||||
| die Ihnen convenirte, hier vakant würde. Hiezu habe ich zwar keinen | |||||||
| Weg einer unmittelbaren Empfehlung, ich würde sie aber doch durch | |||||||
| den in Berlin wohnenden Hrn. Geheimen Rath Simpson (den ich gelegentlich | |||||||
| zu besuchen und ihn in meinem Nahmen zu complimentiren | |||||||
| bitte) versuchen. - Das Weitere hängt von der Eröfnung, ab die Sie | |||||||
| mir wegen meines Vorschlages thun werden. | |||||||
| Die Anfrage wegen des Konciompax war ein bloßer Einfall und | |||||||
| kann zur Seite gelegt bleiben. | |||||||
| Mit aufrichtiger Theilnehmung an Allem was Sie interessirt und | |||||||
| vollkommener Hochachtung bin ich jederzeit | |||||||
| Ew: Hochedelgeb. | |||||||
| Königsberg den 16 August 1793 | ergebenster Diener | ||||||
| I Kant | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XI, Seite 439 ] [ Brief 582 ] [ Brief 584 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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