Kant: Briefwechsel, Brief 556, Von I. T. Haupt.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von I. T. Haupt.      
           
  8. Ian. 1793.      
           
  Wohlgebohrner,      
  Insonders Hochgelahrter Herr Professor!      
  Ich gestehe es gerne ein, daß ich mit meinen ersten Verlag      
  Artikel etwas unternommen habe, welches nicht ganz zu entschuldigen      
  ist, wenn es gleich häufig geschieht.      
           
  Schon vor 2 Iahren kündigte ich Dero kleine Schriften mit verschiedenen      
  Zusäzen im Leipziger Meßkatalog an.      
           
  Dieselben machten im Inteligenz=Blatt der Ienaer Litteratur=Zeitung      
  bekannt: daß Ew. Wohlgebohrnen solche selbsten herausgeben wollten und      
  stand von meinen Vorhaben ab; gab auch das Msrpt. meines Herausgebers      
  zurück. Nun vergiengen die 2 Iahre und die Liebhaber die von      
  einer Meße zur andern darauf hoften und immer nichts erschien, drangen      
  in mich, meinen damalen gefaßten Entschluß auszuführen. Ich that      
  es und machte zur Befriedigung verschiedener Liebhaber diese Auflage      
  lies aber nur 500 Abdrücke davon machen, welches blos aus Rücksicht      
  Dero große Verdienste geschah.      
           
           
  Von diesen Abdrücken habe ich nun die Ehre einige zu übersendten.      
  Ich glaube dabei daß wenigstens das Aeussere Dero Beifall erhalten      
  wird und bin erböthig Ew. Wohlgeb. so viel als Dieselben befehlen      
  zu übersendten.      
           
  Wegen diesem Unternehmen bin ich jezt bei reiflicherer Ueberlegung      
  in größter Verlegenheit und würde, wenn es meine Vermögensumstände      
  als junger Anfänger zu ließen, das Ganze ins Makulatur      
  werfen.      
           
  Doch habe ich das feste Zutrauen zu Ew. Wohlgebohrnen Verdienste      
  und edle Denkungsart, daß Dieselben mich als einen jungen Anfänger      
  nicht gleich verderben werden, und will gerne wenn sich Ew. Wohlgebohrnen      
  dazu entschließen sollten, eine 2te vermehrte Ausgabe davon      
  zu machen, das ganze Honorarium mit Vergnügen bezahlen und so      
  drucken zu laßen, wie es Dieselben wünschen, auch sobald als ich die      
  2te vermehrte Ausgabe erhalten habe und abgedruckt ist, meinen ganzen      
  übrigen Vorrath ins Makulatur werfen.      
           
  Sollten Ew. Wohlgebohrnen mir Ihre künftige Arbeiten im Verlag      
  geben, worum ich flehendlich bitte; so will ich gerne das Honorarium ,      
  was je ein Buchhändler in Deutschland geben wird gerne zahlen und      
  so schön als nur gedruckt werden kan, abdrucken laßen.      
           
  Dieselben werden mir meine ganze Heiterkeit und Thätigkeit wiedergeben,      
  wenn Sie dieses mir jezt so verhaßte Unternehmen, welches      
  aus jugentlichen Leichtsinn geschah, und nicht genug überlegt war,      
  nicht als Nachdruck bestraffen wollten. Würden Sie es als Nachdruck      
  ansehen, so bin ich gleich zu Anfang von allen ferneren Geschäfte mit      
  den Sächsischen Buchhändlern abgeschnitten und durch meinen Leichtsinn      
  unglücklich, zumal da hier schon so viele Druckereyen sind und ich      
  mich blos durch guten Verlag wünschte empor zu bringen. Bosheit      
  oder Gewinnsucht war es nicht was mich zu diesen Unternehmen verleitete,      
  noch weniger, daß ich die heillose Zunft der Nachdrucker, die      
  ich haße vermehren wollte.      
           
  Laßen Sie dieses lieber Herr Professor mir diesesmal nicht entgelten      
  ich bitte flehentlich darum, und erfreuen Sie mich mit wenigen      
  Zeilen, daß ich die 2te vermehrte Auflage erhalten soll um meinen      
  jugentlichen Fehler wieder gut zu machen. Ich werde gewiß alles      
  thun was in meinen Kräften steht, dasjenige zu ersezen, was ich      
  Ihnen durch dieses unglückliche Unternehmen geschadet habe.      
           
           
  Dem Buchhändler Herrn Gehra von hier, dem ich einige hundert      
  Exempl[are] in Commißion aufgedrungen habe und welcher mir zuerst      
  meine Augen öfnete wegen diesen fatalen Unternehmen, und welcher      
  die nechste Iubilate Meß nach Leipzig kommt, werde ich Commißion      
  geben, an Sie so viel Exempl. ausliefern zu laßen, als Sie gebrauchen      
  können.      
           
  Hier haben Sie meine ganze Gesinnung und meine Lage und      
  bitte flehendlich mich nicht zu verurtheilen.      
           
  Im festen Vertrauen verharre mit der allervollkommensten Hochachtung      
       
           
    Ew. Wohlgebohrnen      
    gehorsamster Dr.      
  Neuwied den 8. Ienner I. T. Haupt      
  1793.        
           
           
           
     

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