Kant: Briefwechsel, Amtl. Schriftverkehr 4, An Kanzler und Senat.

     
           
 

 

 

 

 

 
  An Kanzler und Senat.      
           
  15. Dec. 1783.      
           
  Illustris Academiae Cancellarie et Director !      
  Senatores Amplissimi !      
           
  Ich bin durch eine Verkältung und deren noch nicht völlig aufhörende      
  Folgen abgehalten worden, dem consessui Senatus beyzuwohnen.      
  So viel ich aber aus beyliegenden Verhandlungen ersehe, scheint      
  mir ein wesentliches Stück zum weiteren Verfahren, nämlich das Calend:      
  med: a 1784, noch zu fehlen, weil HE Gruner seine Anzüglichkeiten      
  darauf zu gründen vorgiebt. In Ansehung des sonst sehr wohl abgefaßten      
  Aufsatzes eines Schreibens an den academischen Senat in Jena      
  sey es mir erlaubt, meine Bedenklichkeit zu eröfnen. Es ist schwerlich      
  zu glauben, daß derselbe uns eine gehorige Genugthuung (durch      
  öffentlichen Wiederruf und Abbitte des Iniurianten ) zu verschaffen, oder      
  der letztere sie zu leisten geneigt seyn werde und, nachdem man sie gesucht      
  hat, davon nachher doch abzustehen, würde wiederum nicht schicklich      
  seyn.      
           
  Eigentlich kömmt es doch darauf nicht an, an dem Verfasser der      
  recension Satisfaction zu suchen, (welches man auch in dem Brief an      
  die Jenaische Academie äußeren und deshalb sie ersuchen könnte, es      
  ihm zu verweisen, daß er, ohne von unserer Academie aufgefodert zu      
  seyn, sich gegen ein gantz collegium, dem ein jeder gesitteter Mensch      
  (vornehmlich ungereitzt) Bescheidenheit und Achtung zu bezeigen pflegt      
  und auch schuldig ist, so beleidigend und unmanierlich aufgeführt habe)      
  sondern unser Gesuch dürfte, wie mich deucht, nur dieses seyn: daß da      
  der Ausdruck der malorum et simulatorum nicht den litterärischen Character,      
  den man aus Schriften ersehen kan, betrift, sondern den persönlichen,      
  den HE Gruner, der hier niemals gewesen, nicht aus unmittelbarer      
  Kentnis der Personen, sondern nur aus dem Berichte anderer      
  haben konnte, er angehalten werde, seine Qvelle anzuzeigen und      
  zu belegen. Nichts mehr als dieses scheint mir die Absicht zu seyn,      
  die wir bey dieser Nachforschung haben und warscheinlich zu erreichen      
  hoffen könten.      
           
  d. 15 Dec: 83. I. Kant      
           
           
           
           
     

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