Kant: Briefwechsel, Brief 438, An Iohann Friedrich Blumenbach.

     
           
 

 

 

 

 

 
  An Iohann Friedrich Blumenbach.      
           
  Königsberg d. 5. Aug. 1790.      
           
  Wohlgebohrner Verehrungswürdiger Herr!      
  Der die Ehre hat Ihnen Gegenwärtiges zu überreichen, Hr. Doct.      
  Med. Jachmann, mein ehemaliger Zuhörer, giebt mir, bey dem Wunsche      
  von einem berühmten Manne gütige Anweisung zu erhalten, wie er      
           
  seinen kurzen Aufenthalt in Göttingen am besten benutzen könne, Anlas      
  meinen ergebensten Dank für Ihre mir im vorigen Iahre gewordene      
  Zusendung des treflichen Werks über den Bildungstrieb abzustatten.      
  Ihre Schriften haben mich vielfältig belehrt; doch hat das Neue in      
  der Vereinigung zweyer Principien, dem der physisch=mechanischen und      
  der blos teleologischen Erklärungsart der organisirten Natur, welche      
  man sonst geglaubt hat unvereinbar zu seyn, eine nähere Beziehung      
  auf die Ideen, mit denen ich mich vorzüglich beschäftige, die eben einer      
  solchen Bestätigung durch Facta bedürfen. Meine Erkentlichkeit für      
  diese mir gewordene Belehrung habe ich in einer Stelle des Buchs,      
  welches der Buchhändler De la Garde Ihnen zugesandt haben wird,      
  zu bezeigen gesucht.      
           
  Dem Hr. Geh. Secr. Rehberg bitte, unter Versicherung meiner      
  wahren Hochachtung, auf sein durch Hrn H[of] R[ath] Metzger geäußertes      
  Verlangen, alle meine kleine Schriften zu haben, gütigst zur Antwort      
  zu ertheilen: daß sie sich schon vorlängst nicht mehr in meinen Händen      
  befinden, indem ich, bey meinem nachher genommenen Gedankengange,      
  darum mich nicht mehr bekümmert habe und, was vollends die      
  Programmen betrifft, einige derselben so flüchtig hingeworfen worden,      
  daß ich selbst nicht gern sähe, wenn sie wieder ans Tageslicht gezogen      
  werden sollten.      
           
  Unter Anwünschung alles Wohlergehens und der besten Gesundheit,      
  um die Welt noch fernerhin zu belehren, bin ich mit der vorzüglichsten      
  Hochachtung Ew. Wohlgeb. ganz ergebenster Diener      
           
  I Kant.      
           
           
           
     

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