Kant: Briefwechsel, Brief 326, Von Reinhold Friedrich Weiß.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Reinhold Friedrich Weiß.      
           
  3. Iuni 1788.      
           
  Wohlgebohrner HErr      
  Insonders Hochzuehrender HErr Professor!      
  Ew. Wohlgebohrnen haben mir wärend meines academischen      
  Lebens in meiner Vaterstad, so auffallende und häuffige Beweise Ihrer      
  Gewogenheit gegeben, daß ich nicht anders, als mit dem grösten Gefühl      
  der Dankbarkeit, mich hierann zurück erinnern kann. Es würde      
  nicht möglich seyn, diese Gefühle auszudrücken, wenn ich auch glauben      
  möchte, diesen Versuch wagen zu dörfen. Aber was soll ich jetzt sagen,      
  da nur noch vor kurzem, die redensten Beweise dargethan haben, da      
  auch in meiner Abwesenheit Ew. Wohlgebohrnen den gütigsten      
  Antheil, an meine künftigen Verhältniße nehmen. Ich würde es mir      
  nie vergeben können, den Rath Ew. Wohlgebohrnen in Rücksicht      
  meines studierens nicht befolgt zu haben, wenn nicht ein schon vor      
  langer Zeit gemachter Plan, der besonders durch eine Verbindung mit      
  einem jungen Mann unzertrenlich war, mich hievon zurück gehalten      
  hätte. Es ist Ew. Wohlgebohrnen bekant, daß ich immer gewünscht      
  habe, Goettingen zu besuchen, und durch die vielen dasigen HülfsMittel      
  meine Studien fortsetzen zu können, ich war bemüht die Erlaubniß      
  hiezu von Minister Zedlitz zu erhalten, da er mir aber antworten      
  ließ, daß er in dieser Sache keine Erlaubniß ertheilen könte, sondern      
  sie vom Könige ertheilt werden müste, so schien es mir zweckmäßiger      
  nur um eine Erlaubniß auf Reisen gehen zu dörfen anzuhalten; dieses,      
  habe ich gethan, und habe sie erhalten. Ich werde diesem zufolge,      
  diesen Sommer anwenden um meine Gesundheit durch den Gebrauch      
  von Bädern herzustellen, alsdenn auf den Winter nach Goettingen      
  gehen, ein Iahr daselbst verbleiben und nach dieser Zeit, eine Reise      
           
  durch die merkwürdigsten und interreßantesten Länder von Europa      
  machen. Bey meinem kurzen Auffenthalte in Berlien, gab mir der      
  junge Graf Kaiserling den Auftrag Ew. Wohlgebohrnen seine Achtung      
  zu versichern und ihn zu entschuldigen, daß er in so langer Zeit, sich      
  Ew. Wohlgebohrnen nicht selbst empfohlen hätte. Meine Reise nach      
  den Embser Bädern ist etwas schnell, und der Auffenthalt an ieden      
  merkwürdigen Ort sehr kurz, deswegen sehe ich mich genötigt Ew.      
  Wohlgebohrnen jetzt um Verzeihung zu bitten, daß ich wegen Mangel      
  an Zeit meinen Brief zu schlüßen gezwungen werde und füge nur noch      
  die Bitte um Ew. Wohlgebohrnen Gewogenheit und um die Erlaubniß      
  hinzu, Ew. Wohlgebohrnen zuweilen mit einem Briefe beschweren zu      
  dörfen. Mein gröstes Bestreben wird seyn, Ew. Wohlgebohrnen zu      
  zeigen wie sehr Ihre fortdaurende Gewogenheit der angelegenste Wunsch      
  meines Herzens ist und wie sehr ich alle meine Kräfte anstrengen      
  werde um sie mir zu erhalten. Ich bin mit der grösten Hochachtung      
           
    Ew. Wohlgebohrnen      
  Halle den 3ten Iuny        
  1788 ganz ergebenster Diener F. Weiss      
           
           
           
     

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