Kant: Briefwechsel, Brief 279, Von Iohann Bering. |
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| Von Iohann Bering. | |||||||
| 21. Sept. 1786. | |||||||
| Wohlgebohrner Herr | |||||||
| Höchst geehrter Herr Profeßor! | |||||||
| Bey Gelegenheit der letzten Ostermeß nahm ich mir die Freiheit, | |||||||
| Ew. Wohlgeb. mit einigen Producten aus hiesiger Gegend aufzuwarten, | |||||||
| diesesmal kann ich zwar nicht mit dergleichen aufwarten, aber doch | |||||||
| eine noch weit intereßantere Nachricht liefern. Diese ist folgende. Vor | |||||||
| ohngefehr 3 Wochen erhielten wir hier eine CabinetsOrdre wodurch | |||||||
| für diesen Winter die Vorlesungen über die Kantischen Lehrbücher | |||||||
| untersagt und zugleich der Philosophischen Facultät aufgegeben wurde | |||||||
| binnen 1/4 Iahre zu berichten: was von des Kants Schriften überhaupt | |||||||
| zu halten, insbesondere ob solche zum Scepticißmo Anlaß gäben | |||||||
| mithin die Gewißheit der menschlichen Erkentniß untergrüben? Weil | |||||||
| ich nur allein dergleichen Vorlesungen, namlich über Ew. Wohlgeb. | |||||||
| Metaphysische Anfangsgründe und über das Schmidische Handbuch | |||||||
| ausgeschrieben, so werden Ew. Wohlgeb. sich mein Erstaunen leicht | |||||||
| vorstellen konnen. Aller angewandten Mühe ohngeachtet, habe ich die | |||||||
| Quelle dieses Verbots noch nicht ausfindig machen können,ob ich gleich mit | |||||||
| einiger Wahrscheinlichkeit sie in Göttingen vermuthe. Der Prof. Meiners | |||||||
| soll nämlich in der Vorrede zu seiner Psychologie (selbst habe ich sie | |||||||
| noch nicht gesehen) ebenfals nichts als Scepticißm in Ew. Wohlgeb. | |||||||
| Critik gefunden zu haben behaupten und Feder wirklich im Begriff | |||||||
| seyn gegen Ew. Wohlgeb. zu schreiben. | |||||||
| So leid mir dieses nun von einer Seite ist, daß ein Mann der | |||||||
| in manchen Köpfen sich ein großes Ansehen zu erwerben das Glück | |||||||
| gehabt, sich in eine Sphäre wagt in welche er nicht ganz paßt, durch | |||||||
| sein Benehmen in der Ausbreitung der Wahrheit bey vielen ein großes | |||||||
| Hinderniß wird, so ist es mir doch von einer andern Seite lieb, weil | |||||||
| durch die Beantwortung seiner Einwürfe, die Wahrheit desto heller | |||||||
| einleuchten und dadurch in denkenden Köpfen gewinnen wird. Vielleicht | |||||||
| entschließe ich mich auch, unter denen welche Ew. Wohlgeb. System | |||||||
| vertheidigen werden zu erscheinen, wann es mir politische Hinderniße | |||||||
| nicht unmöglich machen. Die Adspecten scheinen namlich gegenwär[tig] | |||||||
| in Heßen und Preußen nicht mehr der Aufklärung so günstig als ehedem | |||||||
| zu seyn, inzwischen von der Wahrheit daß die Natur auf Vollkommenheit | |||||||
| arbeitet mit Ew. Wohlgeb. aufs festeste überzeugt, hoffe | |||||||
| ich das Beste. Es mag aber auch erfolgen was da will, so wird doch | |||||||
| nichts die Verehrung und Hochachtung schwächen womit ich die Ehre | |||||||
| habe zu verharren | |||||||
| Ew. Wohlgeb. | |||||||
| Marburg den 21sten Sept. | ganz gehorsamer Diener | ||||||
| 1786. | Bering. | ||||||
| [ abgedruckt in : AA X, Seite 465 ] [ Brief 278a ] [ Brief 279a ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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