Kant: Briefwechsel, Brief 253, Von Christian Gottfried Schütz.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Christian Gottfried Schütz.      
           
  13. Nov. 1785.      
           
  Vor acht Tagen hab ich Ihnen Verehrungswürdigster Herr Professor      
  den 2ten Theil von Herders Ideen mit der Post zugeschickt,      
  und erwarte also Ihrem gütigen Erbieten zufolge die Recension desselben.      
       
           
  Noch würden Sie mich außerordentlich verbinden, wenn Sie eine      
  Anzeige von Ulrichs Lehrbuche, das er Ihnen selbst zugesendet      
  beyfügen. und darinn bemerken wollten, was Ihnen zu berichtigen      
  vorgekommen seyn sollte. Ists Ihnen aber nicht möglich so mag es      
  Hr. Hofprediger Schultz übernehmen.      
           
           
  An diesen schreib ich izt auch und bitte gehorsamst ihm die Anlage      
  zukommen zu lassen. Wie ich höre so gibt es zwey Herren      
  Schultz die beide HofPrediger sind, der Brief ist aber, wie Sie ohnedem      
  leicht vermuthen werden, an keinen andern, als den Verfasser      
  der Erläuterungen Ihrer Kritik gerichtet.      
           
  Noch wiederhole ich meine Bitte, bald nach dem Anfange des      
  künftigen Iahres eine Recension von D. Hufeland's v. Grundsatz      
  des Rechts der Natur zu übersenden. Wollen Sie sich mit einem      
  Auszuge des Buchs nicht bemühen, so setzen Sie nur auf ein Blatt      
  Notanda mit Anführung der Seitenzahlen, und ich will diese hernach      
  in die Form einer ordentl. Recension bringen; so ersparen Sie Zeit,      
  und das Publicum und der Verf. haben doch das Vergnügen Ihre      
  Belehrung dabey zu genießen Ihre eigne Hand ist vollkommen leserlich,      
  und ich bitte daher gehorsamst nur gleich Ihr erstes Concept      
  zu übersenden und es nicht erst abschreiben zu lassen.      
           
  Nun muß ich Ihnen doch noch einige Beyträge zur Geschichte der      
  Kritik der r. V. auf unser Universität mittheilen.      
           
  Gegen den Anfang dieses halben Iahrs ward mir von der philosophischen      
  Facultät aufgetragen einen Entwurf der zu dieser Facultät      
  gehörigen Studien für die novitios zu machen. Ich hatte darinn bey      
  der Philosophie Ihren Entwurf, mit Anführung Ihres Namens, dargestellt.      
  Die übrigen Mitglieder hatten dagegen nichts bis auf Hn.      
  Hennings, der in große Angst deswegen gerieth, und meinte sein ganzer      
  applausus ging darüber zu Grunde; er verlangte also es sollte blos      
  die gewöhnliche Abtheilung der Philosophie angeführt und Ihr Name      
  nicht genannt werden; protestirte auch und appellirte eventualiter ad      
  omnes Serenissimos Acad. Nutritores . Ich antwortete ich überließ es      
  Hn. Hennings u. Ulrich die Nominalprofessuren der Philosophie hätten,      
  sich darüber zu vereinigen. In dem Briefwechsel den diese darüber      
  führten, verrieth Hr. Hennings gar deutlich, wieviel er von Ihrer      
  Kritik gelesen oder verstanden hätte. Denn er schrieb an Hn. U.      
  "Er sähe gar nicht ein wie Construction der Begriffe Mathematik      
  und Philosophie scheiden sollten, da ja auch die ganze Philosophie      
  Begriffe machte.      
           
  Am Ende blieb es doch bey meinem Concept, nur daß Hr. Hennings      
  noch etwas von der Monadologie, Somatologie, etc. einschaltete, das sich      
           
  freilich nicht wohl passen wollte, und daß er darauf bestand, daß weil      
  sonst in dem ganzen scripto kein Name genannt wäre, auch der Ihrige      
  nicht genannt werden sollte; ob ihm gleich Hr. U. das: Honor est      
  non tantum honorati, sed etiam honorantis entgegensetzte.      
           
  Seit dem Anfange der neuen Collegien höre ich, daß Hr. H. Sie      
  oft anführet, auch sagt, daß viel gutes in Ihrer Kritik wäre, aber das      
  meiste sey schon bekannt gewesen.      
           
  Ein junger Magister Hr. Schmid ließt izt über die Kritik der      
  r. Vernunft, nach einem kleinen Auszuge den er herausgibt.      
           
  Unlängst habe ich auch die Recension Ihrer Metaphysik der      
  Sitten in der gött. Zeitung gelesen, die mich abermals wenig befriedigt      
  hat.      
           
  Da ich nochmals über Ihre allzugütige Verweigeruug des Honorarium      
  gedacht habe, so ist mir eingefallen, ob Sie auch dabey auf      
  mich Rücksicht genommen hätten. Es ist daher meine Schuldigkeit      
  Ihnen zu sagen, daß mir dadurch kein Vortheil zuwachsen würde, wenn      
  auch alle Mitarbeiter das Honorarium depreciren wollten; ich bin      
  nicht Entrepreneur des Instituts, sondern werde als Redacteur von der      
  Societät der Unternehmer besoldet; diese hat es unter ihre Principien      
  aufgenommen keine Beyträge gratis anzunehmen; theils weil es in die      
  Länge nicht dauern kann, theils weil es den Unternehmern keine Ehre      
  bringen, und da man nicht dafür stehn kann, daß hie und da etwas      
  dergleichen auskäme, man ihr die leider sehr im Schwange gehende      
  geldgierige Denkart der meisten Handels-Companien zutrauen möchte.      
  Ich wünschte also recht sehr, daß Sie hievon keine Ausnahme machen,      
  und wenigstens, wenn Sie ja darauf beharren, die in meinem letzten      
  Schreiben vorgeschlagne Temperatur treffen möchten.      
           
  Hr. Moses Mendelssohn hat mir auch seine Morgenstunden      
  zugesendet. Ich zweifle nicht daß viel schöne Stellen drinn seyn werden,      
  bin aber zum voraus versichert, daß, da er zumal selbst versichert, da      
  er wegen seiner Nervenschwäche die neuen φιλοσοφ&u;μενα nicht habe      
  studiren können keine neue Gründe gegen die Kritik darinn vorkommen      
  werden. In einigen Tagen will ich selbst daran gehn.      
           
  Indeß harre ich mit größter Begierde auf die Erscheinung Ihrer      
  neuen Schriften, und wünschte daß Ostern nur erst da wäre.      
           
           
  Mit der innigsten Verehrung und dem reinsten Interesse an      
  Ihrem Wohlbefinden verharre ich      
           
    Verehrungswürdigster Lehrer      
    Ihr      
  Jena Jena gehorsamster      
  d. 13 Nov 1785. Schütz      
           
           
           
     

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