Kant: Briefwechsel, Amtl. Schriftverkehr 1, An die philosophische Facultät.

     
           
 

 

 

 

 

 
  An die philosophische Facultät.      
           
  7. Febr. 1780.      
           
         
  Venerande Senior      
  summe reverende, Excellentissimi Amplissimi      
  Fautores et Collegae aestumatissimi      
         
           
  Es kommt, meinem Bedünken nach ietzt nicht darauf an, wie wir      
  die in die vocation des design: Prof. Diederichs eingeflossene nicht      
  statutenmäßige Einkünfte, durch Vorstellung unserer Rechtsame, strittig      
  machen, sondern wie wir sie ihm anderweitig ersetzen sollen; denn er      
  wird ohne Zweifel auf das ihm Zugesagte dringen. Ich habe daher      
  in beyliegendem Project einer Vorstellung an Sen. Acad: angenommen:      
  der Wille Sr. Maiestät, in den communicirten rescriptis , sey nicht, die      
  unserer Facultaet zum Grunde liegende Anordnung abzuändern, sondern      
  lediglich aus einer Misdeutung des, wegen der Einkünfte des seel.      
  Prof: Kypke eingeschickten Anschlags, entsprungen. In diesem Gesichtspuncte      
  halte ich nicht vor rathsam, in die deduction der Rechtsame der      
  Phil: Fac:, gleich als wenn die Absicht wäre solche anzufechten, zu      
  entriren, sondern ein Mittel in Vorschlag zu bringen (welches auch im      
  letzteren Consessu Senatus beliebet ward) wodurch der aus einem Misverstande      
  entsprungenen inconvenientz vorgebeugt werden könte. Solte      
  indessen Fac Amplissima darauf beharren, sich auf Ihr Recht zu stützen      
  und diesen Punkt umständlich erörtert zu verlangen, so bitte ergebenst      
  mir, der ich hierinn noch wenig routinirt bin, mit Dero größerer Erfahrenheit      
  zu Hülfe zu kommen und einige darüber ergangene Verordnungen      
  anzuzeigen, wie wohl ich vermuthe daß manches auf bloßer      
  Usance beruhe und wenn es nicht gesetzliche Kraft hat uns nur in Gefahr      
           
  bringen könne Änderungen zu veranlassen. Ich habe die Ehre      
  mit der größten Hochachtung zu seyn      
           
    E: Fac. Amplissimae      
  Königsberg gantz ergebenster Diener      
  den 7 ten Febr: I. Kant      
  1780.        
           
  [Beilage.]      
  Rector Academiae Magnifice      
  Illustris Cancellarie ac Director      
  Amplissimi Senatores      
           
  Von Ew: Magnific:, Wohlgeb: und Ampl: Senatu sind uns zwei Königl:      
  Rescripta d. d. Berlin d. 28 Nov: 1799 und Königsberg d 10 Jan: 1780, betreffend      
  die Introduction, Besoldung und alle Emolumente des Prof. designati Lingu:      
  Orient HEn M. Diederichs, so fern solche von seinem academischen Posten abhängen,      
  gütigst communicirt und darüber unser pflichtmäßiger Bericht verlanget      
  worden.      
           
  Wir finden darinn, zu unserem großen Befremden, den Anschlag so angesetzt,      
  als der verstorbene Prof. Kypke in den letzteren Iahren seines Lebens gestanden,      
  nämlich auf 305 rthlr 65 gl: 17 à Pf. da doch, nach den Verordnungen und      
  iederzeit beobachteten Gewonheiten der Universitaet, ein Theil derselben nicht so      
  gleich Anfangs sondern allererst bey eintreffender tour, von einem angehenden Professore      
  Ordinario percipirt werden kan, auch, im entgegen stehenden Falle, denen      
  Professoribus Ordinariis , die nach ihrer tour darauf Anspruch machen, diese gegründete      
  Aussicht genommen und dadurch nicht wenig praeiudicirt werden würde.      
           
  Es betrift dieses erstlich das Emolument von den signis initiationis , welches      
  der Prof. Ord: nur von der Zeit an genießt, als er das erste Decanat geführt hat      
  und welches auf 25 rthlr angeschlagen ist. Da indessen den ietzt designirten Professorem      
  die Reihe dazu bald treffen wird, auch die Befolgung der hierinn angenommenen      
  Regel ihm selbsten künftig hin zum Vortheil gereichet, so ist kein Zweifel      
  er werde sich gefallen lassen in Ansehung dieses Emoluments seine tour abzuwarten.      
           
  Was aber das zweyte betrift, nämlich dasjenige, was ein Professor der      
  philos. Facultaet genießt, wenn er in den Senatum Academicum , nachdem ihn die      
  Reihe trift, gekommen und welches auf 27 rthlr 75 gl 10 7/10 Pf. angesetzt ist, so findet      
  sich dabey mehrere Bedenklichkeit.      
           
  Nicht allein würde der ietzige Quartus von der phil. Facultaet, der Senat      
  Sitz und Stimme hat, die ihm, qua Senatori perpetuo, gebührende emolumenta      
  verliehren, wenn HEr Prof: Diederichs dieselbe zugeschlagen werden solten, sondern      
  die übrige Professores würden ihre auf Statuta und Gesetze sich gründende billige      
  Erwartungen einbüssen und so ihre ohnedem sehr mäßige Vortheile verkürzt werden.      
           
           
  Da nun keineswegs vermuthet werden kan, daß Ihro Königl: Maiestät die      
  ihren Professoren bey hiesiger philosophischen Facultaet zugestandene emolumente      
  zu schmälern gemeinet seyn solten, sondern, allem Ansehen nach, eine aus der zufälligen      
  Undeutlichkeit des Ausdrucks entsprungene Misdeutung die Bestimmung      
  der Einkünfte vor den designirten Professor in der Königl: vocation veranlaßt hat,      
  gleichwohl gedachter HE. Diederichs auf das ihm stipulirte Qvantum beharren kan,      
  so ersuchen wir E. Senatum Amplissimum in geziemender Ergebenheit, doch unmasgeblich,      
  zu Ausfüllung der Lücke in seinen Einkünften allenfals eine jährliche      
  Bezahlung von 27 rthlr 75 gl. 10 7/10 Pf. aus dem Aerario Academico höheren Orts      
  in Vorschlag zu bringen, so lange bis er selbst in den Senat gelanget seyn wird.      
  als wodurch die bisherige, auf alte gesetzmäßige Verfügungen gegründete Ordnung,      
  die Rechte der ietzt subsistirenden Professoren, und die Ansprüche des nun berufenen      
  zugleich erhalten und mit einander vereinigt werden können und beharren übrigens      
  mit der vollkommensten Hochachtung      
           
    Ew: Magnificenz, Wohlgeb      
    u. E. Senatus Amplissimi      
    Dienstschuldigste      
    Decanus, Senior, und sämmtliche      
    Professores Ordinarii der      
    Philosophischen Facultaet.      
           
           
           
     

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