Kant: Briefwechsel, Brief 145, An Marcus Herz. |
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| An Marcus Herz. | |||||||
| [Ian. 1779.] | |||||||
| Hochedelgebohrner Herr | |||||||
| Würdigster Freund. | |||||||
| Durch Herren v. Nolten, einen angenehmen iungen cavalier, habe | |||||||
| die Paste von HE. Mendelssohns Medaille, als Ihr gütiges Geschenk, | |||||||
| erhalten und sage davor den ergebensten Dank. | |||||||
| Herr D. Heintz versichert mich aus Briefen von HE. Secret: | |||||||
| Biester, daß Ihre Vorlesungen mit allgemeinem und ungewöhnlichen | |||||||
| Beyfall aufgenommen würden. Ebendasselbe und das durchgängige | |||||||
| Ansehen, welches Sie sich im berlinischen Publico erworben haben, | |||||||
| berichtet mir ietzt HE. Kraus. Daß mir dieses ausnehmende Freude | |||||||
| erwecke, brauche ich nicht zu versicheren; Es versteht sich von selbst. | |||||||
| Das Unerwartete stekt hier aber nicht in der Geschiklichkeit und Einsicht, | |||||||
| auf die ich ohnedem alles Vertrauen zu setzen Ursache habe, | |||||||
| sondern in der Popularität, in Ansehung deren mir bey einer solchen | |||||||
| Unternehmung würde bange geworden seyn. Seit einiger Zeit sinne | |||||||
| ich, in gewissen müssigen Zeiten, auf die Grundsätze der Popularität | |||||||
| in Wissenschaften überhaupt (es versteht sich in solchen die deren fahig | |||||||
| seyn, denn die Mathematik ist es nicht) vornemlich in der Philosophie | |||||||
| und ich glaube nicht allein aus diesem Gesichtpunkt eine andere | |||||||
| Auswahl, sondern auch eine ganz andere Ordnung bestimmen zu können, | |||||||
| als sie die schulgerechte Methode, die doch immer das Fundament | |||||||
| bleibt, erfodert. Indessen zeigt der Erfolg, daß es Ihnen hierinn gelinge | |||||||
| und zwar sogleich bey dem ersten Versuche. | |||||||
| Wie gerne wünschete ich, daß ich mit etwas besserem als das | |||||||
| Manuscript ist, was Ihnen HE. Kraus einhändigen wird, dienen | |||||||
| könte. Hätte ich dergleichen im Winter voriges Iahres voraus sehen | |||||||
| können, so würde darüber bey meinen Auditoren einige Anstalt getroffen | |||||||
| haben. Ietzt wird es Blutwenig seyn was Sie aus diesen | |||||||
| armseligen Papieren herausfinden können das gleichwohl ihr genie | |||||||
| wuchernd machen kan. Wen sie Ihnen nichts weiter nutzen so wird | |||||||
| HE Toussaint, der sich itzt in Berlin aufhält, solche sich von Ihnen | |||||||
| ausbitten, um sie kurz vor Ostern zurück zu bringen. | |||||||
| Kan Ihr Einflus, wie ich nicht zweifle, HEn Kraus wozu nützlich | |||||||
| seyn, so bitte inständigst darum und rechne hierauf, als eine | |||||||
| Wirkung der Freundschaft, womit Sie mich beehren und in Ansehung | |||||||
| deren Sie mir niemals den gringsten Zweifel übrig gelassen haben. | |||||||
| Er ist ein bescheidener, vielversprechender und dankbarer iunger Mann. | |||||||
| Er wird Ihrer Empfehlung, wenn Sie solche seinetwegen bey Gelegenheit | |||||||
| beym Ministre einlegen wollen, weder Unehre machen, noch dagegen | |||||||
| unempfindlich seyn. Es ist ihm nichts im Wege als hypochondrische | |||||||
| Bekümmernisse, womit sich dergleichen junge denkende Köpfe oft ohne | |||||||
| Ursache plagen. Ihre Kunst enthält ohne Zweifel auch Mittel dawieder, | |||||||
| noch mehr aber Ihre Freundschaft, wenn Sie ihn derselben würdigen | |||||||
| wollen. Ich empfange iede direkte oder indirekte Nachricht von Ihrem | |||||||
| anwachsenden Glücke mit neuem Vergnügen und bin in ewiger Freundschaft | |||||||
| Ihr | |||||||
| ergebener treuer Diener | |||||||
| I Kant | |||||||
| [ abgedruckt in : AA X, Seite 247 ] [ Brief 144c ] [ Brief 145a ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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