Kant: Briefwechsel, Brief 121, An Ioachim Heinrich Campe.

     
           
 

 

 

 

 

 
  An Ioachim Heinrich Campe.      
           
  26. Aug. 1777.      
           
  Verehrungswürdiger Herr      
           
  Ich habe meine Nachricht von gesammelten praenumerationen so      
  lange aufgeschoben, bis ich von der Ankunft des HEn Regge in Dessau,      
  derentwegen ich sehr besorgt war, Nachricht bekommen haben würde,      
  um auf allen Fall die Correspondenz in einem Briefe zusammen zu      
  ziehen, da ohnedem die hiesige Theilnehmer alsdenn etwas mehr von      
  den Unterhandlungen zu lesen bekommen werden. Es erfreuet mich      
  sehr: daß sich diesem guten Manne einige günstige Aussicht zur Wiedergenesung      
  eröfnet und wünsche, daß er neben den Hülfsmitteln, davon      
  er mir Erwehnung gethan hat, noch der Dampfmachine, wozu er die      
  Kräuter aus Leipzig so nahe hat und des Seltzerwassers mit Ziegenmilch      
  (wenn es anders sein Arzt billigt) bedienen möge um die gute      
  Iahreszeit so sehr als möglich zu nutzen.      
           
  Der Anschlag, vermittelst eines Ausschreibens eines hiesigen      
           
  Ministres die paedagogische Unterhandlungen unter den Geistlichen und      
  Schullehrern des Landes auszubreiten, ist nach reiferer Überlegung      
  und auf Anrathen wohlgesinneter Männer, selbst vom geistlichen Stande,      
  bey Seite gesetzt worden; weil, da bey weitem der größte Theil dieses      
  Ordens in unseren Gegenden wieder dergleichen reformationen feindselig      
  gesinnet ist und eine Anempfehlung von ihrem Chef vor einen      
  Zwang aufnehmen würde, sich darüber nur ein allgemeines Geschrey      
  erheben würde, welches der reputation, darinn das institut bey vernünftigen      
  steht, die gleichwohl nicht immer mit eigenen Augen sehen,      
  nur Nachtheil verursachen könte.      
           
  Ich habe daher nicht mehr als 15 praenumeranten v on der      
  Litthauischen, und 10 von der Königsbergischen collection      
  alle zu einem Ducaten (außer einem zu 2 rthlr) anzuzeigen,      
  imgleichen ein Geschenk von Herren C. F. Johanzen von 2 Duc:      
  welches zusammen 80 rthlr. preuß: beträgt, die ich hiemit durch      
  Assignation an HEn. Hond in Berlin, übermache und die postfreye      
  Absendung hieher erwarte. Ich bitte zugleich ergebenst, das oben      
  unterstrichene zu meiner legitimation in dem nächsten Stück der Unterhandlungen      
  abdrucken zu lassen, weil der Beytrag von 1 Duc: sammt      
  dem Geschenke von zween doch etwas mehr als der praenumerationspreis      
  beträgt.      
           
  Herr Scherres, anstatt seinen Schritt durch Beschuldigungen zu      
  rechtfertigen, wie ich vermuthet hatte, schämet sich und spricht nicht      
  leicht von dieser ihm wenig Ehre machenden Wankelmuth. Der elende      
  Braun darf sich hierüber auch nicht auslassen, da ihm theils seine eigene      
  Nahmens=unterschrift, theils das Ansehen eines dem institut sehr zugethanen      
  Ministers die verläumdende Zunge bindet. HE. Dietrich      
  bereuet sehr seinen unüberlegten Brief, der ihm die nicht verlangte      
  Zurükschickung seines Sohnes zuzog, und seine Frau weinete eben so      
  über diesen unerwarteten Vorfall, als die Frau Scherres über die Abwesenheit      
  ihrer Söhne unaufhörlich geweinet und dadurch auch am      
  meisten die Entschließung ihres Mannes bewirket hatte.      
           
  Der Erfüllung meines Versprechens, etwas zu den phil: Unterhandl:      
  beyzutragen, stehet eine Arbeit im Wege, von der ich schon in      
  meinem letzteren Schreiben Erwähnung gethan habe, die ich nicht aussetzen      
  kan und welche alle meine Gedanken in Nebenstunden beschäftigt.      
           
  So bald ich damit nur auf einen etwas ebneren Weg gekommen seyn      
  werde, soll dieses meine erste und angenehmste Beschäftigung seyn.      
           
  Ich bitte mich wegen dieser flüchtigen Zuschrift, dazu mich ietzt      
  eben die Kürze der Zeit nöthigt, entschuldigt zu halten. HE. Motherby      
  empfiehlt sich Ihnen ergebenst. HEn Regge bitte ich meine Freundschaft      
  und beste Wünsche zu versicheren, mich aber in Dero Gewogenheit      
  und Zuneigung zu erhalten als des instituts und vornehmlich      
           
    Mein hochgeschätzter Herr      
    Ihren      
  Koenigsberg iederzeit ergebenen Diener      
  d. 26 Aug. 1777. I Kant      
           
           
           
     

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