Kant: Briefwechsel, Brief 117, Von Iohann Timotheus Hermes.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Iohann Timotheus Hermes.      
           
  1. Iuli 1777.      
           
  T.      
           
  Allerdings habe ich die schäzbarsten Beweise, daß Sie, Bester      
  Mann, Ihres ehemaligen Schülers sich noch gütig erinnern. Heute      
  aber ist mirs doch so ums Herz als müste ich in Ihrem Andenken      
  mich erneuern. Ich thue es indem ich den Ueberbringer Ihrer Leitung      
  empfehle; u. darf ich mehr erbitten: so sei es Liebe für diesen      
  Iüngling!      
           
  Um diese beiden Bitten weis er: denn ich war der Gewärung      
  derselben gewis. Ihr Herz war mir dafür Bürge: Himmel! wer      
  empfal denn mich, damals Hypochondrischen, Iüngling? und doch      
  sahn Sie bald, daß Ihre Aussaat, die von den Blättern so manches      
  gesunden Dornstrauchs abprallte, zu mir, aufs gute Land hinrollen      
  könnte ; u. hie u. da mus sie doch in mir gewurzelt haben? wenigstens      
  dencke ich das mit reger Dankbarkeit gegen Sie, so oft ich seh, da      
  man in meinen Schriften Philosophie, u. in meinen Predigten Ordnung,      
  zu finden glaubt.      
           
  Indessen habe ich doch dem jungen Zeuschner nichts davon gesagt,      
  daß ich bei dem starken Zuflus Ihrer Zuhörer hoffe, Sie werden      
  nichts dawider haben, wenn er als ein Armer, aber Hungriger, das      
  Hündlein bei den Brosamen Ihrer Reichen wird. Gieb ihm Ein      
  Collegium frei, u. zwar dein Bestes, lieber Oncle im Apoll ! denn      
  "Bruder im Apoll" darf ich doch nicht sagen bei so grossem Abstande      
  des Alters, der Verhältnisse, des Wissens, u. des Schriftstellernamens!      
       
           
  Und bedarfs dazu Bewegungsgründe.? hier sind sie. Zeuschner      
  hat auf der elenden Elisabethschule nichts geschmekt: aber er hat      
  Sinn für das Wahre und Schöne; Er hat Fähigkeiten welche, langsam,      
  aber bis ins Innre, sich entwikeln; Er ist fleissig, obwol sein      
  Pfad, auf welchem er mühsam geht, bisher immer ziellos war; Er      
  hat ein gutes Herz, deutsch u. gesund; sein treflicher Vater, ist mein      
           
  Freund . . . und wie kam ich, Träumender, dazu, Beweggründe für      
  eine "gute" That hinzuschreiben?      
  So oft ich des Wegs zur Warheit mich freue, schwört mein Herz      
  Ihnen Dank u. Liebe.      
           
    Ioh. Timotheus Hermes.      
  d. 1. Iul. 77. Probst etc. zu Breslau      
           
  N. S.      
           
  Haben Sie Einflus über einen Königsb. Recensenten: so bitte ich      
  gehorsamst um die Güte, zu veranstalten daß "die Entwürfe meiner      
  Predigten 1776." irgendwo angezeigt werden. Ich muste , weil das      
  so mode war, in Frage u. Antw. sie abfassen: diejenigen, welche ich      
  zu Ostern auf die Messe bringen werde, sind nicht so, sondern im      
  fortgehnden ununterbrochnen, Vortrage. Die gött. gel. Anz. 76.      
  liessen bei Anzeige des Ersten Quartals eine, nicht ganz ungünstige,      
  Aufnahme, mich hoffen.      
           
  Soph. Reise wird jezt zum 4ten u. zugleich (: auf schönem Pap:      
  mit Chod. Kupfern:) zum 4ten Mal gedrukt, u. wird gegen Neujahr      
  fertig seyn.      
           
  sic inter se de prole loquuntur genitores!      
           
           
           
     

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