Johannes Schulz: Rezension von Johann August Eberhard, Philosophisches Magazin, Jenaer Litteraturzeitung 1790, 281-284. (abgedruckt in Cassirers Kant-Ausgabe, Bd. VI (Berlin 1914, 73-117)) [vollständig abgedruckt in AA XX, 385-423]


Halle, b. Gebauer: Philosophisches Magazin herausgegeben von Johann August Eberhard. Zweyten Bandes erstes Stück. 1789. 124 S. Zweytes Stück 126 S. Drittes Stück 134 S. Viertes Stück. 1790. 124 S. 8. (l Rthlr. 8 gr.)

Die Aufsätze im ersten Stück sind I) Grundsätze der reinen Mechanik Beschluß der vortrefflichen, aber bloß mathematisch bearbeiteten Abhandlung des Hn. Prof. Klügel). II) Bemerkungen über eine Recension des zweyten Stücks dieses philos. Mag. in der A. L. Z. 1789. N. 90. von Hn. Maaß und Hn. Eberhard. So wenig auch Rec. gemeynt ist, sich in einen Streit zu mischen, der bloß den Vf. jener Recension angeht: so kann er doch nicht umhin, aus diesen Bemerkungen ein Paar Punkte auszuheben, die in die richtige Beurtheilung der phil. Untersuchungen dieses Magazins zu viel Einfluß haben. Die Kritik d. r. V. erfodert, daß man für jeden Begriff, der a priori gedacht wird, erst seine objective Realität, d. i. die Möglichkeit seines Gegenstandes, darthun müsse, ehe man sich mit demselben an irgend einen synthetischen Satz a priori wagen kann. Um dieser Federung, die natürlicher Weise jeder dogmatischen Metaphysik höchst lästig seyn muß, auszuweichen, suchte Hr. E. seine Leser zu überreden, daß dieses gar nicht nöthig wäre, sondern daß man an der Erweiterung der bestrittenen Cosmologie und Theologie immer fortarbeiten könne, ohne sich auf die transscendentale oder objective Gültigkeit dieser Wahrheiten vor der Hand einzulassen, und berief sich deshalb auf den Mathematiker, der z. B. wie Apollonius, die ganze Theorie der Kegelschnitte aufbauen könne, ohne irgendwo die Art zu lehren, wie die Ordinaten auf den Durchmessern dieser krummen Linien applicirt werden, da doch hierauf die Realität der ganzen Theorie ruhe, weil, wenn diese Application nicht möglich wäre, auch die Construction der Kegelschnitte nicht auszuführen wäre, und es also ungewiß seyn würde, ob es ein Subject gebe, dem die von ihm bewiesenen Eigenschaften zukommen. Nachdem nun sein Recensent sehr richtig zeigte, wie übel sich Hr. E. durch seine Berufung auf den Mathematiker gerathen, indem letzterer, der Federung der Vernunftkritik gemäß, eben jedesmal zuerst die Möglichkeit seines Gegenstandes beweisen muß; so sagt Hr. E. jetzt: er habe unter der objectiven Realität nicht die Möglichkeit der Gegenstände, die doch Kant in der ganzen Kritik allein darunter versteht, sondern ihre Wirklichkeit verstanden. Allein 1) paßt nun das Beyspiel aus der reinen Mathematik unglücklicher Weise wieder nicht, denn in dieser ist Möglichkeit und Wirklichkeit einerley, und der Geometer sagt: es giebt Kegelschnitte, sobald er a priori bloß ihre Möglichkeit erwiesen, ohne nach ihrer wirklichen Zeichnung oder Verfertigung aus Materie zu fragen. 2) Sucht Hr. E. auch bey dieser Rechtfertigung der obigen Federung der Kritik noch immer auszuweichen, indem er statt des Beweises der Möglichkeit des Gegenstandes (S. 43. 45.) schon die bloße Idee davon, die lediglich im Mangel des Widerspruchs besteht, für hinreichend ausgiebt und sich desfalls wieder auf die Mathematik beruft. Allein auch diese Berufung ist eben so unglücklich, als die vorige. Denn der Mathematiker kann nicht nur, wie Euler in dem von Hn. E. angeführten Beyspiele aus der Mechanik, sich Ideen machen, deren Möglichkeit sich schon wenigstens dunkel voraus sehen läßt, sondern er kann ohne alle Gefahr sich sogar Ideen erdichten, indem er, sobald er sich eine erdacht hat, sogleich untersucht, ob sie sich in der Anschauung darstellen läßt, folglich, ob sie einen möglichen Gegenstand, oder ein Unding bedeutet, und nur dann erst, wenn er das erstere bewiesen hat, kann er zur Erkenntniß seiner weitern Eigenschaften fortgehen. Aber kann der Metaphysiker dieses auch, wenn er sich Gegenstände bloß in der Idee als möglich denkt? Kann er es, so muß er es nach der Foderung der Kritik auch wirklich thun. Kann er es aber nicht, wie will er sich dann durch das Beyspiel des Mathematikers rechtfertigen, daß er es nicht tun dürfe? 3) aber verwickelt sich Hr. E. durch seine Rechtfertigung in eine Tautologie, die noch schlimmer ist, als die mathematische Verlegenheit, aus der er sich dadurch helfen will. Denn da die Wirklichkeit eines Gegenstandes, wenn sie, wie Hr. E. es hier will, vor dem Beweise seiner Möglichkeit erkannt werden soll, bloß aus der Erfahrung, d. i. a posteriori, erkannt werden kann; so heißt jetzt seine Behauptung so: um sich von einem Gegenstande eine Erkenntniß a priori zu verschaffen, ist nicht nöthig, diese zuvor a posteriori zu begründen. Alle Mühe, der gedachten Foderung der Kritik auszuweichen und von den einfachen Objecten der Cosmologie und Theologie entweder ihre Wirklichkeit, oder irgend ein bestimmtes synthetisches Prädicat zu beweisen, bevor ihre Möglichkeit auf eine bestimmte Art dargethan worden, ist also ganz vergeblich. Denn ehe Hr. E. dieses letztere geleistet hat, bleiben jene Objecte, und alles, was er von ihnen, auf welchem Wege es auch sey, beweisen zu können meynt, nichts weiter als bloße Ideen, von denen es noch immer problematisch ist, ob sie überall einen realen Gegenstand bedeuten oder nicht, folglich gar keine bestimmte objective Erkenntniß möglich ist.

Der zweyte Punct, den Rec. hier nicht übergehen kann, ist dieser: Hr. E. wollte (B. 1. S. 169.) zugleich eine Probe liefern, wie man aus den sinnlichen Vorstellungen von Raum und Zeit die Wirklichkeit einfacher Dinge beweisen könne, (da denn freylich die Frage über ihre Möglichkeit von selbst wegfiele,) und schloß daraus, weil beide etwas Zusammengesetztes sind, daß sie einfache Elemente haben. Nun versteht jedermann unter den einfachen Elementen eines zusammengesetzten Dinges Theile desselben. Der Vf. der vorerwähnten Recension machte ihm daher mit Grande den Vorwurf, daß er die einfachen Wesen als Theile der Materie in diese hinein demonstriren wollte und fragte daher sehr treffend: wie kann ein Continuum aus einfachen Theilen bestehen? Hierauf erklärt sich nun Hr. E. feyerlich, daß er diesen unrichtigen Satz nie behauptet habe, sondern nur: das zusammengesetzte stätige Ding müßte einfache Gründe haben, und das sey ganz etwas anders, als: es bestehe aus einfachen Theilen. Nun, ein willkommeneres Geständniß konnte der Vf. jener Recension mit Kant wohl kaum erwarten, als eben dieses, wodurch Hr. E. sich ohne Zurückhaltung in die Arme der Kritik wirft, und das zugesteht, was er an ihr widerlegen wollte. Denn daß allen Objecten der Sinne als einem Zusammengesetzten, sofern sie als Dinge an sich betrachtet werden, das Einfache zum Grunde Hegen müsse, das eben behauptete die Kritik. Eben daraus aber, daß dieses Einfache in der Anschauung, deren wir von diesen Objecten fähig sind, schlechterdings nicht angetroffen werden kann (wie die Mathematik lehrt, und Hr. E. nun selbst gesteht), eben daraus schloß sie, daß Raum und Zeit nicht enthalten, was den Dingen an sich zukommt, sondern nur das, was ihnen als Erscheinungen zukommt, folglich nicht reale Bedingungen der Möglichkeit der Objecte der Dinge an sich, sondern bloß subjective Bedingungen der Möglichkeit ihrer Anschauung sind, so ferne sie Objecte unserer Sinnlichkeit werden sollen. Und so sieht sich Hr. E. genöthigt, seine Widerlegung der in der Kritik behaupteten Idealität des Raums und der Zeit aufzugeben und einzugestehen, daß in der Vorstellung der Sinne schlechterdings nichts sey, welches den Objecten als Dingen an sich zukomme, sondern nur das, was allein ihrer Erscheinung beygelegt werden kann.

III) Von den Begriffen des Raums und der Zeit in Beziehung auf die Gewißheit der menschlichen Erkenntniß. Nachdem hier Hr. Prof. Eberhard sich zuvor auf einige Sätze bezogen, die er im ersten Bande als erwiesen festgestellt zu haben glaubt, die aber bereits von Kant selbst in seiner Schrift: über eine neue Entdeckung etc. gründlich widerlegt sind; so sucht er umständlich zu beweisen, daß Kant den großen Leibniz sehr schlecht verstanden habe, wenn er ihm den Vorwurf macht: er habe Verstand und Sinnlichkeit nicht genug unterschieden, sondern letzterer nur das Geschaffte überlassen, die Vorstellungen des Verstandes zu verwirren und zu verunstalten. Um dies desto deutlicher ins Licht zu setzen, stellt er in dreyzehn Sätzen und Gegensätzen der Kantischen Darstellung der Leibnitzischen Theorie die seinige gegenüber. Bey einer solchen Entgegensetzung ist es nun ein Hauptrequisit, daß Satz und Gegensatz von einerley Dingen reden, und der letztere genau anzeige, worinn der erstere irre. Dieses aber vermißt Rec. durchgehends. No. I. redet Kant von Raum und Zeit selbst, und sagt: Leibnitz dachte sich den Raum als eine gewisse Ordnung in der Gemeinschaft der Substanzen, und die Zeit als die dynamische Folge ihrer Zustände. Der Gegensatz hingegen redet statt dessen bloß von den cosmologischen Gründen der Perception des wirklichen Raums und der wirklichen Zeit, und sagt, daß diese beym Raum die durch gegenseitige Einwirkung verknüpften Substanzen, die die Elemente der Körper sind, und bey der Zeit die aufeinander folgenden Zustände seyn, die als Ursache und Verursachtes mit einander verknüpft sind. Wie soll man nun hier errathen, in welchem Punkte Kant unrecht habe. Daß er aber völlig recht habe, kann Hr. E. selbst nicht leugnen, wofern er sich nicht offenbar widersprechen will. Denn er sagt S. 50. ausdrücklich: "Raum und Zeit sind nach dem Leibnitzischen System nicht bloße Begriffe, sondern in Dingen, der erstere ist die Ordnung in dem Nebeneinanderseyenden, die andere die Ordnung in dem Aufeinanderfolgen der Dinge." Nun ist aber nach Hn. E. S. 60 das Nebeneinanderseyn die Verknüpfung der Substanzen durch gegenseitiges Einwirken, die jeder Philosoph ihre Gemeinschaft nennt, und das Aufeinanderfolgen der Dinge die unmittelbare Verursachung eines Zustandes durch den ändern, des anfangenden durch den aufhörenden, die jeder Philosoph die dynamische Folge der Zustände nennt. Also dachte sich Leibnitz (ohne hier den längst bekannten Zirkel in beiden Definitionen zu rügen) nach Hn. E. eigener Erklärung, Raum und Zeit ja gerade so, wie Kant es sagt. No. 2. spricht Kant vom Eigenihümlichen und von Dingen Unabhängigen, was Raum und Zeit zu haben scheinen, und sagt, daß Leibnitz dieses der Verworrenheit dieser beiden Begriffe zuschrieb, welche machte, daß dasjenige, was eine bloße Form dynamischer Verhältnisse ist, für eine eigene für sich bestehende, und vor den Dingen selbst vorhergehende Anschauung gehalten wird. Und wie erklärt sich Hr. E. hierüber im Gegensatze? Man muß, sagt er, unterscheiden 1) den objektiven wirklichen Raum und Zeit. 2) die Perception von beiden, 3) den abstrakten Begriff von beiden. Gleichwohl giebt er von 1. und 2. weder eine Erklärung, noch macht er davon den mindesten Gebrauch, sondern, nachdem er wiederholt hat, worinn die Perception ihren objectiven Grund hat, setzt er nun hinzu, daß sie ihren subjectiven Grund in den Schranken der Seele habe, welche diese Zustände nicht unterscheidet, sondern ihr ganzes Aggregat sich verworren, und daher als stätig vorstellt. Diese undeutliche Vorstellung des Aggregats verknüpfter Substanzen als eines ausgedehnten Dinges, oder eines solchen, dessen Theile in einer stätigen Reihe coexistiren, sei also das Eigenthümliche des Bildes des Raums, so wie die undeutliche Vorstellung der verknüpften Zustände als einer stätigen successiven Reihe das Eigenthümliche des Bildes der Zeit ist. Allein dieses ist ja wieder eben das, was der Kantische Satz behauptet; denn unter dem Bilde des Raums und der Zeit versteht Hr. E. die sinnliche Vorstellung derselben (S. 56.), folglich unter dem Raum und der Zeit selbst was Unbildliches, mithin den intelligiblen Raum und die intelligible Zeit (S. 56.), diese aber sind die Verknüpfung der Substanzen selbst und ihrer successiven Zustände (S. 67. N. 8.). Also ist nach Hn. E. das Eigenthümliche der sinnlichen Vorstellung von Raum und Zeit im Leibnizischen System nichts anders, als die verworrene Vorstellung des intelligiblen Raums und der intelligiblen Zeit, und eben das sagt der Kantische Satz. Wenn daher Hr. E. S. 56. sagt: Leibniz habe nie behauptet, die Bilder der Sinnenerkenntniß bestehen aus der Verwirrung der Verstandesideen von dem Allgemeinen in den objectiven Gründen des Raums, weil dieses unmöglich sey, sondern aus der undeutlichen Vorstellung der einzelnen objectiven Gründe dieser Bilder; so widerlegt er sich hier selbst; denn der intelligible Raum und die intelligible Zeit sind als Verknüpfung der einzelnen Substanzen und ihrer successiven Zustände doch offenbar selbst nichts Einzelnes und Individuelles, sondern Verstandesbegriffe von allgemeinen Bestimmungen derselben. Außerdem gesteht ja Hr. E. ausdrücklich, daß die Sinnlichkeit uns die Substanzen nicht als einzelne, sondern bloß in ihrer Verknüpfung, und daher eben nur verworren als ein Continuum darstellen kann. Also besteht ja ihr Geschaffte ausdrücklich darinn, daß sie die Idee, die sich der Verstand von den allgemeinen Bestimmungen der objectiven Gründe des Raums macht, daß letztere nemlich einfache, unstätige, bloß durch gegenseitige Einwirkung verknüpfte Dinge seyn, verwirret und verunstaltet, indem sie uns dieselben als etwas Stätiges darstellt, in welchem gar keine einfache Theile Statt finden.

No. 3) sagt Kant: Also waren (bey Leibniz) Raum und Zeit die intelligible Form der Verknüpfung der Dinge an sich selbst, die Dinge aber waren intelligible Substanzen. Ist nun dieses richtig? Darüber erklärt sich der Gegensatz wiederum nicht, sondern wiederholt statt dessen aufs neue, daß die Verknüpfungen der Substanzen und ihre successiven Zustände die objectiven Gründe des Bildes von Raum und Zeit seyn, und daß wir von jenen nur das Allgemeine, und zwar nur durch den Verstand, deutlich erkennen können. Allein daß Kant auch in diesem Satze völlig recht habe, kann Hr. E. wiederum nicht leugnen. Denn er sagt S. 67. selbst: "Der intelligible Raum und die intelligible Zeit, oder die Verknüpfung der Substanzen selbst und ihrer successiven Zustände (s. oben N. 3.) sind allerdings Bestimmungen von Dingen an sich." Bestimmungen der Dinge aber machen ihre Form aus. Also sind bey Leibniz Raum und Zeit die intelligible Form der Verknüpfung der Dinge an sich, und diese sind intelligible Substanzen, alles so, wie Kant es sagte.

No. 4. 5. fährt Kant fort: Gleichwohl wollte Leibniz diese Begriffe für Erscheinungen geltend machen, weil er der Sinnlichkeit keine eigene Anschauung (keine eigene Art des Anschauens, sagt Kant) zugestand. Hier ruft der Gegensatz mit Befremdung aus: "Diese Begriffe! Welche Begriffe? Die Verstandesbegriffe von den Substanzen und ihren Zuständen? Diese hätte Leibniz wollen für Erscheinungen geltend machen? —" Allein woher alle diese staunende Fragen? da doch aus dem vorhergehenden Satze so offenbar ist, daß die Begriffe, von denen Kant hier redet, nichts anders sind, als die Leibnizischen intelligiblen Begriffe von Raum und Zeit. Diese wollte Leibniz allerdings auch für Erscheinungen geltend machen; denn nach seinem Intellectualsystem suchte er, wie Kant in dieser Stelle ausdrücklich erinnert, alle, selbst die empirische, Vorstellung der Gegenstände im Verstande, und daher war bei ihm der sinnliche stätige Raum nichts weiter, als die verworrene Vorstellung des intelligiblen Raums. Sinnlichkeit und Verstand lieferten uns daher beide einerley Gegenstände, nemlich Dinge an sich, nur mit dem Unterschiede, daß jene sie uns nie anders als verworren vorstellen konnte, dieser hingegen sie uns deutlich vorstellte. Hiemit stimmt auch Hr. E. selbst überein, wenn er das Eigene in den Anschauungen der Sinnlichkeit bloß darin setzt, daß sie bildliche Vorstellungen sind (S. 63.), indem das Eigene dieses Bildlichen (S. 59.) ja nichts anders ist, als die undeutliche Vorstellung des Aggregats verknüpfter Substanzen und ihrer successiven Zustände, dessen deutliche Vorstellung uns durch den Verstand möglich ist.

Bis so weit geht Hn. Eberhards merkwürdiger Versuch, zu beweisen, Kant verstehe Leibnizen nicht, dessen Ausgang sich nun leicht wird beurtheilen lassen. Denn von No. 6 bis 14 widerlegt Kant schon die Leibnizische Theorie. S. 68. sagt Hr. E.: "Das schlechterdings Innere der Materie sind die letzten objectiven Gründe der Erscheinungen", und wird daher unwillig, daß Kant das schlechthin Innerliche der Materie eine bloße Grille nennt. Allein 1) vergißt er, daß, da das schlechthin Innerliche der Materie, wofern es möglich wäre, was Absolutes in ihr selbst seyn, folglich in einfachen Theilen der Materie bestehen müßte, er seiner obigen Erklärung zuwider die objectiven Gründe der Materie in der That für Theile derselben hält; 2) aber zeigt er hier den offenbaren Mißverstand der Kritik, indem Kant jene objectiven Gründe als Dinge an sich überall selbst behauptet, und (Crit. Aufl. 2. S. 321. 322. 330) sich ausdrücklich erklärt, daß er unter dem Innerlichen der Materie, das er eine bloße Grille nennt, nichts anders, als die Vorstellungskräfte der Leibnizischen Monaden versteht. Sind diese das nun nicht, wofür sie schon lange vor Kant von mehrern angesehen worden; so liegt Hn. E. der Beweis ob, daß sie es nicht sind. Ein ähnlicher Mißverstand der Kritik ist es auch, wenn er S. 71. 72. auf den Kantischen Satz: wir können nichts verstehen, als was ein unsern Worten Correspondirendes in der Anschauung mit sich führt, erwiedert: "es gibt Worte, deren Bedeutung nichts Anschauendes enthält, und die wir doch sehr gut verstehen, weil wir sie definiren können." Denn Hr. E. redet hier von Worten, die man durch bloße Definition ohne gegebene Anschauung verstehen kann. Kant hingegen sagt, daß man ohne diese die Sache nicht verstehen kann, ob nemlich dergleichen etwas, z. B. ein reiner Geist, irgend ein Ding, d.i. auch nur möglich, sey? Der Schwärmer größter Unsinn ist nicht immer so grob, daß nicht der Begriff, den sie sich erdichten, definirt werden könnte, selbst ohne den mindesten Widerspruch zu enthalten. Aber nun fragt die Kritik: hat der Begriff objective Realität? hat er einen Gegenstand? Correspondirt ihm unter allem Möglichen irgend etwas? und hier lehrt sie, das letztere müsse wenigstens so lange bezweifelt werden, bis dem Begriffe eine correspondirende Anschauung, irgend etwas, was zum Beyspiele dienen kann, untergelegt werden kann. S. 73—78. stellt Hr. E. 8 Sätze auf, in denen Leibniz und Kant völlig eines seyn sollen, von denen aber, wie sie hier ausgedrückt sind, letzterer wohl schwerlich einen unterschreiben möchte, neben diesen aber eben so viele, in welchen beide uneins sind, und nun kommt er S. 79. auf die eigentliche Sache, von der er in diesem Aufsatze handeln wollte, wo er folgende zwey Sätze zu widerlegen sucht: 1) daß der allgemeine Begriff des Raums vor allen Empfindungen vorhergehe, und daß 2) auf der Notwendigkeit desselben a priori die apodiktische Gewißheit aller geometrischen Grundsätze beruhE. Auf den erstern, in welchem das Subject ganz unrichtig, und das Prädicat sehr zweydeutig ausgedrückt ist, und der (Crit. S. 38. zweyte Aufl.) so heißt: Der Raum ist kein empirischer Begriff, der von äußern Erfahrungen abgezogen worden, sondern eine notwendige Vorstellung a priori, die allen äußern Anschauungen zum Grunde liegt, erwidert Hr. E. nur kurz: "aus den Vordersätzen, worauf er gebauet wird, folge bloß, daß die äußern Empfindungen nicht ohne den Begriff des Raums seyn können, aber nun seyn immer noch die beiden Fälle möglich, daß dieser entweder vor ihnen, oder nur mit ihnen zugleich da sey." Dieses ist unrichtig: denn die Vordersätze sagen: dazu, daß sich gewisse Empfindungen auf etwas außer mir beziehen, imgleichen, daß ich sie mir außer und neben einander vorstellen könne, dazu muß die Vorstellung des Raums schon zum Grunde liegen, und hieraus folgt nicht bloß, daß die äußern Empfindungen nicht ohne die Vorstellung des Raums seyn können, sondern daß jene erst durch diese möglich werden, mithin sie als etwas von ihnen unabhängiges, d. i. als eine Vorstellung a priori schon voraussetzen.


Bis hierher erstes Stück der Besprechung in der Nummer 281 vom 24. September 1790; es nimmt, wie auch die nächsten beiden Stücke, den ganzen Raum des Blattes ein.


Bey dem zweyten Satze verweilt sich Hr. E. länger und setzt ihm folgenden entgegen: "die Nothwendigkeit der geometrischen Wahrheiten kann gar nicht in den bildlichen Merkmalen ihrer Begriffe gegründet seyn." Dieser Satz ist nun, ohne einmal an den hier ganz unschicklichen Ausdruck des Bildlichen zu denken, so ausgedrückt, daß dem Leser dadurch die wahre Frage ganz aus den Augen gerückt wird, und Kant ihn ganz zugeben könnte. Denn dieser gründet die Nothwendigkeit der geometrischen Sätze keineswegs auf das Anschauliche ihrer Begriffe, (denn hieraus folgt nur, daß sie synthetische Sätze sind,) sondern darauf, weil die Anschauung, auf welcher die Verknüpfung ihrer Begriffe beruht, eine Anschauung a priori, mithin eine nothwendige ist. Indessen wollen wir seine beiden Beweise selbst hören. Den ersten nimmt er aus der Zufälligkeit und Veränderlichkeit der subjectiven Gründe dieser Bilder oder Anschauungen. Denn 1) sagt er, "müssen die Begriffe der schlechterdings notwendigen und ewigen Wahrheiten schlechterdings nothwendig und ewig seyn; allein nur in ihren Gegenständen, die Begriffe selbst aber in dem göttlichen Verstande, in diesem aber ist unmittelbar keine bildliche Vorstellung des Raums, also liegt die Notwendigkeit der Begriffe in den nothwendigen Wahrheiten auf keine Art in dem Bildlichen." (Ein auffallendes Unternehmen, die Gewißheit der geometrischen Sätze theils in den Dingen an sich, theils im göttlichen Verstande aufzusuchen! Rec. schämt sich nicht, über das, was sowohl in den Dingen an sich, als im göttlichen Verstande befindlich ist, seine völlige Unwissenheit zu bekennen, und kann daher nichts sagen, als: von diesem überirdischen Argument verstehe ich nichts. Was aber das Unrichtige in dem Begriffe betrifft, den sich Hr. E. von den nothwendigen und ewigen Wahrheiten macht, so ist dieses bereits von Kant selbst in der oben erwähnten Streitschrift aufgedeckt.) 2) Schließt Hr. E. "das Bildliche im Räume hat nur subjective Gründe, nemlich in den Schranken des vorstellenden Subjects. Dieses Subjective aber ist veränderlich und zufällig, es kann also unmöglich der zureichende Grund von der absoluten Notwendigkeit der ewigen Wahrheiten seyn, dieser Grund kann nur in dem Objectiven (in Dingen an sich) seyn." (Dieses Argument beruht bloß auf dem mißverstandenen Begriffe von der Nothwendigkeit des Raums. Denn nach Kant ist der Grund von der Vorstellung des Raums bloß subjectiv, und liegt, wie er bewiesen hat, nicht in den Schranken der Vorstellungskraft, sondern lediglich in der uns angebornen besondern Beschaffenheit unserer Anschauungsfähigkeit. Nun läßt sich zwar von dieser allerdings nicht erweisen, daß sie absolut nothwendig ist, d. i., daß sie jedes vorstellungsfähige Wesen haben, und sich die Dinge, die wir äußere nennen, ebenso, wie wir, als Dinge im Raum vorstellen müsse. Uns aber ist durch diese ursprüngliche Beschaffenheit unserer Anschauungsfähigkeit die Vorstellung, die wir vom Raum haben, mit so unbedingter Nothwendigkeit und Unveränderlichkeit gegeben, daß es uns absolut unmöglich ist, den Raum wegzudenken, oder ihn im mindesten anders, als so, zu denken, so daß, wenn wir nur ein einziges Prädicat, das uns von ihm bekannt ist, verändern wollten, hiedurch die ganze Vorstellung von Raum aufgehoben und ein Unding würde. Auf dieser absoluten Nothwendigkeit, uns den Raum gerade so, wie er uns durch die ursprüngliche Beschaffenheit unserer Anschauungsfähigkeit gegeben ist, und nicht anders vorzustellen, gründet sich daher in allen geometrischen Postulaten und Axiomen die absolute Nothwendigkeit der Verknüpfung des Prädicats mit dem Subjecte, mithin ihre apodiktische Gewißheit unmittelbar (denn wer sie läugnen wollte, der müßte den ganzen Raum selbst, als das Object der Geometrie, aufheben), und daher auch mittelbar in allen Problemen und Theoremen, die lediglich aus jenen hergeleitet werden können. Würde hingegen jene besondere ursprüngliche Beschaffenheit unserer Anschauungsfähigkeit aufgehoben, so wäre der ganze Raum Nichts, folglich wären in diesem Falle auch alle geometrische Begriffe und Sätze Nichts. Hieraus ist also zugleich klar, welch einen unrichtigen Begriff sich Hr. E. von der Ewigkeit und Nothwendigkeit der geometrischen Wahrheiten macht, wenn er S. 83. sagt: "Wenn die Wahrheit: zwischen zwey Punkten ist nur Eine gerade Linie möglich, eine ewige und schlechterdings nothwendige Wahrheit sein soll; so muß sie wahr seyn, wenn auch alle subjective Schranken der vorstellenden Kraft und mit ihnen alle bildliche Vorstellung aufgehoben werden." Denn das heißt so viel: wenn auch alle geometrische Punkte und gerade Linien aufgehoben und Nichts würden, so müßte doch der Satz wahr seyn: zwischen zwey Nichtsen ist nur Ein Nichts möglich. Will also Hr. E. den Kantischen Satz widerlegen, so muß er erst beweisen, daß der Raum nicht, wie Kant bewiesen hat, etwas bloß Subjectives, sondern zugleich etwas in den Dingen an sich sey. Denn bevor er diesen Beweis geführet hat, ist sein ganzes Argument nichtig.)

Den zweyten Beweis gründet Hr. E. auf die Unmöglichkeit der Anschauungen a priori. Der Raum, sagt er, ist unendlich. Der bildliche Begriff oder die Anschauung vom Raum aber muß allemal bestimmt oder endlich seyn. Also ist ein bildlicher Begriff von einem unendlichen Raum oder eine reine Anschauung desselben ganz unmöglich, ein Unding, eine Täuschung, ein Hirngespinst, folglich muß der Begriff von diesem ein unbildlicher seyn, ein Begriff des Verstandes, der nur die allgemeinen Bestimmungen der letzten Gründe des Bildes von dem Raum enthält. Allein dieses kraftvolle Argument beruht unglücklicherweise bloß auf dem mißverstandenen Begriffe der Unendlichkeit des Raums. Denn der Kaum ist unendlich, heißt so viel: er hört nirgends auf, es ist in ihm keine absolute Grenze möglich, über welche hinaus kein Raum mehr wäre. Nun ist die durch die ursprüngliche Beschaffenheit unserer Anschauungsfähigkeit uns unmittelbar gegebene reine Anschauung vom Raum von der Art, daß, wir mögen ihn begrenzen, wo wir wollen, wir uns gleichwohl keine von diesen Grenzen als eine absolute, d. i. als eine solche denken können, wo der Raum gänzlich aufhörte. Also ist unsere reine Anschauung vom Raum schlechterdings Anschauung von einem Räume, der unendlich ist. Alle Mühe, diese unmittelbar klare Sache zu verwirren, ist daher fruchtlos. Denn die ganze Täuschung besteht in der Einbildung, als ob wir den ganzen unendlichen Raum völlig überschauen, d. i. das, was nirgends aufhört, in unserer Vorstellung als etwas irgendwo aufhörendes zusammenfassen müßten, welches offenbar widersprechend, aber auch, wie gezeigt worden, zum Beweise der Unendlichkeit des Raums gar nicht nöthig ist; und wäre dieses in der That nöthig; so wäre auch kein Verstandesbegriff von dem unendlichen Raum möglich, weil der Verstand eben so wenig als die Sinnlichkeit das Unendliche völlig umfassen kann. Also müßte Hr. E. die Unendlichkeit des Raums ganz und gar wegläugnen. Aber wie könnte er dann dieselbe zum Grunde seines Beweises legen, daß reine Anschauung des Raums ein Hirngespinst sey? Wenn übrigens Hr. E. es für eine ganz falsche Vorstellung erklärt, daß die besondern Räume Theile desselben alleinigen Raums seyn, weil kein unendliches Aggregat ein Ganzes seyn könne, so beruhet dieses auf der ganz falschen Vorstellung, als ob wir zu dem Begriffe des ganzen einigen unendlichen Raums nur dadurch kommen könnten, daß wir diesen erst aus seinen unendlich vielen Theilen als ein Aggregat zusammensetzen müßten, und er übersieht also hier das ganz Besondere, was außer dem Raum und der Zeit sich an keinem ändern Zusammengesetzten findet, daß uns nemlich in der reinen Anschauung der Raum als eine solche Größe gegeben wird, in welcher die Möglichkeit, sich Theile vorzustellen, schon die Vorstellung des unendlichen Ganzen voraussetzt, indem wir uns nicht den geringsten endlichen Raum, nicht die kleinste Linie, nicht das kleinste Dreyeck oder Prisma denken können, ohne sie uns schon als etwas im ganzen unendlichen Raum vorzustellen. Hieraus folgt eben unwidersprechlich, daß der Raum kein Zusammengesetztes ist, das sich durch Begriffe des reinen Verstandes denken läßt, weil in diesem die Vorstellung der Theile nicht erst die Vorstellung des Ganzen erfodert, sondern dieser schon vorhergehen muß, mithin, daß derselbe bloß in unserer Sinnlichkeit gegründet, und daher, wenn man von dieser abstrahirt, ganz und gar Nichts ist, folglich ein Raum, der ein objectives Prädicat von Dingen an sich wäre, und so auch eine Geometrie, deren Wahrheit auf den allgemeinen Bestimmungen der Dinge an sich beruhete, ausgemachte Undinge sind. Hr. E. vermißt sich zwar selbst nicht, seine hier angezeigten Argumente für ganz unwiderleglich zu halten. Indessen giebt er sie doch gleich darauf in der That dafür aus, da er diesen Aufsatz auf folgende feyerliche Art schließt: "Die Erkenntnis der unsinnlichen Gegenstände wäre also gerettet. — Hr. Kant hat das Verdienst, diese Rettung veranlaßt zu haben. — Die deutsche Philosophie, die vielleicht, gleich einem thatenreichen Sieger, auf ihren Lorbeeren eingeschlafen wäre, hat es ihm zu danken, daß sie seine Angriffe genöthigt haben, ihre vernachlässigten Schätze von neuem zu mustern." Dieser Triumph der deutschen Philosophie über die vermuthlich undeutsche Kantische käme nun wohl etwas zu frühe. Denn bis jetzt hat sie von den ihr entrissenen fruchtbaren Feldern der Ontotogie, Kosmologie etc. noch keinen Fuß breit zurück erobert, und durch bloße allgemeine unbestimmte Behauptung der Möglichkeit synthetischer Sätze a priori aus Begriffen, ohne diese Möglichkeit auch nur an einem einzigen Satze dieser Art, dergleichen doch die Kritik eine Menge aufgestellt hat, auf eine probehaltige Weise bestimmt zu zeigen, dürfte dieses auch schwerlich geschehen. Der kürzeste Weg würde vielmehr der seyn, wenn Hr. E., wie Mendelssohn es that, uns seine dogmatischen Schätze wirklich zeigte, wenn er uns z. B. die Bilder des Raums und der Zeit aus objectiven Gründen in der That erklärte und aus dem bloßen Verstandesbegriffe eines Verhältnisses des Mannigfaltigen begreiflich machte, daß wir uns äußere Dinge im Verhältnisse gegeneinander nicht anders als nach drey Abmessungen, die innern Bestimmungen aber und ihr Verhältniß nur nach einer einzigen vorstellen können, wenn er uns ferner das absolut Innere der Materie verständlich machte, und seine Theorie von den einfachen Elementen der Körper deutlich lieferte, oder, die Wirklichkeit eines notwendigen Wesens schon vorausgesetzt, uns aus dem bloßen Begriffe desselben seine Eigenschaften demonstrirte — alles dieses aber ohne allen rednerischen Schmuck, in trockenen, abgemessenen Beweisen, wie es die reinen metaphysischen seyn können und müssen. Denn auf diese Art würde es, ohne alle weitere Umwege, die That selbst zeigen, auf welcher Seite der Sieg wäre.

IV. Etwas über die Kantische Kritik des kosmologischen Beweises für das Daseyn Gottes von Hn. Prof. Flatt nebst einem Zusätze des Hn. Prof. Eberhard. Beide Weltweisen suchen hier das Argument zu widerlegen, daß der kosmologische Beweis schon den ontologischen voraussetze, allein alle ihre Einwürfe verfehlen gänzlich den wahren Sinn dieses Arguments. Kant schließt so: Ist der Satz wahr: jedes nothwendige Wesen ist das realste; so muß auch der wahr seyn: einige realste Wesen sind nothwendig. Soll aber dieser wahr sein, so muß er, da ihm keine Anschauung untergelegt werden kann, bloß durch seine Begriffe bestimmt sein, d. i., das Prädicat muß sich aus dem bloßen Begriffe eines realsten Wesens herleiten lassen, und daher allgemein einem jeden realsten Wesen zukommen. Das aber behauptete eben der ontologische Beweis. Also setzt der erste Satz schon die Wahrheit dieses Beweises voraus. Der nervus probandi liegt also darin, daß der particulare Satz hier nur unter der Bedingung wahr seyn kann, daß das Prädicat sich aus dem bloßen Begriffe des Subjects herleiten lasse, und gerade diesen Umstand haben beide übersehen. Endlich folgen noch zwey Recensionen.

Das zweyte Stück enthält 4 Aufsätze. I. Über die apodiktische Gewißheit. II. Über den höchsten Grundsatz der synthetischen Urtheile, in Beziehung auf die Theorie von der mathematischen Gewißheit von Hr. M. Maaß. III. Über die Möglichkeit der Vorstellungen von Dingen an sich, in Beziehung auf die A. L. Z. (N. 176. d. J.) von Hn. M. Maaß. IV. Nachschrift betreffend die Gegenerklärung des Recensenten in dem Intelligenzblatte der A. L. Z. Da die beiden letztern Nummern den Rec. nicht angehn, so schränkt er sich bloß auf die beiden ersten Aufsätze ein. In dem ersten sucht Hr. Prof. Eberhard zu beweisen, daß die apodiktische Gewißheit der Sätze bloß entweder auf dem Satze des Widerspruchs, oder dem des zureichenden Grundes beruhe, und daß sie also keiner Beziehung auf die Möglichkeit der Erfahrung bedürfe, sondern auch bey übersinnlichen Gegenständen oder Dingen an sich Statt finde. Nach einem sehr weitläuftigen Eingänge von S. 129 bis 140, der sehr dazu dient, den Leser gleich anfangs zu verwirren, glaubt der Hr. Vf. (S. 141.) folgenden Satz festsetzen zu dürfen: "alle wahren allgemeinen Vernunfturtheile, oder Urtheile a priori, sind auch logisch wahr, oder haben eine objective Gültigkeit, und diese müssen sie haben, wenn ihre Objecte auch keine Erscheinungen, sondern wahre Dinge, oder Dinge an sich, sind. Es müssen ihnen also nothwendig wahre Gegenstände entsprechen, wenn diese auch nicht können erfahren werden, und sie selbst keine Anschauungen a priori enthalten." Dieses beweist er also: "Das Prädicat muß nämlich in diesen Urtheilen dem Subjecte zukommen, so fern dieses in allen Dingen enthalten ist, die es unter sich begreift, sonst wäre das Urtheil kein allgemeines Urtheil a priori." (Das heißt: in einem wahren Urtheile, in welchem das Subject ein allgemeiner oder Gattungsbegriff ist, kommt das Prädicat dem Subjecte zu, so fern letzteres ein allgemeiner oder Gattungsbegriff ist.) "Alsdenn kömmt es nicht bloß dem denkenden Wesen zu, (diesem kann es nur dann zukommen, wenn es sich unter den Gattungsbegriff des Subjects subsumiren läßt, z. B. im Urtheile: alles Gras ist nicht grün, kommt das Prädicat grün nicht dem urtheilenden Wesen zu,) "sondern auch allen ändern Dingen, die zu der nemlichen Gattung von Dingen gehören, die das Subject des allgemeinen Urtheils in sich begreift, und selbst von dem denkenden Wesen gilt dieses Urtheil nur darum nothwendig, weil (nicht weil, sondern wenn und in so fern) es zu den unter dem Subject des Urtheils begriffenen Dingen gehört." Nach diesem Beweise sagt also der ganze Satz des Hn. Vf. nichts weiter, als: ein wahres allgemeines Urtheil gilt von jedem Dinge, das zu dem allgemeinen Gattungsbegriff des Subjects gehört, d. i., ein allgemeines Urtheil ist nicht ein particuläres, sondern ein allgemeines Urtheil. Dieses ist nun freylich auch ohne Beweis unleugbar. Aber was kann dieser tavtologische Satz für einen Einfluß in die Frage über die apodiktische Gewißheit haben? Niemand wird z. B. die Folge leugnen, die Hr. E. sogleich daraus zieht, daß nemlich der Satz: alles Mögliche hat einen Grund, wofern er wahr ist, von jedem möglichen Dinge wahr seyn muß, aber ein jeder wird fragen: was bedeutet hier das Subject alles Mögliche und das Prädicat Grund? Soll das Mögliche nur ein logisches Ding, eine Behauptung, einen Satz, d. i. ein assertorisches Urtheil, und daher der Grund nur einen logischen, d. i. einen Erkenntnißgrund, bedeuten, folglich der ganze Satz nur so viel sagen: jede Behauptung, d. i., jedes assertorische Urtheil muß einen logischen Grund haben; so ist er allerdings unleugbar, und ein analytischer Satz; denn etwas behaupten, oder assertorisch urtheilen, heißt anzeigen, daß ein zureichender Grund da sey, das Prädicat dem Subjecte beyzulegen, oder abzusprechen, folglich ist eine Behauptung, die keinen logischen Grund hat, ein Widerspruch. Soll dagegen das Mögliche ein metaphysisches oder reales Ding, und daher der Grund einen realen Grund, d. i. eine wirkende Ursache, bedeuten, folglich der Satz so viel sagen: jedes mögliche reale Ding hat einen Realgrund, eine wirkende Ursache; so ist er, in dieser Allgemeinheit ausgedrückt, wie Kant in seiner Schrift: über eine neue Entdeckung etc. S. 21 ff. gezeigt hat, nicht nur unerweislich, sondern sogar falsch. Hieraus ist also klar, daß der Satz des zureichenden Grundes, sofern er ein ebenso ungezweifeltes Princip als der Satz des Widerspruchs seyn soll, bloß den Sinn hat: in jedem wahren Satze muß die Verknüpfung des Prädicats mit dem Subjecte einen zureichenden Grund haben. Worinn aber dieser Grund liege, das läßt der Satz des zureichenden Grundes gänzlich unentschieden.

Wenn daher Hr. E. (S. 142.) sagt: "alle Urtheile sind apodiktisch gewiß, deren Prädicat durch das Subject, vermöge des Satzes des Widerspruchs oder des zureichenden Grundes bestimmt wird;" so heißt der erstere von diesen Sätzen so viel: ein Urtheil, in welchem die Nichtverknüpfung des Prädicats mit dem Subjecte einen Widerspruch enthält, ist apodiktisch gewiß, und dieses ist allerdings richtig. Im zweyten aber ist die Voraussetzung: ein Urtheil könne durch den Satz des zureichenden Grundes bestimmt werden, offenbar widersprechend; denn dieser Grundsatz lehrt bloß, daß die Verknüpfung des Prädicats mit dem Subjecte einen zureichenden Grund haben muß, aber gar nicht, worinn dieser liegt, also kann durch ihn nie bestimmt werden, ob das Prädicat dem Subjecte zugehöre, oder nicht. Daher ist die Behauptung des Hn. E. "daß in dem Satze: die Welt muß eine Ursache haben, die das nothwendige Wesen ist, das Prädicat vermöge des Satzes vom zureichenden Grunde durch das Subject bestimmt werde" in sich selbst widersprechend.

Es ist also auch eine ganz unrichtige Vorstellung, wenn Hr. E. die transscendentale oder objective Gültigkeit der Sätze des Widerspruchs und des zureichenden Grundes darin setzt, als ob der Verstand durch diese bloß logischen Principien synthetische Sätze begründen könnte, sondern die objective Gültigkeit des Satzes des Widerspruchs besteht bloß darinn, daß durch ihn alle analytische Sätze begründet werden, was für Gegenstände sie auch betreffen mögen; und die objective Gültigkeit des Satzes vom zureichenden Grunde bestellt bloß darinn, daß in jedem Satze, was für Gegenstände er auch betreffen mag, die Verknüpfung des Prädicats mit dem Subjecte einen Grund haben muß, ohne zu bestimmen, worinn dieser liege. Soll dieses letztere bestimmt werden, so muß vielmehr ausdrücklich die verschiedene Art der Sätze in Betrachtung gezogen werden. Ist nemlich der Satz analytisch, so liegt der Grund jener Verknüpfung, wie schon gesagt, im Satze des Widerspruehs. Ist es ein synthetischer Satz a posteriori, so liegt der Grund in wirklichen Wahrnehmungen, durch welche jene Verknüpfung unmittelbar gegeben wird. Ist es hingegen ein synthetischer Satz a priori, so liegt, vermöge der Definition, der Grund jener Verknüpfung weder im Satze des Widerspruchs, noch in irgend einer Wahrnehmung, sondern hier entsteht eben die wichtige Frage, die den Hauptzweck der Kritik ausmacht, und von deren Beantwortung die Möglichkeit einer Metaphysik abhängt: worinn liegt in dieser Art von Sätzen der Grund der Verknüpfung zwischen Prädicat und Subject? Wollte man nun sagen: dieser Grund läge eben im Satze des zureichenden Grundes, so hieße dieses eben so viel, als: der Grund dieser Verknüpfung liegt darinn, daß sie einen Grund haben muß, und das wäre doch offenbar ungereimt. Gleichwohl ist dieses der eigentliche Grundpfeiler, auf welchem nach Hn. E. die Metaphysik ruhen soll, daß nämlich in jedem synthetischen Satze a priori das Prädicat, bloß vermöge des Satzes vom zureichenden Grunde, durch das Subject bestimmt werde, und man also gar nicht aus dem Begriffe des Subjects herausgehen dürfE. Indessen scheint er selbst besorgt zu haben, daß man die Nichtigkeit desselben nur zu leicht einsehen werde; denn hätte er ihn in der That für fest gehalten, so hätte er ja nunmehr ohne alle weitere Umwege sein metaphysisches Gebäude sofort auf demselben aufzubauen anfangen, und dann jedem seiner Gegner zurufen können: Komm und siehe es!


Hier endet das zweite Stück der Besprechung, in der Nummer 282 vom 25. September 1790.


Statt dessen sucht Hr. E. vielmehr, (was ihm schon im ersten Stücke dieses Bandes so sehr verunglückt war,) nochmals mit vieler Weitläuftigkeit, trotz aller Klarheit des Gegentheils, zu zeigen, daß sogar die apodiktische Gewißheit der Mathematik nicht auf Anschauung a priori, sondern auf jenem vermeyntlichen Grundpfeiler beruhe, ja daß die Mathematik, ob sie gleich vor der Metaphysik den sehr zweydeutigen Vorzug der Evidenz habe, dieser doch in Ansehung der apodiktischen Gewißheit bey weitem nachstehe. Nun, unglücklicher hätte Hr. E. sich nicht versteigen können. Um dieses sichtbar zu machen, darf Rec. nur seinen Gang bemerken. "Die Mathematik kennt keine andere Principien der Demonstration, als die Definitionen. Darinn, sagt er, sind alle Weltweisen, und wohl bemerkt, schon vom Aristoteles an, welche das Verfahren der Mathematik in ihren Beweisen in eine Theorie gebracht haben, einig." (Mag es doch um dieses Zeugenheer stehen, wie es wolle! Aber 1) wie kann Hr. E. fodern, daß man diesen vorgegebenen Satz ohne allen Beweis für wahr halten soll? 2) Wenn es mit seinem obigen Grundpfeiler, daß man in Demonstrationen a priori nicht aus dem Begriffe des Subjects herausgehen dürfe, seine gute Richtigkeit hätte, warum beweist er denn seine Behauptung nicht aus diesem geradezu, da sie doch eine unmittelbare Folge desselben ist? Doch dieses geschähe mit gutem Bedacht. Denn dieser durch bloße Berufung auf Zeugen erschlichene Satz sollte nachher, wie es sich S. 157 zeigt, eben als eine neue Bestätigung der Festigkeit jenes Grundpfeilers angesehen werden. 3) Selbst dieses bey Seite gesetzt, warum zeigt Hr. E. die Richtigkeit dieser wichtigen Behauptung nicht wenigstens an einem einzigen geometrischen Satze, da er doch sonst mit Beyspielen aus der Geometrie so freygebig ist? Dieses lag ihm ohnehin schlechterdings ob, da die Kritik sich ausdrücklich erklärt hat, daß sie sich für widerlegt halten wolle, so bald man z. B. nur den einzigen Satz: in jedem Dreyecke sind zwey Seiten zusammen größer, als die dritte, aus der bloßen Definition des Dreyecks, d. i. aus den Begriffen der ebenen Figur, der Seite und der Zahl drey zu demonstrieren im Stande sey. Bevor Hr. E. also dieses geleistet haben wird, wovon Kant bewiesen, daß es ungereimt wäre, es auch nur leisten zu wollen, ist sein ganzes Vorgeben, wenn er auch Tausende von Weltweisen, die alle mit ihm gleich dächten, aufzuführen vermögend wäre, vergeblich und nichtig.) "Allein," fährt Hr. E. fort: "die Mathematik, sagt Kant, hat, (zum Unglück für Hn. E.) auch andere Principien, sie hat Axiome (und Postulate), die keine Definitionen sind, und aus keinen Definitionen können bewiesen werden." Und wie hilft sich Hr. E. aus dieser wahrlich nicht geringen Verlegenheit? Sehr leicht. "Wir müssen," sagt er, "untersuchen, ob dem so ist (ob nicht die Geometer sich vielleicht nur fälschlich einbilden, daß ihre Demonstrationen nothwendig Axiomen und Postulate voraussetzen? Und fürwahr! sie irren sich, denn der ganze Vortheil, den die Axiomen des Euklides gewähren, ist nach Hn. E. bloß die Abkürzung des geometrischen Ganges, und nicht die größere Gewißheit. Indessen kann Hr. E. es doch nicht für ein übertriebenes Ansinnen halten, wenn Rec. ihn bittet, ohne Beyhülfe des Axioms: zwey gerade Linien schließen keinen Raum ein, nur den leichten Satz zu demonstriren, daß eine geradlinichte Figur von drey Seiten auch drey Winkel habe. Kann er dieses, so tritt Rec. sogleich auf seine Seite;) "und wenn es so ist," fährt Hr. E. fort, "so müssen wir untersuchen, ob es nicht eine Eigenthümlichkeit der Mathematik (das ist es allerdings), ja ob es eine Eigenthümlichkeit ist, die man als einen Vorzug anzusehen hat." Zu diesem Behuf macht er erst die ganz unnütze Eintheilung der Axiome in die unmittelbaren oder ursprünglichen, und in die mittelbaren oder abgeleiteten. Die ursprünglichen sind schon unmittelbar in der Definition enthalten, und daher bloß identische Sätze. (Von diesen ist also hier gar nicht die Rede, und sie verdienen auch eigentlich den Namen der Axiome nicht, sondern sie heißen gewöhnlich immediatae consequentiae.) Die abgeleiteten sind die, die sich nicht aus der Definition des Begriffs, und folglich auch nicht aus den ursprünglichen Axiomen, herleiten lassen. (Diese verdienen allein den Namen der Axiome.) Daraus aber folge nicht, daß sie nicht in der bloßen Definition des Begriffes, ohne daß der Verstand erst aus diesem durch Anschauung herausgehen dürfte (S. 156.) gegründet seyn müßten, obgleich die endliche Vernunft ihre Verbindung nicht einzusehen vermag. Denn der Grund ihrer Wahrheit liege nicht in den Merkmalen der geometrischen Begriffe, sofern sie bildlich sind, d. i. nicht in ihrem Subjectiven, sondern in dem Mannichfaltigen, das dem Bildlichen zum Grunde liegt, d. i. in ihrem Objectiven (S. 185.), folglich in den unbildlichen Merkmalen des Bildes; (d. i. nach E.'s Sprache in den übersinnlichen Merkmalen des Sinnlichen.) Wäre es nun dem Verstande möglich, dieses Bild in seine unbildliche Merkmale zu zergliedern, d. i. in dem sinnlichen Mannichfaltigen des geometrischen Begriffs das übersinnliche Mannichfaltige, das ihm zum Grunde liegt, deutlich von einander zu unterscheiden (S. 157.) und also daraus eine Definition zusammenzusetzen, so würde der Verstand die deutliche und vernünftige Gewißheit des Axioms in der Definition des Subjects finden (S. 158). Da dieses aber unserm Verstande unmöglich ist, so ist für uns keine vernünftige, sondern nur eine sinnliche apodiktische Gewißheit der geometrischen Axiome möglich, die bloß aus der Wahrnehmung entsteht, daß ein Bild der Sinne oder der Einbildungskraft nur so und nicht anders kann vorgestellt werden. Die Gewißheit der Metaphysik hingegen ist eine vernünftige apodiktische Gewißheit. — — Allein 1) fragt es sich, woher wohl Hr. E. alles dies so positiv wissen mag, da er jetzt doch selbst gesteht, daß unser Verstand davon nichts einsehen kann, und das Bildliche des Raums aus dem Unbildlichen, d. i. aus seinen objectiven Gründen verständlich zu machen gar nicht im Stande ist. 2) Kommt Hr. E. hier wieder mit sich selbst in Streit; denn da er behauptet, daß ein nicht eingeschränkter Verstand das Bild des Raums in seine unbildliche Merkmale zergliedern, d. i. diese in jenem bloß durch deutliche Unterscheidung des Mannichfaltigen in ihm auffinden könne, ja, da er S. 157. ausdrücklich hinzusetzt, daß das was vorher bildlich war, bloß durch diese Deutlichkeit oder Unterscheidung seiner Merkmale seine bildliche Gestalt verlieren, mithin unbildlich oder übersinnlich werden könne; so setzt er das Unbildliche, das bloß an den objectiven Gründen, d. i. an den einfachen Substanzen oder Elementen, der Körper haftet, mit diesen offenbar in den geometrischen Raum, und macht also einestheils diesen zu einem Continuum, das aus einfachen Theilen besteht, anderntheils aber erklärt er die sinnlichen Vorstellungen für nichts weiter als verworrene, die sich durch bloße logische Unterscheidung in übersinnliche verwandeln lassen, da doch Hr. E. sonst keine von diesen beiden Behauptungen an sich kommen lassen will. 3) Wissen wir doch nun, was es mit der so hoch gepriesenen apodiktischen Gewißheit der Geometrie für eine Bewandtnis hat. Sie beruht lediglich auf Wahrnehmung, das heißt kurz: sie ist ein Widerspruch, ein Unding! Das Verfahren der Geometer, ihre Axiome und Postulate ohne Beweis als gewiß anzunehmen, bedarf daher auch (S. 156.) sehr einer Rechtfertigung, und zwar einer Rechtfertigung, die nicht leicht ist, die unter tausend Geometern wohl schwerlich von einem einzigen verstanden werden möchte, und gleichwohl im Grunde jenes Verfahren nicht im mindesten rechtfertigt. Mehr kann Kant von Hn. E. nicht verlangen. Denn wenn der Dogmatismus, um mit sich selbst eins zu werden, sich in dem Gedränge sieht, daß er zu seiner Rettung die apodiktische Gewißheit der Geometer wegphilosophiren muß, dann singt er sich selbst ein Grablied. Molliter ossa cubent!

Was Hr. E. noch über die apodiktische Gewißheit der Arithmetik und Analysis erinnert, geht hauptsächlich dahin aus, daß die reine Anschauung der Zeit nicht in dem Begriffe der Zahl selbst als ihrem Objecte, sondern nur in den Schranken unserer Vorstellungskraft liege. Allein wenn das ist, so gestellt Hr. E. selbst, daß der Begriff, den wir von einer Zahl haben, bloß sinnlich ist, und daher wirklich die Anschauung der Zeit in sich fasset; denn nach seinem System sind die Schranken der Vorstellungskraft ja eben die Quelle der Sinnlichkeit, und so widerspricht er sich selbst, wie es denn auch ohnehin nicht anders seyn konnte, indem Einheiten zählen, ohne sie successiv zueinander zu addieren, ein offenbarer Widerspruch ist. Hr. E. meynt zwar, daß nur Kants Commentatoren die Anschauung der Zeit in die Arithmetik gebracht haben; denn er erinnere sich, sagt er, nicht, dieses ausdrücklich in einer seiner Schriften selbst gelesen zu haben. Allein die Sache steht sowohl in der ersten als zweyten Auflage der Kritik im Hauptstücke vom Schematismus der reinen Verstandesbegriffe deutlich und umständlich da; z. B. Aufl. 1. S. 142. 143. 145. 146, und eben diese Stellen zeigen zugleich klar, daß Kant durch das Beyspiel von den Fingern und Puncten, worüber Hr. E. zu spötteln scheint, imgleichen durch die charakteristische Construction nichts weiter als empirische Hülfsmittel verstehe, wodurch man sich die Darstellung der Zahlen in der reinen Anschauung der Zeit nur zu erleichtern sucht.

Über den Aufsatz des Hn. M. Maaß kann Rec. sich nun kürzer lassen. In. diesem soll der vorhergehende Aufsatz des Hn. E. so gar durch die wesentlichen Lehren der Kantischen Kritik selbst überzeugend bestätigt werden, und in der That wagt sich Hr. M. hier an die wesentlichste Frage von allen, an die Frage: Wie sind synthetische Urteile a priori möglich? Zuerst greift er dabey die Kantische Eintheilung der Urtheile in analytische und synthetische, und die Definitionen von beiden an, weil letztere, seiner Meynung nach, nicht bestimmt genug seien. Nun sollte man doch denken, daß keine Logik in der Welt an der Eintheilung etwas auszusetzen finden konnte: "In jedem Urtheile liegt entweder das Prädicat schon im Begriffe des Subjects, oder nicht, d. i. das Prädicat läßt sich aus dem Begriffe des Subjects entweder durch den bloßen Satz des Widerspruchs herleiten, oder nicht, und es sind also, wenn man die erstere Art Urtheile analytische, und die andere synthetische nennt, alle Urtheile entweder analytische oder synthetische," weil diese Eintheilung sich unmittelbar auf den Satz des Widerspruchs gründet. Inzwischen findet Hr. M. Eintheilungen von der Art gar nicht bestimmt und also auch nicht befriedigend. Denn nach dieser Eintheilung, meint er, könne man von keinem gegebenen Urteil geradehin sagen: ob es analytisch oder synthetisch sey, weil ja der eine unter dem Begriffe des Subjects dieses, der andere jenes, der eine mehr, der andere weniger, denken kann. Dieses letztere ist nun allerdings wahr. Allein, wenn man über ein Urtheil urtheilen will, so muß man doch jedesmal vorher wissen, was sowohl unter dem Subject als Prädicat gedacht werden soll. Gesetzt nun, ich, finde bey einem Urtheile, welches zwey Philosophen mit einerley Worten ausdrücken, der eine verknüpfte mit dem Subjecte einen reichhaltigen Begriff, daß das Prädicat in diesem schon mit enthalten ist, der andere hingegen einen solchen, worinn das Prädicat nicht liegt; so werde ich ganz bestimmt sagen: das Urtheil des ersten ist analytisch und des ändern synthetisch, denn obgleich ihre Urtheile, da sie mit einerley Worten ausgedruckt sind, ein und eben dasselbe zu seyn scheinen, so sind sie in diesem Falle es doch in der That nicht, sondern zwey verschiedene Urtheile. Mag also immerhin jemand in den Begriff des Subjects so viele Merkmale legen, daß das Prädicat, welches er vom Subject beweisen will, sich aus dem Begriffe desselben durch den bloßen Satz des Widerspruchs herleiten läßt. Dieses Kunststück hilft ihm nichts. Denn die Kritik gibt ihm ein dergleichen analytisches Urtheil zwar ohne Bedenken zu, aber nun nimmt sie den Begriff des Subjects selbst in Anspruch, und sagt: Wie kommst du dazu, daß du in diesen so verschiedene Merkmale gelegt hast, daß er schon synthetische Sätze enthält? beweise also erst die objective Realität deines Begriffs, beweise nemlich zuerst, daß irgend eins von seinen Merkmalen in der That einem möglichen Gegenstande zukomme, und wenn du dieses dargethan hast, dann beweise nun ferner, daß demselben Dinge, welchem das eine Merkmal zukommt, auch die ändern zukommen, die nicht in jenem enthalten sind. Der ganze Streit, wie viel oder wie wenig der Begriff des Subjects enthalten soll, hat daher in die bloß metaphysische Frage: wie sind synthetische Urteile a priori möglich? nicht den geringsten Einfluß, sondern gehört bloß in die logische Lehre von den Definitionen, und diese fodert ohne Zweifel, daß man in die Definition nicht mehr Merkmale bringe, als zur Unterscheidung des definirten Dinges von allen übrigen nöthig sind, folglich alle diejenigen Merkmale ausschließe, von denen man schon Beweis fodern kann, wie und woher sie zu jenen mit gehören. Hiedurch fällt nicht nur alles, was Hr. M. wider die gedachte Eintheilung vorbringt, sondern auch der nichtige, von Kant selbst in seiner Streitschrift bereits in seiner Blöße dargestellte Versuch, der Frage der Kritik dadurch auszuweichen, daß er mit Hn. Eberhard in synthetischen Sätzen das Prädicat für ein Attribut ausgibt, mithin sein ganzer erster Abschnitt von S. 188—216. auf einmal von selbst hinweg. Die Kritik hat einmal eine Menge metaphysischer Sätze aufgestellt, die sie, die Worte in ihrem Sinne genommen, für synthetisch a priori ausgiebt, z. B. in jeder Erscheinung ist etwas Beharrliches; alles, was geschieht, hat eine Ursache; das absolut nothwendige Wesen ist weise und gütig u. s. w. Hr. Maaß nenne nun in diesen Sätzen das Prädicat ein Attribut, oder wie er sonst will. Das thut nichts zur Sache. Die Kritik fodert nur von ihm einen Beweis, daß in ihnen das Prädicat dem Subjecte nothwendig zugehöre.

Im zweyten Abschnitte sucht Hr. M. zuerst die mißverstandene transscendentale Gültigkeit des Satzes vom Widerspruch und zureichenden Grunde zu beweisen, deren wahren Sinn aber Rec. schon oben bestimmt hat, und hierauf bemüht er sich, zu zeigen, daß das Dritte, was die Verbindung des Prädicats mit dem Subjecte möglich macht, nicht Anschauung seyn dürfe, sondern auch ein dritter Begriff oder ein Gesetz des Verstandes seyn könne. Daß dieses nun aber durch kein solches Verstandesgesetz, unter welchem Hr. M. den Satz des zureichenden Grundes meynt, möglich sey, hat Rec. schon oben bewiesen. Soll es aber durch einen dritten Begriff möglich seyn; so kann dieses in einem Urtheile aus bloßen Begriffen nichts anderes, als der Mittelbegriff in einem Vernunftschlusse seyn, und da letzterer sich jedesmal bloß auf den Satz des Widerspruchs gründet, so wäre das Urtheil in diesem Falle nicht synthetisch. Will Hr. M. dieses leugnen, so liegt ihm ob, an irgend einem Satze durch die That zu zeigen, daß er sich durch einen dritten Begriff, der nicht ein Mittelbegriff in einem Vernunftschlusse ist, wirklich begründen lasse. Was Hr. M. nach S. 224—231 für sich aus der Kritik selbst anführt, zeigt durchgehends, wie sehr er letztere mißversteht. So sagt er gleich anfangs: in dem Satze, daß die Asymptote den Schenkel der Hyperbel niemals treffe, könne die Verbindung des Prädicats mit dem Subjecte unmöglich auf Anschauung beruhen, weil wir ja die unendlichen Schenkel und Asymptoten der Hyperbel nicht anschauen können.

Die philosophischen Aufsätze der beiden letzteren Stücke enthalten größtentheils Verteidigungen wider die Recension des dritten und vierten Stücks des ersten Bandes in der A. L. Z., und weitläuftige Wiederholungen dessen, was schon in den vorhergehenden Stücken vorkommt. Das Merkwürdigste, wodurch sich das vierte Stück auszeichnet; und worauf sich Rec. allein einschränkt, sind folgende drey Abhandlungen von Hn. Hofrat Kästner: I) Was heißt in Euklids Geometrie möglich? II) Über den mathematischen Begriff des Raums. III) Über die geometrischen Axiome.

Stücke von eines Kästners oder Klügels Hand können jeder Sammlung einen Werth geben, ohne daß sie eben die Absicht haben, das wahr zu machen, worinn andere in derselben geirrt hätten. Die eben erwähnten drey Abhandlungen des Hn. Hofr. Kästner gehen auf die Art, wie der Geometer den Foderungen, welche man an ihn wegen der Möglichkeit seines Objects, der Bestimmung desselben, und der unerweislichen Grundsätze über dasselbe ergehen lassen kann, ein Genüge thue, und schränken sich ganz auf die Mathematik ein, welches Hn. Eberhards Behauptung gar nicht günstig ist, weil eben der Contrast dieses Vermögens der Mathematik mit dem Unvermögen der Metaphysik, jene Foderungen auf irgend eine Art, jedoch mit derjenigen Gewißheit, welche man jeder angeblichen Vernunfterkenntniß ansinnen kann, zu erfüllen, die letztere in einem desto nachteiligem Lichte erblicken läßt.

S. 391*) wird ganz richtig gesagt: "Euklid nehme die Möglichkeit, eine gerade Linie zu ziehen, und einen Kreis zu beschreiben, an, ohne sie zu beweisen", das heißt wohl so viel, als: ohne diese Möglichkeit durch Schlüsse zu beweisen; denn die Beschreibung, welche a priori durch die Einbildungskraft nach einer Regel geschieht, und Construction heißt, ist selbst der Beweis von der Möglichkeit des Objects. Die mechanische Zeichnung (S. 393.), welche jene, als ihr Muster, voraussetzt, kommt hiebey gar nicht in Anschlag. Daß aber die Möglichkeit einer geraden Linie und eines Zirkels nicht mittelbar durch Schlüsse, sondern nur unmittelbar durch die Construction dieser Begriffe, die gar nicht empirisch ist, bewiesen werden kann, kommt daher, weil unter allen Constructionen, d. i. unter allen nach einer Regel bestimmten Darstellungen in der Anschauung a priori, einige doch die ersten seyn müssen, dergleichen das Ziehen oder Beschreiben (in Gedanken) einer geraden Linie und das Drehen einer solchen um einen festen Punct sind, wo weder die letztere von der erstem, noch diese von irgend einer ändern Construction des Begriffs einer Größe abgeleitet werden kann. Die Constructionen anderer Begriffe dieser Art im Raum sind in der Geometrie abgeleitet, und diese Ableitung nennt Hr. K. das Beweisen ihrer Möglichkeit. Wider diese Art, die Möglichkeit desjenigen, dessen Begriff construiren zu können man sich unmittelbar bewußt ist, anzunehmen, hat die Kritik d. r. V. auch nicht das mindeste zu sagen, vielmehr führt sie solche zum Beyspiel für die dogmatische Metaphysik an, um dergleichen auch für die ihr eigenen Begriffe zu thun, wobey sie zugleich anmerkt: daß, wenn keine Darstellung in der Anschauung (diese sey nun, wie es mit den Begriffen der Geometrie bewandt ist, a priori möglich, oder auch, wie mit denen der Physik, empirisch) zum Begriff hinzukäme, wir nicht einmal, daß so ein Ding, als man sich unter dem Begriff einer Größe denkt, oder welches dem Begriffe einer Ursache entspricht, möglich sey, durch die bloßen Begriffe ausmachen würden. Diese Bedenklichkeit und die darauf gegründete Foderung an die Metaphysik, allen ihren Begriffen die correspondirende Anschauung zu geben, (wozu schon genug ist. wenn man das, was in irgend einer Anschauung gegeben ist, nach einer Regel der Verknüpfung, die sich auch in der Anschauung darstellen läßt, verbindet,) ist daselbst von der größesten Wichtigkeit. Denn mit allem Respect für den Satz des Widerspruchs, und ohne ihm im mindesten zu nahe zu treten, kann die Metaphysik anfangs Begriffe a priori, die sich auch in der reinen Anschauung (wie in der Geometrie), nachher solche, die sich wenigstens in der Erfahrung (wie der Begriff der Ursache), fernerhin solche, die sich zwar in gar keinem erdenklichen Beyspiele, ohne sich zu widersprechen, aufstellen lassen, aber doch in mancher ändern, z. B. praktischen, Absicht sehr annehmungswürdig sind, einführen, zuletzt aber allen schwärmerischen Wahn und vorgebliche philosophische Einsicht von dem, wovon man in der That gar keine Einsicht hat, einschleichen lassen, weil von der Freyheit zu dichten alle Schranken weggenommen sind, sobald man den Vernünftler von der Verbindlichkeit frey spricht, seinen Begriffen von Dingen, von denen er theoretische Erkenntniß vorgiebt, die objective Realität durch Anschauung, (welche freylich kein Sehen, sondern Vorstellung des Einzelnen ist, so fern es nicht bloß gedacht, sondern für das Denken gegeben ist,) zu beweisen, und ohne diese Gewährleistung unter bloßen Gedankenwesen herumzuschwärmen.


*) Statt S. 391: S. 193. (Druckfehler).

Hier endet das dritte Stück der Besprechung, in der Nummer 283 vom 26. September 1790.


Sehr weislich, aber eben nicht zum Trost für Hn. Eberhard, sagt daher Kästner (S. 402.): "Ob außer der Geometrie die Möglichkeit einer Sache sich a priori so darthun ließe, daß man zeigt, es wäre in ihrem Begriffe kein Widerspruch, das lasse ich unentschieden." Sehr richtig und einleuchtend setzt er hinzu: "Wolf glaubte auf diese Art die Möglichkeit des vollkommensten Wesens bewiesen zu haben, Euklid würde von Wölfen verlangen: Ein vollkommenstes Wesen zu machen, nemlich in eben der Bedeutung, in welcher Euklid das Icosaëder macht, im Verstande." Das letztere kann nicht bedeuten, daß diese körperliche Gestalt im Verstande sey, sondern nur, daß einer Regel, die sich der Verstand denkt, gemäß jenem Begriffe eine correspondirende Anschauung a priori (in der Einbildungskraft) gegeben werde. So enthält der Begriff eines Decaëders keinen Widerspruch, aber der Mathematiker läßt darum, weil dieser Begriff möglich ist, noch nicht sein Object für möglich gelten, sondern verlangt, man solle es in der Anschauung darstellen, da es sich denn zeigt, daß dieser Begriff zwar nicht sich selbst, aber doch den Bedingungen der Construction eines regulären Körpers widerspreche. Die Federung an den Metaphysiker würde also diese seyn: er solle das, was er unter Realität, d. i. dem schlechthin positiven an Dingen versteht, durch irgend ein Beyspiel vorstellig machen. Da er dieses aber nur von Gegenständen der Erfahrung hernehmen kann, an denen alles, was man an ihnen real nennen kann, seiner wesentlichen Beschaffenheit nach von Bedingungen abhängig, eingeschränkt, und mit Negationen unzertrennlich verbunden ist, so, daß man diese von dem Begriffe der Realität nicht weglassen kann, ohne ihn selbst zugleich aufzuheben, mithin für den Begriff der reinen Realität, noch weniger aber für die Idee der Verbindung aller noch so heterogenen Realitäten in einem Wesen sich kein Beyspiel, d. i. keine correspondirende Anschauung finden läßt; so würde dies den Metaphysiker zwingen, zu gestehen, daß dafür, so wie für den Begriff eines übersinnlichen Wesens überhaupt, die Möglichkeit desselben, d. i. die objective Realität seines Begriffs, sich schlechterdings nicht beweisen lasse. Der Ausdruck des Hn. Kästner ist also, obgleich etwas auffallend, doch sinnreich und gut, und die Kritik kann ihn immer aufnehmen: daß, um die Möglichkeit eines Dinges zu beweisen, es damit nicht genug sey, in seinem Begriffe keinen Widerspruch zu finden, sondern man müsse den Gegenstand des Begriffs im Verstande machen können, entweder, wie in der Geometrie, durch reine Anschauung in der Construction des Begriffs, oder, wie in der Naturwissenschaft, aus dem Stoffe und nach den Regeln, die uns Erfahrung darbietet. Eben so wenig günstig für Hn. Eberhard ist das, was Hr. Kästner von der Raumesvorstellung des Geometers S. 403—406. vorträgt, da er S. 405. sagt: "Wie man diesen Begriff vom geometrischen Räume nennen will, ob bildlich, oder unbildlich, stelle ich dem frey, der die Bedeutung dieser Wörter bestimmt." Denn eben diese Ausdrücke sind es, um die sich die ganze Erörterung des Hr. Eberhard vom Raum hemmdreht, und es möchte ihm wohl ganz unmöglich fallen, ihre Bedeutung zu bestimmen. Wenn ferner Hr. Kästner sagt: Ihm, als Mathematiker, sey der Begriff vom Raum von sinnlichen Vorstellungen abstrahirt; so kann das auch für den Metaphysiker gelten, denn ohne Anwendung unsers sinnlichen Vorstellungsvermögens auf wirkliche Gegenstände der Sinne würde selbst das, was in diesem a priori enthalten sey, uns gar nicht bekannt werden. Das kann aber nicht so verstanden werden, als sey jene Raumesvorstellung durch die Sinnenvorstellung allererst entstanden und erzeugt worden, und als sey daher dieselbe ein empirischer allgemeiner Begriff, der die körperlichen Figuren als niedrigere Begriffe unter sich begreift. Denn dieses würde den Eigenschaften des Raums, die in geometrischen Sätzen (S. 406.) "nicht durch Ansehen, Abmessen und Abwägen, sondern a priori eingesehen und bewiesen werden", geradezu widerstreiten.

Was S. 407. 408. vorgetragen wird, betrifft bloß den mathematischen Streit über den Gebrauch des Begriffs vom Unendlichen in der Geometrie, und liegt daher außer dem Felde dieser Recension. S. 410—412 wird sehr richtig gezeigt, daß Theilung ins Unendliche nicht Zusammensetzung aus unendlich viel Theilen darthut, sondern widerlegt, und daß der unendliche Raum nie auf die Art zu Stande kommen würde, wenn man ihn aus endlichen Räumen zusammensetzen wollte. Da aber sowohl hieraus, als aus dem, was S. 409. 413. 418. 419. vorkommt, Hr. Eberhard und andere vielleicht schließen möchten, dieses habe zugleich eine Widerlegung der Unendlichkeit des Raumes, von der die Kritik sagt, daß sie dieser Vorstellung unzertrennlich anhänge, seyn sollen; so gehört es für die Recension eines Magazins, welches sich die Metaphysik zum Hauptgegenstande gemacht hat, den Unterschied des Gebrauchs des Begriffs vom Unendlichen in der Metaphysik und Geometrie kenntlich zu machen. Die Metaphysik muß zeigen, wie man die Vorstellung des Raumes haben, die Geometrie aber lehrt, wie man einen beschreiben, d. i. nicht durch Zeichnung, sondern in der Darstellung a priori darstellen könne. In jener wird der Raum, wie er, vor aller Bestimmung desselben, einem gewissen Begriffe vom Objecte gemäß, gegeben ist, betrachtet, in dieser wird einer gemacht. In jener ist er ursprünglich, und nur ein (einiger) Raum, in dieser ist er abgeleitet, und da giebt es (viel) Räume, von denen aber der Geometer einstimmig mit dem Metaphysiker, zu Folge der Grundvorstellung des Raums gestehen muß, daß sie nur als Theile des einzigen ursprünglichen Raums gedacht werden können. Nun kann man eine Größe, in Vergleichung mit welcher jede anzugebende gleichartige nur einem Theüe von ihr gleich ist, nicht anders als unendlich benennen. Also stellt sich der Geometer, so gut wie der Metaphysiker, den ursprünglichen Raum als unendlich vor, und zwar als unendlich gegeben. Denn das hat die Raumesvorstellung (und überdem noch die der Zeit) Eigenthümliches, desgleichen in gar keinem ändern Begriffe angetroffen wird, an sich, daß alle Räume nur als Theile eines einzigen möglich und denkbar sind, und daher die Vorstellung der Theile schon das Ganze voraussetzt. Wenn nun der Geometer sagt, daß eine gerade Linie, so weit man sie auch fortgezogen hat, immer noch weiter verlängert werden könne; so bedeutet das nicht, was in der Arithmetik von der Zahl gesagt wird, daß man sie durch Hinzusetzung anderer Einheiten oder Zahlen immer und ohne Ende vergrößern könne, denn die hinzugesetzten Zahlen und die durch sie ausgedrückten Größen sind schon für sich möglich, ohne daß sie mit dem vorigen als Theile zu einer Größe gehören dürfen, sondern eine gerade Linie kann ins Unendliche fortgezogen werden, heißt so viel: der Raum, in welchem ich die gerade Linie beschreibe, ist größer, als jeder Raum, in welchem ich eine beschreiben mag, und so gründet der Geometer die Möglichkeit seiner Aufgabe, einen Raum (deren es viele giebt) ins Unendliche zu vergrößern, ausdrücklich auf die ursprüngliche Vorstellung eines einigen unendlichen Raums, in welcher allein als einer einzelnen Vorstellung, ihm die Möglichkeit aller Räume, die ins Unendliche geht, gegeben ist. Er macht sich also Räume bloß dadurch, daß er die möglichen endlichen und unendlichen Theile des ihm gegebenen einigen unendlichen Raums entweder völlig, oder nur zum Theil begrenzt. Wie aber dieser einige unendliche Baum gegeben seyn, oder wie man ihn haben könne, diese Frage geht den Geometer nichts an, sondern betrifft bloß den Metaphysiker, und hier beweist eben die Kritik, daß er gar nicht etwas Objectives außer uns ist, sondern lediglich in der reinen Form der sinnlichen Vorstellungsart des Subjects als Anschauung a priori besteht. Hiemit stimmt auch ganz wohl zusammen, was Raphson, nach Hn. Kästners Anführung S. 418. sagt: daß der Mathematiker es jedesmal nur mit einem innnito potentiali zu thun habe, und actu infinitum (das Metaphysisch gegebene) non datur a parte rei, sed a parte cogitantis welche letztere Vorstellungsart aber darum nicht erdichtet und falsch ist, sondern vielmehr den ins Unendliche gehenden Constructionen der geometrischen Begriffe schlechterdings zum Grunde liegt, und die Metaphysik eben auf den subjectiven Grund der Möglichkeit des Raums, d.i. auf die Idealität desselben führt, womit aber, wie mit dem ganzen Streite über diese Lehre, der Mathematiker nichts zu thun hat, er müßte sich denn in den Zwist mit dem Metaphysiker einlassen wollen, wie die Schwierigkeit auszugleichen sey: daß der Raum und alles, was ihn erfüllt, ins Unendliche theilbar sey, und doch nicht aus unendlich viel Theilen bestehe. Wenn S. 414 bis 417 gesagt wird: "Die Schwierigkeit bey dem eilften Grundsatze des Euklids komme nicht auf unendlichen Raum an, sondern, daß man von der geraden Linie nur einen klaren Begriff hat, nicht einen deutlichen", so könnte Hr. Eberhard dieses leicht als eine Bestätigung ansehen, daß der Grund der apodiktischen Gewißheit der Geometrie nicht in der Anschauung a priori, sondern in der Deutlichkeit ihrer Begriffe, d. i. nach seiner Sprache im Übersinnlichen oder Intelligiblen liege. Allein die hier angeführten Sätze lehren gerade das Gegentheil und bestätigen zugleich offenbar, daß der Geometer den unendlichen Raum nicht entbehren könne. Denn wenn ein Paar gerade Linien beide in einer Ebene auf einer dritten senkrecht stehen, und man nimmt an: sie stoßen auf der einen Seite von dieser zusammen, so machen sie auf ihr ein Dreyeck, mithin eine endliche Fläche, aus deren bekannter Natur sich nun leicht demonstriren läßt, daß sie auf der ändern Seite ein jenem gleiches Dreyeck machen, also einen Raum einschließen, welches unmöglich ist. Ist aber die eine von diesen geraden Linien auf der dritten senkrecht, und die ändern nicht, und man nimmt an: sie stoßen nicht zusammen, so sind alle Theile der unendlichen Ebene zwischen ihnen unbegrenzt, also ist von selbst klar, daß die Unmöglichkeit dieser Annahme sich nicht darthun lassen kann, wofern nicht das Verhältniß dieser unbegrenzten Theile der Ebene in Ansehung der angenommenen Winkel bekannt ist, und dieses leitet dann auf eine Theorie der Parallellinien, welche nicht nur die wahre, sondern auch die einzig mögliche ist.

Auch da findet Rec. den Hn. Kästner mit der Kritik d. r. V. vollkommen einstimmig, wenn er S. 419. am Ende der zweyten Abhandlung von geometrischen Lehren sagt: "Nie schließt man da aus dem Bilde, sondern aus dem, was der Verstand bey dem Bilde denkt." Denn er versteht ohne Zweifel unter dem erstem die empirische Zeichnung, und unter dem zweyten die einem Begriffe, d. i. einer Regel des Verstandes gemäße reine Anschauung, nemlich die Construction desselben, welche keine empirische Darstellung des Begriffs ist. Wenn er aber das philosoph. Magaz. anführt, als ob er Hn. Eberhards Meynung vom Bildlichen, im Gegensatze mit dem Intelligiblen, hiedurch getroffen und bestätigt habe, so irrt er sich sehr. Denn dieser versteht unter dem Bildlichen nicht etwa eine Gestalt im Räume, wie es die Geometrie nehmen möchte, sondern den Raum selbst, (obzwar schwerlich zu begreifen ist, wis man sich von etwas außer sich ein Bild machen könne, ohne den Raum vorauszusetzen) und sein Intelligibles ist nicht etwa der Begriff von einem möglichen Gegenstande der Sinne, sondern von etwas, was der Verstand sich gar nicht im Räume, sondern als Grund desselben, woraus man ihn überhaupt erklären könne, vorstellen muß. Aber dieses Mißverstehen wird ein jeder leicht entschuldigen, der die Schwierigkeit gefühlt hat, mit diesem von Hn. Eberhard in so verschiedener Bedeutung gebrauchten Ausdrucke des Bildlichen einen mit sich selbst zusammenhängenden Begriff zu verbinden. Der Inhalt der dritten Abhandlung des Hr. Hofr. Kästner betrifft bloß den Mathematiker, und gehört daher nicht für diese Recension.

Was die übrigen Aufsätze des dritten und vierten Stücks dieses Magazins betrifft, so begnügt sich Rec., bloß dieses zu bemerken, daß Hr. Eberhard nunmehr von den Dingen an sich bereits folgende fünf Hauptprädicate (S. 434.) mit Gewißheit zu erkennen glaubt: nemlich, daß sie wirkliche, einfache Dinge, Substanzen, Ursachen sind, und Kräfte haben, und daß man also ihre gewisse Erkenntniß nicht durch ein gänzlich unbekanntes x, das für uns so viel als Nichts ist, sondern vorläufig schon wenigstens durch 5 + x∞ ausdrücken könne. Allein was es mit der Erkenntniß, welche uns diese vermeynten fünf Hauptprädicate von den Dingen an sich gewähren, für eine Bewandtniß hat, ist bereits in der Kantischen Schrift: über eine neue Entdeckung u. s. w. S. 45. 46. imgleichen S. 72—76. deutlich gezeigt worden, daher Rec. sich hierüber nicht weiter erklären darf.


Hier endet das vierte Stück der Besprechung, in der Nummer vom 27. September 1790.