Friedrich Bouterwek: Rezension von Kants Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen unter der Aufsicht der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften 18.02.1797. [vollständig abgedruckt in AA XX, 445-453]

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(Göttingsche Anzeigen 28. Stück, den 18ten Februar 1797.) Bey Nicolovius: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre. 285 S.

Der Zweck dieser Blätter, unter den Merkwürdigkeiten der gelehrten Welt vorzüglich diejenigen auszuzeichnen, wodurch die Wissenschaften an Umfange, Entdeckungen und neuen Aussichten gewinnen, macht es dem Rez. zur angenehmen Pflicht, ein Buch, wie das vor ihm liegende, mit der Vollständigkeit anzuzeigen, die zugleich dem Vorwurfe einer partheyischen Zerstückelung des Inhalts am besten widerspricht. Merkwürdig wäre dieses Buch, auch wenn sein Inhalt minder wichtig wäre, schon durch die Periode, in die es fällt. Die philosophischen und philosophirenden Denker, die unsre Bibliotheken seit einigen Jahren mit keiner kleinen Zahl von Compendien des Naturrechts nach Kantischen Ideen bereicherten, scheinen nun, was die Berichtigung der Principien betrifft, das Ihre gethan zu haben. — Doch ohne historische Einleitung, zu dem Buche selbst!

In der vorangeschickten Einleitung zur Metaphysik der Sitten werden zuerst noch ein Mal die Grundideen angegeben, die den Lesern der Kantischen Schriften schon bekannt sind. (Schwerlich möchte unter diesen die Definition des Begehrungsvermögens: "Das Begehrungsvermögen ist das Vermögen, durch seine Vorstellungen Ursache der Gegenstände dieser Vorstellungen zu seyn", die Probe halten; denn sie wird zu nichts, sobald man von äußern Bedingungen der Folge des Begehrens abstrahirt. Das Begehrungsvermögen ist aber auch dem Idealisten Etwas, obgleich diesem die Außenwelt Nichts ist.) Nach diesen Grundideen wird S. XXXI bestimt, was (juristisch) Recht ist. Der juristische Begriff des Rechtes bezieht sich nicht auf den Wunsch (das Motiv der Handlungen), sondern blos auf die Willkühr (die Beschränkung derselben überhaupt). Das Recht (S. XXXII) ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter welchen die Willkühr des Einen mit der Willkühr des Andern nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit bestehen kann. Daraus folgt das allgemeine Princip des Rechts: Eine jede Handlung ist recht, die oder nach deren Maximen die Freiheit der Willkühr eines Jeden mit Jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetze bestehen kann. (Nach Rez. Überzeugung ist es genau dieser Grundsatz, den die gemeine practische Vernunft immer stillschweigend angenommen hat; und gerade deswegen der Grundsatz, bey dem die Philosophie des Rechts wird stehen bleiben müssen. Es körnt nur darauf an, den Begriff der Freiheit durch den Begriff des moralisch Erlaubten gehörig zu bestimmen und die ganze Theorie der Naturrechtsprincipien kömmt ins Klare. Dann versteht es sich auch von selbst, daß ich der Idee der allgemeinen (nur durch das moralische Gesetz beschränkten) Freiheit gemäß nicht eine Person als Sache behandeln kann; denn das hieße, von der Idee der allgemeinern Freiheit ein Wesen ausschließen, das doch unter dieser Idee begriffen ist. Daraus ergiebt sich weiter die Nützlichkeit des längst von Hrn. Kant vorgeschlagenen Grundsatzes: "Behandele die Menschheit nicht als Mittel, sondern als Zweck an sich selbst", wenn der Unterschied zwischen Sachen und Personen festgesetzt werden soll. Daß aber Hr. Kant auf diesen Grundsatz nicht, wie es in den Naturrechtssystemen nach Kantischen Ideen geschehen ist, das Naturrecht in seinem ganzen Umfange gründen würde, hat Rez. fast zuversichtlich erwartet, und noch neuerlich in der Anzeige der neuen Ausgabe des Höpfnerischen Lehrbuchs sich darüber geäußert. Geht man nicht von der Idee der allgemeinen Freiheit aus, so ist nichts leichter, als Fälle anzugeben, wie ich einen Menschen als Mittel gebrauchen kann, ohne ihm im geringsten Unrecht zu thun, und wie ich ihn als Zweck behandeln, und doch gegen alles Recht beeinträchtigen kann. Überdem sind die Begriffe von Mittel und Zweck Producte der empirisch reflectirenden Urtheilskraft, also dem moralischen Gesetze ursprünglich gar nicht zugehörig.) Diese Maxime gilt aber (S. XXXIV) blos für äußere Handlungen, und man kann sie näher bestimmt auch ausdrücken: "Handle äußerlich so" u. s. w. (zu wünschen wäre nur, daß Hr. Kant die Idee der Freiheit in Beziehung auf äußere Gerechtigkeit genauer erörtert hätte.) Das Recht ist mit der Befugniß, zu zwingen, verbunden. S. XXXV. Denn Zwang ist nichts anders, als Verhinderung eines Hindernisses der Freiheit. (Wie sinnreich und wie treffend! Warum moralische Pflichten, als solche, nicht erzwungen werden können, erklärt sich von selbst. Denn der juristische Begriff des Rechts beschränkt nur die Freiheit des Andern, in so fern diese mit der Freiheit Aller nicht bestehen kann; aber er schreibt ihr kein Gesetz vor, wodurch der Andere Etwas zu thun verbunden wäre, außer, wenn er selbst mich durch den unerzwungenen Vertrag in gewisser Beziehung zum Herrn seiner Freiheit gemacht hat.) Das stricte Recht (dem nichts Ethisches beigemischt ist) kann also auch als die Möglichkeit eines mit Jedermanns Freiheit nach allgemeinen Gesetzen zusammenstimmenden, durchgängig wechselseitigen, Zwanges vorgestellt werden. — Nur zwey Fälle (S. XXXVIII) giebt es, die auf Rechtsentscheidung Anspruch machen, für die aber keiner, der sie entscheide, aufgefunden werden kann. Sie begründen das zweideutige Recht (Jus aequivocum). Dahin gehört zuerst der Fall der Billigkeit. Wer etwas aus Gründen der Billigkeit fordert, z. B. weil er in einer auf gleiche Vortheile eingegangnen Mascopey mehr, als die Ändern, gethan hat, fußt sich nicht blos auf die moralische Verbindlichkeit des Ändern, sondern auf ein Recht, nur daß es ihm an den nöthigen Bedingungen mangelt, nach denen der Richter ein Urtheil fällen könnte. (Aber wie, wenn nun das Mitglied der Mascopey z. B. genau berechnen kann, wie viel es wenigstens an baarem Gelde zugesetzt hat?). Dahin gehört zweitens der Fall der Noth (nicht der Nothwehr), z. B. wenn ich im Schiffbruch einen, der sich nicht mit mir retten kann, wegstoße, um mich selbst zu retten. (Bedarf nicht diese ganz neue Ansicht zweier so oft bestrittener Fälle noch einer sehr genauen Prüfung?) — Nun folgt S. XLIII die Eintheilung der Rechtslehre. Es giebt nur Ein angebohrnes Recht, das Recht der Freiheit (Unabhängigkeit von eines Ändern nöthigender Willkühr.) Alle übrigen Rechte müssen erworben werden. — Alles Naturrecht ist Privatrecht, oder öffentliches Recht, S. LII. Das Gesellschaftsrecht macht keine besondere Classe aus. Das Privatrecht enthält die Gründe des Mein und Dein, das öffentliche oder bürgerliche Recht die Möglichkeit der Zusicherung desselben. — Von der Art, Etwas als das Seine zu haben. Rechtlich mein ist dasjenige, womit ich so verbunden bin, daß der Gebrauch, den ein Andrer, ohne meine Einwilligung, davon macht, mich lädiren würde. (Aber was heißt lädiren? Setzt der Begriff der juristischen Läsion nicht den Begriff des Mein und Dein voraus ?) S. 56. Die subjective Bedingung der Möglichkeit des Gebrauchs ist der Besitz. Der juristische Besitz ist intelligibel, nicht physisch. Nun ist es ein rechtliches Postulat der Vernunft, jeden äußern Gegenstand meiner Willkühr als das Meine haben zu können, und keine Sache als an sich herrenlos zu denken; denn brauchbare Gegenstände außer aller Möglichkeit des Gebrauchs zu setzen, widerspricht der practischen Vernunft. (Dieser wichtige Satz: es giebt a priori kein Adespoton, sondern ursprünglich gehört Allen Alles, ist auch nach des Rez. Überzeugung der Schlüssel zur Theorie des Eigenthumsrechtes. Von einer Communio primaeva ist hier nicht die Rede. Nicht vermöge besondrer Verabredung gehört Einem Etwas, sondern, weil nur dadurch, daß Einem Etwas gehört, das Recht Aller auf Alles geltend gemacht und so das Räthsel des Universaleigenthums practisch gelöset werden kann.) Im Besitz muß derjenige seyn, der Etwas als das Seine behaupten will. (Denn worauf wollte er sonst sein Privatrecht gegen das Universalrecht gründen?) Durch den Besitz (die intelligible Detention cum animo sibi habendi) wird also (wenn Rez. Hrn. K. recht versteht) das Privateigenthum erworben. (Und was man gewöhnlich Besitzergreifung nennt, wären dann nur sinnliche Zeichen der intelligiblen Besitzergreifung. Auch diese Ideen werfen ein ganz neues Licht auf eine der schwierigsten Fragen des Naturrechts.) Man sollte deswegen, nach S. 62, nie sagen: ein Recht auf diesen oder jenen Gegenstand haben, sondern: ihn blos rechtlich besitzen. Diese blos rechtliche Besitzergreifung muß aber, wenn sie von einem Ändern anerkannt werden soll, sinnlich (durch einen physischen Act) bewiesen werden; und weil dieser Beweis sich nie ganz genugthuend führen läßt, ist im Naturstande keine vollkommne Behauptung des Eigenthums möglich. Daraus folgt S. 73, daß ich a priori das Recht habe, Jeden, mit dem es über das Mein und Dein zur Sprache kommt, zur Eintretung in eine bürgerliche Verfassung zu nöthigen. Gleichwohl ist, S. 74, das provisorische Mein und Dein im Naturstande ein wirkliches Mein und Dein. — Nun folgt S. 79 u. f. die Eintheilung des Rechts in Sachenrecht, persönliches Recht und — noch ein Drittes? Unsere Juristen und Philosophen werden sich wundern, aber Hr. K. behauptet wirklich noch ein Drittes, nemlich ein persönlich dingliches Recht. Was das ist, oder seyn soll, wird Manchen noch mehr wundem, als die neue Idee an sich. Zuerst vom Sachenrechte. S. 80ff. Das Recht an (oder, wie es hier heißt, in) einer Sache ist ein Recht des Privatgebrauches einer Sache, in deren Gesamtbesitze ich mit Ändern bin. (Gesammtbesitze? Sollte es nicht heißen müssen: Auf welche das Gesamtrecht, aber ohne Besitz, Allen zusteht? Ist nicht, eben nach Hrn. Kants Ideen, der alleinige Besitz dasjenige, was der Privatgebrauch begründet?) Ohne einen solchen Gesamtbesitz voraus zu setzen, läßt sich nicht denken, wie ich, der ich doch nicht im Besitz der Sache bin, von einem Ändern lädirt werden könnte. (Der ich nicht im Besitz der Sache bin? So lange ich nicht im (intelligiblen) Besitze bin, findet auch keine Läsion Statt. Nicht vom Gesammtbesitze, der unmöglich Statt finden kann, sondern vom Universaleigenthum, das immer Statt findet, sollte wohl hier die Rede seyn. So erklärt sich Rez. auch die Erläuterungen, die Hr. Kant seiner Behauptung angehängt hat.) — Die erste Erwerbung einer Sache ist nothwendig die Erwerbung des Bodens. (Auch bey der Erklärung dieses unbezweifelbaren Satzes scheint Hr. K. Gesamtbesitz und Gesammteigenthum zu verwechseln.) Der Vernunfttitel der Erwerbung kann nur in der Idee eines a priori vereinigten Willens Aller liegen. Der Besitz des Bodens erstreckt sich so weit, als man ihn vertheidigen kann. Das Meer gehört dem Herrn der Küste, so weit von da die Kanonen reichen. Das offene Meer ist frey. (Aber wenn man nun vom Lande aus zu Schiffe steigt, und das offene Meer mit schwimmenden Festungen occupirt und mit Kanonen dominirt, wem gehört es dann?) Daß man eine bewegliche Sache auf dem Boden des Ändern haben kann, ist möglich, aber nur durch Vertrag. (Wie? Auch eine vorher von mir erworbene und auf den Boden des Ändern, etwa durch einen Sturm, geworfne Sache gehörte ohne vorher gegangenen Vertrag dem Andern?) — Vom persönlichen Rechte. S. 96ff. Es gründet sich auf intelligiblen Besitz der Willkühr eines Ändern in einer gewissen Beziehung. Dazu gehört Übertragung durch einen intelligiblen Act der Vereinigung des beiderseitigen Willens, d. h. durch einen Vertrag. Um die Möglichkeit eines Vertrags zu begreifen, muß ich von allen Zeitverhältnissen abstrahiren. Denn sonst könnte ich in eben dem Moment, wo der Acceptant sich entschließt, meinen Entschluß zurücknehmen. (Rez. zählt diesen Gedanken zu den vorzüglichsten von Hrn. K. gefundenen Schätzen der practischen Wahrheit.) — Von dem auf persönliche Art dinglichen Rechte. S. 105. Dies ist denn das neue Phänomen am juristischen Himmel. Hr. Kant hat dabey die von ihm so genannte Kategorie der Wechselwirkung vor Augen gehabt. Hier finden wir ganz unerwartet das Eherecht, das elterliche Recht und das Hausrecht. (Verhältnisse des Hausherrn zu seinem Gesinde.) Der Mann erwirbt ein Weib, das Paar erwirbt Kinder, und die Familie, (die Kinder mitgerechnet?) erwirbt Gesinde. Dieses wohlerworbene Recht ist nicht blos ein persönliches Recht; denn — — — der Mann kann sein entlaufenes Weib, der Vater sein Kind, der Herr sein Gesinde als sein vindiciren. (Ist es möglich, daß ein Denker vom ersten Range den Zirkel dieser Argumentation nicht sieht? Wenn es wahr ist, daß der Mann seine Frau u. s. w. gewissermaßen vindiciren kann, dann ist das Verhältnis der Ehegatten zu einander u. s. w. gewis mehr als persönlich. Nun läugnen aber der größte Theil der juristischen Welt, und unter andern auch der Rez., die hypothetische Prämisse, folglich auch den Kantischen Schluß.) Bey Geschlechtsverbindungen ergibt sich ein Theil dem ändern zum Genuß der Sache. (Rez. sollte meynen, zur wechselseitigen Dienstleistung. Das moralische Selbst kann nie Sache werden und nie genossen werden. Körperliche Dienstleistungen aber, gleichviel von welcher Art sie sind, gehören zum persönlichen Rechte.) Monogamie allein ist rechtmäßige Ehe, weil — keiner den Andern als Sache besitzen kann, als in so fern er sich ihm selbst als Sache ergiebt. (Aber wie, wenn nun keiner von beiden Theilen mehr als persönliche Dienstleistung in Anspruch nimmt? Wenn ein Lastträger mir erlaubt, auf seine Schultern zu treten, damit ich über eine Mauer (die Mauer des Bedürfnisses) steigen kann, ist der Lastträger dadurch zur Sache geworden?) Ehe zur linken Hand oder Concubinat ist deswegen auch nach dem Naturrechte keine wahre Ehe. (Freilich nach Kantischen Ideen nicht.) Deswegen ist auch die Ehe vor der ehelichen Beiwohnung nicht für geschlossen anzusehen. Deswegen annulirt auch von Naturrechtswegen Impotenz vor der Ehe den Ehevertrag; aber nicht Impotenz, die nach der ehelichen Beiwohnung erfolgt. (Also gerade, wie es das ehrwürdige Jus canonicum will.) Wir übergehen, um nicht zu weitläuftig zu werden, die Art, wie aus eben dieser Theorie nun auch das elterliche und Hausherrnrecht, wenigstens sinnreich genug, entwickelt wird. — Auf festerm Grunde möchte wohl die S. 118ff. folgende Eintheilung der Vertragsarten ruhen. Alle Verträge, so weit sie sich nach reinen Vernunftprincipien übersehen lassen, sind entweder wohlthätige Verträge, wie Schenkung, Verleihung, Depositum; oder belästigte Verträge, wie Tausch, Kauf, Anleihe u. s. w., und Sicherungsverträge, wie Pfandvertrag, Bürgschaft, und Geißelschaft. (Die Anleihe (das Mutuum) ohne Zinsen wäre also ein belästigter Vertrag, da es die Verleihung (das Commodatum) nicht ist? Hat man denn das unentgeltlich geborgte Geld nicht civiliter auch gebraucht?) — In zwey episodischen Zugaben werden die Fragen: was ist Geld? und was ist ein Buch? genauer beantwortet, und der Büchernachdruck durch ein neues Argument für rechtswidrig erklärt. — Hier ist ungefähr die Grenze, bis zu welcher Rez. dem Hrn. Verfasser mit der Überzeugung gefolgt ist, daß die aufgestellten Wahr heiten die eingemischten Behauptungen von zweideutiger Art weit überwiegen. Aber von S. 129 an, fast durchgängig bis zu Ende des Buchs, folgt Paradoxon auf Paradoxon. Auch nach dem Naturrecht soll Kauf Miethe brechen. Denn sonst hätte durch eine Belästigung, die auf der Sache liegt, der Miether sich ein Jus in re erworben. (Hat er denn das nicht wirklich gethan? Ist denn das Recht des Gebrauchs nicht auch ein Jus in re?) — Das Recht der Ersitzung (Usucapion) soll nach S. 131 ff. durch das Naturrecht begründet werden. Denn nähme man nicht an, daß durch den ehrlichen Besitz eine ideale Erwerbung, wie sie hier genannt wird, begründet werde, so wäre gar keine Erwerbung peremtorisch geliefert. (Aber Hr. K. nimt ja selbst im Naturstande nur eine provisorische Erwerbung an und dringt deswegen auf die juristische Notwendigkeit der bürgerlichen Verfassung. Was die römischen Juristen wollten, ut dominia rerum sint certa, das will auch das Naturrecht; aber daraus folgt kein natürliches Usucapionsrecht. Ich behaupte mich als ein ehrlicher Besitzer; aber nur gegen den, der nicht beweisen kann, daß er eher, als ich, ehrlicher Besitzer derselben Sache war und mit seinem Willen nie zu seyn aufgehört hat.) — Als ideale Erwerbung soll auch das testamentarische Erbrecht a priori begründet werden. Freilich, sagt Hr. K., kann durch einseitigen Willen nichts auf den Andern übergehen, und so lange der Testirer lebt, kann der eingesetzte Erbe nicht erwerben; aber dieser erwirbt doch stillschweigend ein Recht an der Verlassenschaft, weil jeder Mensch notwendigerweise Alles acceptirt, wobey er nichts verlieren kann. (Und wo wäre das Ding, bey dessen Erwerbung ich nicht möglicherweise einen andern Vortheil, an dem mir mehr gelegen ist, z.B. Verdrießlichkeiten auszuweisen, verlieren könnte?) — Endlich nimmt Hr. K. noch ein idealisches Recht des ehrlichen Mannes auf einen ewig währenden guten Namen an, wodurch jeder Überlebende berechtigt wird, denjenigen zur Verantwortung zu fordern, der den guten Namen des Verstorbenen schmäht. — Sehr sinnreich ist die Unterscheidung eines doppelten Ausspruchs des Naturrechts; je nachdem man annimmt, daß schon eine Obrigkeit da ist, oder daß noch keine da ist. Aber werde ich deswegen im letzteren Falle nicht gezwungen werden können, einen Schenkungsvertrag zu halten, quia nemo suum jactare praesumifcur, wie S. 141 behauptet wird ? Werde ich nach S. 142 den Schaden tragen müssen, der ohne meine Schuld eine Sache trift, die ich geliehen habe? Werde ich nach S. 146 eine gestohlene Sache durch ehrlichen Kauf gegen den Eigenthümer wirklich erwerben? — So viel vom Privatrechte. Die unter der Rubrik öffentliches Recht folgenden Ideen des Hrn. Verfassers über das Staatsrecht, Völkerrecht und das von ihm sogenannte Weltbürgerrecht sind größtenteils schon aus seiner Abhandlung über Theorie und Praxis und aus der Schrift zum ewigen Frieden bekannt. Der Raum erlaubt dem Rez. nicht, sich darüber zu äußern. Doch hat unseres Wissens noch kein Philosoph — denn von den mitphilosophirenden Individuen, deren ganze Philosophie darauf hinausläuft, dem αυτοσ εφα eine für sie verständliche Formel zu geben, ist hier nicht die Rede — den paradoxesten aller paradoxen Kantischen Sätze anerkannt, den Satz, daß die blos Idee der Oberherrschaft mich nöthigen soll, Jedem, der sich zu meinem Herrn aufwirft, als meinem Herrn zu gehorchen, ohne zu fragen, wer ihm das Recht gegeben, mir zu befehlen. Daß man Oberherrschaft und Oberhaupt anerkennen, und man Diesen oder Jenen, dessen Daseyn nicht einmal a priori gegeben ist, a priori für seinen Herrn halten soll, das soll Einerley seyn? — Nur durch solche Behauptungen vorbereitet, wundert man sich nicht mehr, wenn man das natürliche Strafrecht, das hier erst im natürlichen Staatsrecht seine Stelle findet, S. 195ff. auf ein strenges Jus talionis zurückgeführt sieht. — Doch die ewige Warheit wird hier, wie in allen Dingen, nach und nach auch ihr Recht geltend machen; und sollte darum auch mancher Gedanke des Reformators der Philosophie nur als Gedanke sich im Andenken erhalten, so werden doch seine metaphysischen Anfangsgründe der Rechtslehre im Ganzen ein Gewinn für die Wissenschaft bleiben, den ihr kein subalterner Denker und kein Andrer, als der Alles durchdringende Prüfer des menschlichen Erkenntnißvermögens, verschaffen konnte.