Kant: AA XX, Erste Einleitung in die Kritik der ... , Seite 215

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 heißt die Handlung die Specification des Mannigfaltigen unter einem      
  02 gegebenen Begriffe, da von der obersten Gattung zu niedrigen (Untergattungen      
  03 oder Arten) und von Arten zu Unterarten fortgeschritten wird.      
  04 Man drückt sich richtiger aus, wenn man anstatt (wie im gemeinen Redegebrauch)      
  05 zu sagen, man müsse das Besondere, welches unter einem Allgemeinen      
  06 steht, specificiren, lieber sagt, man specificire den allgemeinen      
  07 Begrif, indem man das Mannigfaltige unter ihm anführt.      
  08 Denn die Gattung ist (logisch betrachtet) gleichsam die Materie, oder das      
  09 rohe Substrat, welches die Natur durch mehrere Bestimmung zu besondern      
  10 Arten und Unterarten verarbeitet, und so kann man sagen, die Natur      
  11 specificire sich selbst nach einem gewissen Princip (oder der Idee eines      
  12 Systems), nach der Analogie des Gebrauchs dieses Worts bey den Rechtslehrern,      
  13 wenn sie von der Specification gewisser rohen Materien reden.      
           
  14 Nun ist klar, daß die reflectirende Urtheilskraft es ihrer Natur nach      
  15 nicht unternehmen könne, die ganze Natur nach ihren empirischen Verschiedenheiten      
  16 zu classificiren, wenn sie nicht voraussetzt, die Natur      
  17 specificire selbst ihre transscendentale Gesetze nach irgend einem Princip.      
  18 Dieses Princip kann nun kein anderes, als das der Angemessenheit zum      
  19 Vermögen der Urtheilskraft selbst seyn, in der unermeßlichen Mannigfaltigkeit      
  20 der Dinge nach möglichen empirischen Gesetzen genugsame      
  21 Verwandtschaft derselben anzutreffen, um sie unter empirische Begriffe      
  22 (Classen) und diese unter allgemeinere Gesetze (höhere Gattungen) zu      
  23 bringen und so zu einem empirischen System der Natur gelangen zu      
  24 können. — So wie nun eine solche Classifikation keine gemeine Erfahrungserkenntniß,      
  25 sondern eine künstliche ist, so wird die Natur, so fern sie so      
  26 gedacht wird, daß sie sich nach einem solchen Princip specificire, auch als      
  27 Kunst angesehen, und die Urtheilskraft führt also notwendig a priori      
  28 ein Princip der Technik der Natur bey sich, welche von der Nomothetik      
  29 derselben nach transcendentalen Verstandesgesetzen darinn unterschieden      
  30 ist, daß diese ihr Princip als Gesetz, jene aber nur als nothwendige      
  31 Voraussetzung geltend machen kann**.      
           
           
           
  32 * Auch die aristotelische Schule nannte die Gattung Materie, den specifischen      
  33 Unterschied aber die Form.      
           
           
  34 ** Konnte wohl Linnäus hoffen ein System der Natur zu entwerfen, wenn (Fortsetzung der Fußnote auf Seite 216)      
           
    08 die Materie, oder g.Z. (Kant).      
    09 welches v.a. welche      
    12 Komma fehlt.      
    29 darinn g.Z. (Kant), erst: noch      
    30-31 Kein Komma vor: jene      
    30 daß — kan (statt: kann) g.Z. (Kant). Punkt am Schluß fehlt. Keine Sterne. Die durch: NB gekennzeichnete zweite Anmerkung ist s.Z. am linken Rande der vorigen Seite, linke Ecke unten. (Kant).      
    32-33 Die Sternanmerkung Zusatz von Kant.      
           
           
     

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