Kant: AA XVIII, Metaphysik Zweiter Theil , Seite 291

     
           
 

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  01 weil sie sich eben darinn von der Mathematik, die, eben so (g wohl )      
  02 wie jene, eine Vernunfterkentnis ist, unterscheidet, daß sie blos aus Begriffen,      
  03 diese aber nicht anders als durch Construction der Begriffe      
  04 urtheilt.      
           
  05 Philosophie ist also wohl der apodictischen Gewisheit fähig, aber      
  06 nicht der intuitiven son Vermittelst der Anschauung a priori, wie die      
  07 Mathematik eine solche verschaffen kan, sondern nur der discursiven aus      
  08 Begriffen. Daher enthält jene zwar Principien, diese allein Axiomen,      
  09 jene Beweise (probationes), diese allein Demonstrationen; jene liefert      
  10 Verschaft Überzeugung, diese zugleich Augenscheinlichkeit (evidentiam).      
           
  11 Zusatz am Rand: (g Critik. Kunst, Meynen vom Wissen zu unterscheiden. )      
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  13 Alle Erkentnis, wenn sie auch nicht einmal Vernunfterkentnis, sondern nur      
  14 historische wäre, bedarf doch gewisser Principien, welche die Criterien der Warheit      
  15 in sich fassen. So giebt es gewisse Principien, nach welchen man die Warscheinlichkeit      
  16 einer Geschichte beurtheilt, nicht blos solche, die aus der Natur der erzählten      
  17 Dinge fließen und also aus der Vernunft genommen werden, sondern      
  18 auch die, so die Art, wie Erfahrung alter Zeit (g mit Zuverläßigkeit ) auf uns      
  19 gebracht werden könne, bestimmen.      
           
  20 Der Vernunftgewisheit kan man die historische Gewisheit entgegenstellen      
  21 zur Seite stellen, worunter man die empirische Gewisheit versteht,      
  22 die nicht auf unserer eigenen Erfahrung (mithin auf Nachrichten von      
  23 anderer ihrer Erfahrung) beruht. Eben so findet auch ein Vernunftglaube      
  24 statt, der dem historischen Glauben analogisch ist, ob er zwar auf      
  25 anderen Gründen beruht. In der Gewisheit (g von ) beyderley Art wird      
  26 obiective Unveranderlichkeit des Urtheils gedacht, im zweyten Glauben      
  27 beyderley Art nur subiective Unveranderlichkeit. Daß es in die Planeten      
  28 vernünftige Bewohner enthalten, kan nach der Vernunft geglaubt werden;      
  29 denn so viel Beweisgründe davon, als man vernünftiger Weise nach unserer      
  30 Entfernung von ihnen nur erwarten kann, machen geben eine (g so )      
  31 große Analogie zwischen ihnen und der Erde, als zu dieser Folgerung      
  32 nöthig ist, an die Hand, und man ist überdem gewiß, daß niemand etwas      
  33 mehr von ihnen jemals wissen wird, um das Gegentheil zu beweisen.      
           
  34 Der Vernunftglaube heißt moralische Gewisheit, wenn er nach zur      
     

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