Kant: AA XI, Briefwechsel 1794 , Seite 498

     
           
 

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  01 nicht so verkannt zu haben, wie der Stifter einer gewissen Schule, der      
  02 durch seine Bemühungen etwas neues zu sagen, die critische Philosophie,      
  03 zu meinem Leidwesen, so vielen Einwürfen aussetzt, die doch      
  04 nicht ihr, sondern dem Dolmetscher derselben zur Last fallen.      
           
  05 Möchte doch die Vorsehung es gut finden Ihnen, verehrungswürdigster      
  06 Herr Professor, Gesundheit und Kräfte zu verleihen, zur      
  07 Herausgabe der Schriften die Ihre Verehrer so begierig erwarten. Da      
  08 ich mir mit der Hoffnung schmeichele, mit einer Antwort von Ew      
  09 Wohlgeboren beehrt zu werden, so bin ich so frei Sie um einiges zu      
  10 befragen. Allen Verehrern der Critik, die ich noch gesprochen habe      
  11 und mir selbst, liegt die Beantwortung der Frage auf dem Herzen;      
  12 wie deducirt man die Vollständigkeit der Tafel der Urtheile, auf der      
  13 die Vollständigkeit der Tafel der Kategorien beruhet? - - ich habe      
  14 nie Ihre Schrift über die Figuren der Syllogismen bekommen können,      
  15 und doch möchte ich gern wissen, wie Sie Lamberts Vorstellung von      
  16 der Realität der drei übrigen Figuren, im Organon, entkräften und      
  17 die Unrichtigkeit derselben beweisen, da Sie in einer Anmerkung zur      
  18 Critik sich dagegen erklären. - - In der Religion innerhalb den      
  19 Gräntzen, ist eine Anmerkung über die Unbrauchbarkeit der Auferstehung      
  20 Iesu zu Vernunftbegriffen, weil sie die Vernunft auf eine einzige Erklärungsart      
  21 der Art unsrer Fortdauer nach dem Tode einschränkt.      
  22 Aber ist nicht die Auferstehung Iesu bloß ein Symbol der sinnlichen      
  23 Fortdauer, die uns in unserm gegenwärtigen Zustande nur      
  24 unter dem Bilde einer materiellen Fortdauer vorgestellt werden kan?      
           
  25 Eine kleine Gesellschaft, die ich hier bloß zum Studium der critischen      
  26 Philosophie gestiftet habe, und aus dem Prediger Silberschlag,      
  27 Sohn des ehemaligen Oberkons. Raths, dem Prediger Fritze, dem      
  28 Rector Neide, einem Lehrer an Klosterfrau Namens Rolle, Sohn des      
  29 berühmten Musikdirektors, und einem jetzt in Halle als Hofmeister      
  30 lebenden Rolof besteht, versichern Ew Wohlgebornen nebst mir, ihre      
  31 innigste Verehrung. Diese Gesellschaft haben wir vor 2 1/2 Iahren      
  32 gestiftet. Sie hat den Nutzen bewirkt, daß das Studium der critischen      
  33 Philosophie sich hier sehr ausbreitet. Möchten wir nur bald eine      
  34 Transscendentalphilosophie, eine Metaphysik der Sitten, Anthropologie      
  35 und Moral von Ihnen bekommen. Mit Sehnsucht ergreifen wir immer den Meßcatalog.      
           
  36 ich rechne es zu dem größten Glück meines Lebens, und mit mir      
           
     

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