Kant: AA XI, Briefwechsel 1793 , Seite 445

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Ihnen citirten Stelle des Locke. Denn ob er gleich, meiner Meynung      
  02 nach, keine Einsicht in das Princip der synthetischen Erkenntnisse a      
  03 priori, verräth, so enthält doch diese Stelle wenigstens so viel, da      
  04 ein nachdenkender Leser wohl aufmerksam auf ihre Wichtigkeit dadurch      
  05 gemacht werden könnte, indem Krusius gradezu diese Synthesis als      
  06 die Grundlage der Realität unserer Begriffe andeutet.      
           
  07 Sie haben auch die Güte gehabt, mir ein Exemplar Ihrer Religion      
  08 in den Grenzen der Vernunft überschicken zu lassen. Ich danke      
  09 Ihnen ergebenst dafür. Ich muß aber leider noch einige Zeit verfließen      
  10 lassen, ehe ich sie so ganz eigentlich zu studiren werde unternehmen      
  11 können.      
           
  12 Leben Sie wohl, mein Theurer Lehrer. Ich wünsche daß die      
  13 Vorsehung Sie uns noch lange, und gesund, erhalten wolle, und bin      
  14 mit der reinsten Achtung      
           
  15   der Ihrige      
  16   Beck.      
           
  17 Daß Herr Rath Reinhold einen Ruff nach Kiel erhalten habe,      
  18 wird er vieleicht Ihnen schon geschrieben haben. Er soll ihn auch,      
  19 wie man sagt, angenommen haben.      
           
           
    586.      
  21 Von Friedrich Bouterwek.      
           
  22 25. Aug. 1793.      
           
  23 Verehrungswürdiger Mann,      
  24 Wen die Natur nicht zum Erfinder      
  25 in einer Wissenschaft bestimte, aber mit Verstand und Beharrlichkeit      
  26 genug ausrüstete, um Alles, was über die größte Menschenangelegenheit      
  27 von Erfindern gesagt worden ist, zu verstehen, und zu prüfen, der      
  28 ist eigentlich zum Apostel des Evangeliums, an welches er glaubt, berufen.      
  29 So dachte ich wenigstens, als ich, zum erstenmale in meinem      
  30 Leben, den Versuch wagte, eine scientifische Darlegung der Wahrheit      
  31 zu Stande zu bringen. Müde des Temporisirens, wozu ich mich anfangs      
  32 nur mit harter Mühe bequemt hatte, wolte ich ohne die Miene      
  33 der Belehrung, die mich noch nicht kleidet, freimüthig mich zu der      
  34 Lehre bekennen, die doch am Ende die einzige bleiben wird, zu der      
  35 sich ein freier und alle luftigen Wahrscheinlichkeitsformeln und Argumentationsträume      
           
     

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