Kant: AA XI, Briefwechsel 1792 , Seite 347

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 ich sonst den Faden, den ich verlassen hatte, nicht wohl wieder auffinden      
  02 kan. - Der Unterschied zwischen der Verbindung der Vorstellung      
  03 in einem Begrif und der in einem Urtheil z. B. der schwarze      
  04 Mensch und der Mensch ist schwarz, (mit andern Worten: der Mensch      
  05 der schwarz ist und der Mensch ist schwarz) liegt meiner Meynung      
  06 nach darinn, daß im ersteren ein Begrif als bestimmt im zweyten      
  07 die Handlung meines Bestimmens dieses Begrifs gedacht wird.      
  08 Daher haben Sie ganz recht zu sagen, daß in dem zusammengesetzten      
  09 Begrif die Einheit des Bewustseyns, als subjectiv gegeben,      
  10 in der Zusammensetzung der Begriffe aber die Einheit des Bewustseyns,      
  11 als objectiv gemacht, d. i. im ersteren der Mensch blos als      
  12 schwarz gedacht (problematisch vorgestellt) im zweyten als ein solcher      
  13 erkannt werden solle. Daher die Frage, ob ich sagen kan: der schwarze      
  14 Mensch (der schwarz ist zu einer Zeit) ist weis (d. i. er ist weiß, ausgebleicht,      
  15 zu einer anderen Zeit) ohne mir zu wiedersprechen? Ich      
  16 antworte Nein; weil ich in diesem Urtheile den Begrif des Schwarzen      
  17 in den Begrif des Nichtschwarzen mit herüber bringe, indem das      
  18 Subject durch den ersteren als bestimmt gedacht wird, mithin, da es      
  19 beydes zugleich seyn würde, sich unvermeidlich wiederspräche. Dagegen      
  20 werde ich von eben demselben Menschen sagen können er ist schwarz      
  21 und auch eben dieser Mensch ist nicht schwarz (nämlich zu einer      
  22 anderen Zeit, wenn er ausgebleicht ist), weil in beyden Urtheilen nur      
  23 die Handlung des Bestimmens, welches hier von Erfahrungsbedingungen      
  24 und der Zeit abhängt, angezeigt wird: In meiner Crit:      
  25 d. r. V. werden Sie da, wo vom Satz des Wiederspruchs geredet wird,      
  26 hievon auch etwas antreffen.      
           
  27 Was Sie von Ihrer Definition der Anschauung: sie sey eine durchgängig      
  28 bestimmte Vorstellung in Ansehung eines gegebenen Mannigfaltigen,      
  29 sagen, dagegen hätte ich nichts weiter zu erinnern, als: da      
  30 die durchgängige Bestimmung hier objectiv und nicht als im Subject      
  31 befindlich verstanden werden müsse (weil wir alle Bestimmungen des      
  32 Gegenstandes einer empirischen Anschauung unmöglich kennen können),      
  33 da dann die Definition doch nicht mehr sagen würde als: sie ist die      
  34 Vorstellung des Einzelnen gegebenen. Da uns nun kein Zusammengesetztes      
  35 als ein solches gegeben werden kan, sondern wir die Zusammensetzung      
  36 des Mannigfaltigen Gegebenen immer selbst machen      
  37 müssen, gleichwohl aber die Zusammensetzung als dem Objecte gemäs      
           
     

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