Kant: AA XI, Briefwechsel 1790 , Seite 220

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Eintritt in dieselben wurden wir sogleich mit hunderten von Menschen      
  02 umringt, die begierig waren, das Schicksal des schönen Nancy zu erfahren.      
  03 In Strasburg hielten wir uns einige Tage auf, ich besuchte      
  04 die dasige medicinische Anstalten und Lehrer fand aber nichts besonders      
  05 interessantes. Männer die sich mit dem Studium Ihrer Schriften      
  06 vorzüglich abgegeben hätten traf ich nicht an. Doch fand ich im Buchladen      
  07 bey Koenig Ihre neueste Schriften, die ich noch nicht gesehen      
  08 hatte, und obgleich ich nicht im Stande war sie zu lesen: so freute ich      
  09 mich doch sehr wieder etwas von Ihnen zu sehen. Die Recensionen      
  10 in der Ienaischen Lit. Z. über verschiedene Schriften Ihrer Freunde      
  11 und Gegner hatte ich schon in Paris mit vielem Antheil gelesen. Mein      
  12 Bruder hat mich benachrichtigt, daß Sie so gütig gewesen sind ein      
  13 Exemplar Ihrer Critik der Urtheilskraft mir zu schenken, wofür ich      
  14 Ihnen jetzt meinen verbindlichsten Dank abstatte. - Zwischen Strasburg      
  15 und Maynz habe ich mich nirgend länger als ein paar Stunden oder      
  16 höchstens wie z B in Manheim 1/2 Tag und eine Nacht aufgehalten,      
  17 daher ich keine Gelehrte habe besuchen können, von denen ich Ihnen      
  18 Nachricht ertheilen könnte. In Maynz blieb ich 2 1/2 Tag, die ich      
  19 gröstenteils in dem Hause des HE. HofR. Forsters durchlebt. Er ist      
  20 ein äusserst liebenswürdiger und gefälliger Mann. In seiner Bibliothek      
  21 fand ich wieder alle Ihre neuere und selbst einige von den frühern      
  22 Schriften, er aber bedauerte, daß seine übrige literärische Arbeiten      
  23 ihm nicht Zeit vergönnten Ihre Schriften nach dem wie sie verdienten      
  24 zu studiren. Er bat mich aufs inständigste Sie seiner unbegränzten      
  25 Hochachtung zu versichern, wie auch an Herrn Prof Kraus ihn zu      
  26 empfhelen, dessen persönlicher Bekanntschaft in Berlin er sich noch stets      
  27 mit Vergnügen erinnert. Er bedauerte auch, daß er in seinem Streit      
  28 mit Ihnen einen solchen Ton geführt habe. Erlauben Sie, daß ich      
  29 einige Zeilen aus seinem Briefe die er an mich schrieb, hier her setze:      
  30 "- Dem vortreflichen Kant bezeigen Sie meine Verehrung. Mein      
  31 Aufsaz gegen ihn hat einen Anstrich von polemisierender übler Laune,      
  32 die ich ihm bald nachdem ich ihn gedrukt sah, zu nehmen wünschte,      
  33 weil er weder zur Sache gehört, noch gegen einen Mann wie Kant      
  34 sich ziemte. Allein zu meiner Entschuldigung muß ich sagen, daß alles      
  35 was ich damahls in Wilna schrieb, diesen Anstrich hatte und ich bin      
  36 Materialist genug, um wenigstens diese Dinge, von körperlicher Indisposition      
  37 herzuleiten, die damals wirklich existirte - Herrn Prof      
           
     

[ Seite 219 ] [ Seite 221 ] [ Inhaltsverzeichnis ]