Kant: AA XI, Briefwechsel 1790 , Seite 199

     
           
 

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  01 entgegen gestellt. Diesen ist bonum morale (in se nichtswürdig) nur medium +und      
  02 Glükseligkeit, Finis . ihr großer Plan ist - die Bibel zu Nichts zu exegesiren.      
  03 Auch kan Strafe bey diesen nur medium seyn, poena medicatrix vel exemplaris .      
  04 sie erkennen keine rechtmäßige Vergeltung als Finis , außer wenn die Vergeltung      
  05 ein bonum physicum andringt. Nunquam reus punit ut puniat . Selbst Seiler      
  06 hat sich verführen lassen, zu behaupten, daß der Oberherr nur, so viel nötig ist, strafet      
  07 um Respect zu erwekken, um den Wohlstand vor vernünftigen Geistern aufrecht      
  08 zu erhalten, die eben die Ehrerbietung verlieren, so bald sie diese Absicht entdekken.      
  09 Geheimhaltung würde nötig seyn, um nicht sich selber zu destruiren, welche nichts      
  10 als eine sklavische eigennützige Furcht übrigließe. H. D. Hermes jetzt Prediger etc      
  11 in BresLau hat geschrieben: Die große Lehre vom Gewißen Leipzig 1769. Die      
  12 Lehre von der Rectitudo tamquam finis etiam ultimus wird wohl n[icht] gantz rein      
  13 auseinandergesetzt; das Werk ist aber doch achtenswürdig, so daß das Durchblättern      
  14 Ihnen nicht verdrießen würde. Es wundert mich daß Selbiges nicht mehr      
  15 Gerücht gemacht hat. Die Bücher welche die alte Lehre begünstigen, scheinen jezt      
  16 in Deutschland unterdrükt zu werden: die Confoederationen neumodischer Recensenten      
  17 Suprimiren dieselben.      
           
  18 So berühmt wie Sie jezt unter den metaphysischen Denken sind, so gemeinnützig,      
  19 könnten Sie, Mein Herr! für Ihre nichtphilosophische Mitchriften werden,      
  20 wenn Sie das Charakteristische des Christenthums vindiciren wollten. Sehr weit      
  21 würde der Einfluß sich ausbreiten. Es würde ein theures Geschenk zum Abschied      
  22 von dieser SinnenWelt seyn. Der Gedanke daran würde Ihre St[ärke] vermehren      
  23 und Ihnen Trost geben bey der Ankunft des interressanten Phänomens, quo novus      
  24 tibi nascetur ordo rerum und wovon ich [wünsche] daß es sich noch nicht in diesem      
  25 Iahrhundert ereigenen möge!      
           
  26 Verzeihen Sie es mir, höchstgeachter Herr! daß ich einmal in meinem Leben,      
  27 Ihnen dadurch lästig gefallen, daß ich Sie so lange aufgehalten und seyn Sie      
  28 versichert, daß ich mit tiefen Empfindungen wahrer Ehrerbietung verharre      
           
  29 Hochgelahrter Herr!      
           
  30   Ihr      
  31 Amsterdam sehr unterthäniger Diener      
  32 5 August 1790. A. Hulshoff      
  33   verte      
           
  34 Den 10t. Aug. so wie ich die Bücher einpakken sollte: fiel mir folgendes ein:      
  35 Berkeley, als er einst in tiefen Betrachtungen auf dem academischen Platze zu      
  36 Dublin einherging, stieß seinen Kopf gegen einen Pfeiler, hielt sogleich die Hand      
  37 gegen die Beule und sahe sehr peinlich aus. Worauf Iemand zu ihm sagte: "O!      
  38 Sir! it matters not " - dieses Equivoque ist unübersezlich. - Meine Einbindung      
  39 mahlte mir darauf den großen Philosophen von Koenigsberg, so wie er ruhig an      
  40 seiner Tafel saß und sich Holländische Heeringe gut schmekken ließ. Ich wünschte      
  41 mir Dieses als Erscheinung als Factum vorzustellen. Zeit und Raum dacht ich      
  42 sind nichts äußeres und mit Veränderungen in außergeistlichen Noumenen habe      
           
     

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