Kant: AA XI, Briefwechsel 1790 , Seite 155 |
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Text (Kant):
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| 01 | wenn sie vor dem moralischen Gesetze betrachtet wird (in der Critik | ||||||
| 02 | der reinen Vernunft), nur den transscendentalen Begrif der Caussalität | ||||||
| 03 | eines Weltwesens überhaupt bedeutet (ohne darunter besonders die | ||||||
| 04 | durch einen Willen anzeigen zu wollen), so fern sie durch keine Gründe | ||||||
| 05 | in der Sinnenwelt bestimmt wird und daß daselbst nur gezeigt wird, | ||||||
| 06 | daß sie keinen Wiederspruch enthalte. Nun wird durchs moralische | ||||||
| 07 | Gesetz jene transscendentale Idee realisirt und an dem Willen, | ||||||
| 08 | einer Eigenschaft des vernünftigen Wesens (des Menschen), gegeben, weil | ||||||
| 09 | das moralische Gesetz keine Bestimmungsgründe aus der Natur (dem | ||||||
| 10 | Inbegriffe der Gegenstände der Sinne) zuläßt und der Begriff der | ||||||
| 11 | Freyheit, als Caussalität, wird bejahend erkannt, welcher ohne einen | ||||||
| 12 | Cirkel zu begehen mit dem moralischen Bestimmungsgrunde reciprocabel | ||||||
| 13 | ist. Ich wünsche gute Besserung, rathe vor allen Dingen Zerstreuung | ||||||
| 14 | und Aufschub von Arbeiten an und beharre | ||||||
| 15 | Ihr treuer Freund und Diener | ||||||
| 16 | I. Kant. | ||||||
| 420. | |||||||
| 18 | Von Iohann Gottfried Carl Christian Kiesewetter. | ||||||
| 19 | Berlin den 20ten Aprill 1790. | ||||||
| 20 | Theuerster, bester Herr Professor, | ||||||
| 21 | Sie haben große Ursach mit mir sehr unzufrieden zu sein, da | ||||||
| 22 | ich so lange gezaudert habe, Ihnen Nachricht von mir und meiner Lage | ||||||
| 23 | zu ertheilen; aber ich bin zum voraus überzeugt, Sie werden mir mein | ||||||
| 24 | langes Stillschweigen vergeben, wenn Sie hören werden, daß Kränklichkeit | ||||||
| 25 | und gehäufte Geschäfte die Ursach davon sind. Ihr letzter Brief, | ||||||
| 26 | den ich durch HE. de la Garde erhalten habe, läßt mich vermuthen, | ||||||
| 27 | daß Sie den Brief, den ich Ihnen als Einlage durch ihn geschickt | ||||||
| 28 | habe, nicht erhalten haben. Herr la Garde aber versicherte mich, er | ||||||
| 29 | habe ihn abgeschickt und ihn in dem Aushängebogen I gelegt. | ||||||
| 30 | Meine Lage hat sich seit meinem letzten Briefe an Sie, gar sehr | ||||||
| 31 | geändert. Ich wohne jetzt in dem Hause des Ministers Grafen von | ||||||
| 32 | Schulenburg und bin der Gesellschafter seines 17jährigen Sohnes. Der | ||||||
| 33 | Minister ist ein vortreflicher Mann und sein Sohn überaus für mich | ||||||
| 34 | eingenommen und folgsam. Da der Minister mir diese Stelle antrug, | ||||||
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