Kant: AA XI, Briefwechsel 1790 , Seite 136

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 müssen, und ich habe 14 Tage hindurch an Krämpfen im Unterleibe      
  02 so gelitten, daß ich das Bette nicht verlaßen konnte, kaum hatten sie      
  03 im Unterleibe nachgelaßen, so stiegen sie nach der Brust und zogen      
  04 die Lunge so zusammen, daß mir das Reden äußerst beschwerlich wurde.      
  05 Das letzte Übel ist nun gehoben, aber die Krämpfe stellen sich doch      
  06 immer noch zuweilen ein, und ich muß zu meinem Ärger wie ein      
  07 altes Weib Asa foetida gebrauchen. Nun bestürmt man mich von      
  08 allen Seiten, daß ich weniger studiren soll, und ich muß wirklich etwas      
  09 nachgeben.      
           
  10 Was meine äußere Lage betrift, so ist diese um ein gut Theil      
  11 beßer, und ich habe alle Ursach zufrieden zu sein. Der Minister von      
  12 Schulenburg that mir gestern schriftlich den Antrag zu ihm ins Haus      
  13 zu ziehen und der Gesellschafter (nicht Hofmeister, denn dazu würde      
  14 ich mich nie verstehen) seines 17jährigen Sohnes zu werden; er sagt      
  15 mir in seinem Briefe, daß ich weiter keine Verpflichtung auf mich      
  16 nehmen sollte, als der Freund und Rathgeber seines Sohnes zu sein,      
  17 daß ich meine völlige Freiheit behalten uud Collegia lesen könnte,      
  18 wann und wieviel ich wollte. Er hat mich auf künftigen Sonntag zu      
  19 Tisch gebeten, wo wir uns über die anderweitigen Bedingungen unterreden      
  20 wollen; wie mir der Kanzler von Hoffmann vorläufig gesagt hat,      
  21 so wird er mir freie Station und 200 rthlr Gehalt anbieten. Ich      
  22 bin bis jetzt entschlossen das Anerbieten anzunehmen. - Ferner arbeitet      
  23 man jetzt stark daran, daß ich den Unterricht der beiden jüngsten      
  24 Prinzen des Königs in der Mathematik, und wenn es möglich ist,      
  25 des zweiten Sohns desselben (des Prinzen Louis) in der Philosophie      
  26 erhalten soll; der Kronprinz hat Engel zum Lehrer. Bis jetzt gehen      
  27 die Negociationen ganz gut. - Der Unterricht der Prinzessin Auguste      
  28 ist mir für das künftige Iahr nicht mehr zu nehmen. Sollte ich      
  29 reussiren, so sollen Sie, verehrungswürdiger Mann, es gewiß am ersten      
  30 wissen.      
           
  31 Sie werden sich vielleicht noch erinnern, daß ich Ihnen während      
  32 meines Aufenthalts in. Königsberg einmal sagte; ich fürchtete, man      
  33 würde in mich dringen, etwas drucken zu laßen, und was ich fürchtete,      
  34 ist wirklich geschehen. Da nun die erste Ausgabe meiner kleinen      
  35 Schrift über den ersten Grundsatz der Moralphilosophie vergriffen ist,      
  36 so habe ich mich entschlossen eine neue ganz umgearbeitete Auflage zu      
  37 besorgen, sie mit 3 Abhandlungen, über die Übereinstimmung Ihres      
           
     

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