Kant: AA XI, Briefwechsel 1789 , Seite 052

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Dingen (die nicht auf solche Weise bedingt sind für uns      
  02 leer und können zu gar keinem Erkentnisse dienen, sondern auch alle      
  03 der Sinne zu einer möglichen Erkentnis würden ohne sie niemals      
  04 Obiecte vorstellen, ja nicht einmal zu derjenigen Einheit des Bewustseyns      
  05 die zum Erkentnis meiner selbst (als obiect des inneren      
  06 erforderlich ist. Ich würde gar nicht einmal wissen können,      
  07 ich sie habe, folglich würden sie für mich, als erkennendes Wesen,      
  08 nichts seyn, wobey sie (wenn ich mich in Gedanken zum      
  09 mache) als Vorstellungen, die nach einem empirischen Gesetze      
  10 Association verbunden wären und so auch auf Gefühl und Begehrungsvermögen      
  11 haben würden, in mir, meines Daseyns      
  12 (gesetzt daß ich auch jeder einzelnen Vorstellung bewust wäre,      
  13 nicht der Beziehung derselben auf die Einheit der Vorstellung      
  14 Obiects, vermittelst der synthetischen Einheit ihrer Apperception,)      
  15 immer hin ihr Spiel regelmäßig treiben können, ohne daß ich dadurch      
  16 in mindesten etwas, auch nicht einmal diesen meinen Zustand, erkennete.      
  17 - Es ist mislich, den Gedanken, der einem tiefdenkenden      
  18 obgeschwebt haben mag und den er sich selbst nicht recht klar      
  19 konnte, zu errathen; gleichwohl überrede ich mich sehr, da      
  20 Leibnitz mit seiner Vorherbestimmten Harmonie (die er sehr allgemein      
  21 wie auch Baumgarten in seiner Cosmologie nach ihm) nicht      
  22 Harmonie zweyer Verschiedenen Wesen, nämlich Sinnen und Verstandeswesen,      
  23 zweyer Vermögen eben desselben Wesens, in      
  24 Sinnlichkeit und Verstand zu einem Erfahrungserkenntnisse      
  25 vor Augen gehabt habe, von deren Ursprung, wenn      
  26 wir ja darüber urtheilen wollten, obzwar eine solche Nachforschung      
  27 über die Grenze der menschlichen Vernunft hinaus liegt, wir      
  28 weiter keinen Grund, als den Gottlichen Urheber von uns selbst angeben      
  29 können, wenn wir gleich die Befugnis, vermittelst derselben      
  30 a priori zu urtheilen, (d. i. das qvid iuris ) da sie einmal gegeben      
  31 vollkommen erklären können.      
           
  32 muß ich mich begnügen uud kan wegen der Kürze meiner      
  33 Zeit nicht ins detail gehen. Nur bemerke ich, daß es eben nicht nöthig      
  34 mit Hrn. Maimon Verstandesideen anzunehmen. In dem Begriffe      
  35 einer Cirkellinie ist nichts weiter gedacht, als daß alle gerade      
  36 Linien von demselben zu einem einzigen Puncte (dem Mittelpunct)      
  37 einander gleich seyn: dies ist eine bloße logische Function der      
           
     

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