Kant: AA X, Briefwechsel 1784 , Seite 382

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 durch Überschikkung des Geldes belästige; es wird von nun an, diese      
  02 vors erste, ganz durch HE Brahl geschehen, bis ich drauf denken kann,      
  03 wo ich etwa einen ganz anßäßigen Mann in K. finde, der die Auszahlung      
  04 für den Ungenannten über sich nimt: Gegenwärtig hat mein      
  05 so sehr mitgenommener Kopf nicht die Kraft, hierauf zu sinnen; welches      
  06 aber in der Folge geschehen soll, um die Sache ganz in Ordnung zu      
  07 bringen. Mir thut es unendlich wehe, daß ich Ew. Wohlgeb. bisher      
  08 hiedurch habe belästigen müßen; ich bitte Dieselben dafür aufs innigste      
  09 um Vergebung, welches ich mich um desto mehr zu thun verbunden      
  10 fühle, da Ew. Wohlgeb. der Mann sind, der schon so viele Mühwaltungen      
  11 um meinetwillen unternommen, durch die er sich nicht nur mir,      
  12 sondern allen Menschen (:wenn seine That ihnen bekannt seyn sollte:),      
  13 die irgend Gefühl für Tugend haben, verherrlichen mußte. Halten      
  14 Sie mich nicht für fähig, daß ich, unter irgend einem Verhältniß des      
  15 Lebens, Dero gegen mich sich so sehr ausgezeichnete Denkungsart vergeßen      
  16 könnte: Undankbarkeit ist ein schändliches Laster. Das würde      
  17 der seeligste Augenblik meines Lebens seyn, in dem ich Ihnen zeigen      
  18 könnte - ganz zeigen könnte: welch ein hohes Gefühl ich von Ihrer      
  19 Tugend habe.      
           
  20 Da Ew. Wohlgeb. wißen, wie nahe mir der Ungenannte angeht,      
  21 so werden Sie es mir selbst als Pflicht auflegen, seine Vertheidigung      
  22 zu unternehmen: Denn derjenige verdient aller Verachtung, der gleichgültig      
  23 gegen seine Ehre und gegen seinen Ruf als rechtschaffener      
  24 Mann ist. Ich habe den Ungenannten nicht sowohl zu vertheidigen,      
  25 als vielmehr nur das rechte Licht über seine Handlungen zu verbreiten,      
  26 gesucht: erlauben Sie mir, daß ich hierin noch fortfahre. Laßen Sie      
  27 mich daher noch einige Anmerkungen über das Betragen des Ungenannten,      
  28 gegen die bewußte Person, machen: Ich glaube nicht, da      
  29 man ihm den Vorwurf machen können: daß seine Absicht gewesen, die      
  30 Person zu hintergehen, oder sich irgend eines unedlen Mittels gegen      
  31 sie zu bedienen. Doch um den Ungenannten in seinem Verfahren      
  32 ganz darzustellen, muß ich etwas weiter aushohlen: Ew. Wohlgeb.      
  33 haben freilig nicht Gelegenheit gehabt, die ganze Geschichte des Ungenannten      
  34 zu erfahren, und sein inneres Seelen=System ganz kennen      
  35 zu lernen (:welches beides nöthig seyn würde, um den Ungenannten      
  36 nach seinem wahren Charakter zu beurtheilen: einzelne abgerißene Züge,      
  37 können uns außer ihrem Zusammenhang oft ein moralisches Ungeheuer      
           
     

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