Kant: AA X, Briefwechsel 1783 , Seite 357

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 daurete bis in die letztern Tage des Iulius. Von da reiste ich      
  02 nach Potsdam, wo ich auch Freunde hatte, die, ob sie mich gleich noch      
  03 nicht gesehen, zu sich hingebethen hatten, und meiner erwarteten; von      
  04 Potsdam, wo ich gleichfals viel Liebe und Höflichkeit genoßen, ging      
  05 ich nach Magdeburg, wo ich bei dem Abt Resewitz die beste Aufnahme      
  06 fand. Erst im August kam ich also hier an: bald drauf zog ich mir      
  07 durch eine Erkältung, durch eine mit dem Direktor Gedike aus Berlin      
  08 gethane Reise nach dem Bloksberg, (:welches gleich nach meiner Ankunft      
  09 geschahe, indem derselbe fast zu gleicher Zeit mit mir hier ankam,      
  10 und ich ihm schon in Berlin versprochen, sein Begleiter auf den      
  11 Bloksberg zu seyn:) eine so heftige Kolik zu, die in eine Ruhr ausschlug,      
  12 daß ich daran über 14 Tage zu bringen mußte. Nun war      
  13 schon der Anfang des Septembers da, ohne daß ich bis dahin meiner      
  14 selbst mächtig gewesen war: izt aber erwartete eine dringende Arbeit      
  15 meiner, die mir jeden Tag jede Stunde wegnahm, und alle Gedanken      
  16 und Sinne ausfüllte. Bei meinem Auffenthalt in Berlin, fand ich      
  17 zu meinem Osiris und Sokrates einen Verleger, und der Akkord war      
  18 so: daß die Schrift noch diese Michaelis, nebst noch gewißen dazu      
  19 zu liefernden Zusäzzen, die ich nachschikken wollte, herauskommen sollte.      
  20 Ich mußte also diese Arbeit mit Macht und Eiffer anfangen zu treiben.      
  21 Wie ich dabei kam, so gerieth ich tiefer hinein, als ich gedacht, so,      
  22 daß diese Zusäzze vermuthlich auf 20 Bogen, gedrukt, steigen werden,      
  23 wie Sie dies werden selbst sehen können. Und so habe ich nun auf      
  24 6 Wochen lang Tag und Nacht ununterbrochen fortgearbeitet; wenn      
  25 ich einige Bogen fertig hatte, so schikte ich sie gleich nach Berlin in      
  26 die Drukkerei u.s.w.      
           
  27 Alle Tage dachte ich an Sie, mein großmütiger Wolthäter und      
  28 Freund, und diese Gedanken waren immer mit Angst und Unruhe      
  29 begleitet, daß ich noch nicht meine Pflicht erfüllt, und mein ganzes      
  30 Herz in Dank gegen Sie ausgeschüttet: jeden Tag wollte ich schreiben;      
  31 aber ich hatte noch so viele andre Briefe, die ich auch nach Preußen      
  32 ablaßen mußte, wegen der großen Weite, wollte ich sie alle auf einmahl      
  33 fortschikken: allein ich konnte gar nicht dahin kommen, mich so      
  34 viel von meiner Arbeit abzumüßigen, um zum Briefschreiben zu gelangen;      
  35 meine Ideen waren so ganz nur in einen Zirkel zusammengedrängt      
  36 - - Sehen Sie, edler, großmütiger Menschenfreund, durch      
  37 diese Ihnen hier beschriebenen Umstände, wurde ich so lange bis gegen      
           
     

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