Kant: AA X, Briefwechsel 1783 , Seite 312

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 zu berichtigen, und zu zeigen: (besonders auch aus der Geschichte :)      
  02 daß die Sazzungen und äußere Form der Religion nothwendig immer      
  03 verändert und den Zeiten und Umständen angemeßner gemacht werden      
  04 muß; über die Gesezgebung werde ich mich auch etwas ausbreiten, bei      
  05 der Geschichte von Rom und Griechenland, deren Ursachen des Verfalls      
  06 ich zu entwikkeln suche. Noch etwas: ich habe in der platonischen Philosophie,      
  07 die Philosophie und Theologie der alten Aegypter entdekt,      
  08 die in ihren höhern Mysterien gelehrt wurde: der Platonismuß in      
  09 Absicht der Ideen, da die Seele als Ausfluß aus dem λογος betrachtet      
  10 wird, die durch Entsagung des Körpers und der Sinnlichkeit wieder      
  11 mehr in ihren ersten Ur=Zustand der Vollkommenheit zurükversezt und      
  12 dadurch mit dem λογος vereinigt wird, dies ist die Geschichte des      
  13 Osiris, des Osiris rediuiuus ; nur finden freilig große Zusäzze vom      
  14 Plato und seine eigne Einkleidung hiebei statt; der Osiris der Aegypter      
  15 ist der λογος des Plato und der λογος der Xsten: Wie vieles kann ich      
  16 mir nicht beßer erklären nun im neuen Testament! das innere Licht,      
  17 der neue Mensch, der innere Christus, das wiedergeboren werden u.s.w.      
  18 alles dieses stammt aus den Aegyptischen Mysterien vom Osiris her;      
  19 die Ganze Geschichte vom Sündenfall im alten Testament, ist ein Fragment      
  20 aus der aegyptischen esoterischen Theologie, das Moses, der ein      
  21 verstoßener Aegyptischer Priester war, (: wie die Nachrichten des Manetho      
  22 aus dem Iosephus dies sehr warscheinlich machen :) unter die jüdische      
  23 Nation die er stiftete gebracht hat. Doch ich werde suchen, mich sehr      
  24 zu mäßigen damit ich nicht zu sehr anstoße durch mein freies Denken;      
  25 und eben drum sage ich, daß ich hie und da werde überschleiern müßen:      
  26 dies mußten die Weltweisen von je her thun, und eben daher entstanden      
  27 die Mysterien.      
           
  28 Das Vertrauen, daß ich zu Dero Weißheit und Rechtschaffenheit      
  29 habe, läßt mich noch in einer Sache offenherzig zu Ihnen reden: Sie      
  30 wißen, verehrungswürdiger Menschenfreund, wie nöthig zu meinem      
  31 Glük mir's ist, daß ich izt bei meinem Eintritt in die Welt auf eine      
  32 mir etwas vortheilhafte Art angekündigt werde, und zwar von Männern,      
  33 die ein Wort zu sagen haben: Sie haben So viel zu meinem Besten      
  34 gethan, dürften Sie daher auch wohl noch auf die gegenwärtige Bitte      
  35 von mir Rüksicht nehmen? Wie wäre es, wenn sie meine herausgekommene      
  36 Schrift über das Übel in einer Recension anzeigten, und      
  37 sie etwa in die deutsche Bibliotek oder ein andres Iournal das im      
           
     

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