Kant: AA X, Briefwechsel 1732 , Seite 287

     
           
 

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    180.      
  02 Von Iohann Heinrich Kant mit Nachschrift seiner Frau.      
           
  03 10. Sept. 1732.      
           
  04 Liebster Bruder!      
           
  05 Die meiner Frau übersandte Haus=Mutter machte ihr eine desto      
  06 frapantere Freude; da sie sich nun ganz fest einbildete, Du hättest ihre      
  07 dreyste Bitte übel genommen und würdest jezt nicht weiter an sie      
  08 dencken. Aus diesem Buche will sie sich nun, zu einer recht wackeren      
  09 Landwirthin ausbilden, welches jtzt auch für mich ein neues Studium ist,      
  10 da die Vorsehung mich auf meine übrige Lebensfrist, von der Schule an      
  11 den Pflug versetzet hat. Ich bin nun Prediger eines lettischen Kirchsprengels,      
  12 von recht weitläuftigem Umfange. Eine beträchtliche Anzahl, der      
  13 in dem angränzenden Lithauen wohnenden Protestanten, hält sich auch      
  14 zu meiner Gemeine, und fordert mich oft zu Excursionen, bey ihren      
  15 Krancken auf. Dieses Amt hatt also seine große Fatiguen, die ich aber,      
  16 bey meinem durchweg gesunden, und starken Körper, nicht achte. Außerdem      
  17 ist meine neue Situation, weit angenehmer, als das lästige Schulamt      
  18 war, das mich mit überhäuften Arbeiten, und bey sehr knap      
  19 zugeschnittenem Einkommen, zugleich, mit Nahrungs= und Familien      
  20 Sorgen niederdrückte. Diese Bürde, habe ich 6 Iahre getragen, Gott      
  21 sey für meine Ausspannung gedanckt. Iezt genieße ich Zufriedenheit,      
  22 und meine Aussicht wird noch angenehmer werden, wenn ich mich erst      
  23 aus dem Embarras von Schulden, werde losgewickelt haben, die ich,      
  24 als ein angehender Landwirth, der Vieh, Pferde, Wagen, und tausenderley      
  25 Sachen nöthig hat, machen mußte. Mein Pastorat, ist von Mietau 6,      
  26 und von Riga 10 Meilen entfernt, und nach der letzteren Stadt verführe      
  27 ich, meine Crescentien. Die Gegend, in der ich lebe, ist, so      
  28 reitzend, daß ein Zeichner, der in Curland herumreisen wolte, vüen      
  29 aufzunehmen, diese gewiß nicht weglaßen würde. Meine Aecker sind      
  30 fruchtbar, und bey meinem Hause, ist ein schöner Garten, der in Curland      
  31 schon Aufsehen macht. Einen einzigen Fehler hat mein Aufenthalt,      
  32 er ist beynahe ganz Umgangsleer. Meine Dioecoese, ist fürstl. Domaine,      
  33 in welcher kein Adel wohnt. Doch Wirthschaft und lecture, lassen mich      
  34 dieses Oede kaum fühlen. Mit meiner ehrlichen, häuslichen, liebreichen      
  35 Frau lebe ich einträchtig und zufrieden. Und dieses häusliche Glück,      
  36 machen mir meine lieben Kinder, vollends recht schmackhaft, zwey      
           
     

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